Grüne Perspektive: Angstfreie Stimme der Basis
Kai Wargalla will Chefin der Bremer Grünen werden: Wer sich für deren politische Taten interessiert, muss die internationale Presse studieren.
Das ist ein Coup, den die BremerInnen erst einmal kapieren müssen: Am 17. Januar tritt Kai Wargalla bei der Wahl des Grünen Landesvorstands an. Sie bewirbt sich als Nachfolgerin von Henrike Müller, die schon vor der Bürgerschaftswahl angekündigt hatte, nicht erneut anzutreten. Ralf Saxe, der Mann in der Doppelspitze, möchte gerne weitermachen.
Wargalla, die von den neuen sozialen Bewegungen herkommt, kann wie Müller als eher linksgrün kategorisiert werden. Während Müller allerdings eher moderierend gewirkt hat, tritt Wargalla sehr dezidiert auf: „Ich gehe Konflikten nicht aus dem Weg“, sagt sie. Das ließe sich auch kaum behaupten. Aber ein Selbstzweck sind die Auseinandersetzungen ihr auch nicht: „Ich gehe nicht in den Landesvorstand, um gegen jemanden zu sein.“ Sondern, um dafür zu sorgen, dass die Stimme der Basis laut zu hören ist.
Wargallas Kandidatur hat etwas von einer Sensation: Die Bremerin – ihre Mutter Lisa war von 2007 bis 2011 rechtspolitische Sprecherin der Bürgerschaftsgrünen – hatte sich bislang vor allem erfolgreich in weltpolitische Zusammenhänge eingemischt. In Bremen hat man ihren Kampf für einen Betriebsrat beim Bio-Kaufhaus Alnatura wahrgenommen. Im Ausland weiß man mehr über Wargalla.
So kennt der NSA vermutlich sogar ihre Schuhgröße: Die Frau, die in Oldenburg und London auf MA in „Sustainability Economics“ studiert hat, ist eine der acht KlägerInnen im Hedges-Verfahren. Außer dem New York Times-Journalisten Christopher Hedges gehören der Gruppe Persönlichkeiten wie der US-Chefintellektuelle Noam Chomsky an. Und eben Wargalla. Sie klagt gegen Barack Obama und dessen Militärhaushaltsgesetz von 2012.
Das erlaubt dem US-Präsidenten, die Inhaftierung von Menschen zu verfügen, weltweit, auch fernab von Kriegsschauplätzen und ohne Urteil. Das Kreuzverhör durch die Regierungsanwälte hat Wargalla unbeschadet überstanden: „Ich versuche möglichst angstfrei zu sein“, sagt sie. Schon vorher hatten etliche britische Medien Kontakt mit der heute 31-Jährigen, die das Occupy-London Camp initiiert hatte: Direkt auf den Stufen von St. Pauls-Cathedral hatte sie gezeltet, vis-à-vis der London-Stock-Exchange, der zweiten Herzkammer des Kapitalismus neben der Wallstreet.
Aber ist Bremen für sie nicht zu klein? „Ich war bei meiner Rückkehr total überrascht, dass mir die lokale Politik hier so Spaß macht“, sagt Wargalla der taz. „In diesem Bundesland kann man etwas bewirken.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind