piwik no script img

Grüne Gentechnik auf dem Prüfstand

Unter Federführung der Verbraucherschutzministerin Renate Künast sollen Vertreter der Industrie undGentechkritiker über Chancen und Risken der grünen Gentechnik diskutieren. Eine Einigung ist nicht zu erwarten

Künast erklärte, dasssie ein Anbauprogramm nichtfür sinnvoll halte

Der erste Schritt ist getan. Die grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast hat die seit Jahren verbittert gegenüberstehenden Befürworter und Gegner der grünen Gentechnik an einen Tisch zusammengebracht. Am Mittwoch eröffnete die Ministerin in Berlin eine neue Diskussionsrunde, um das Für und Wider von gentechnisch veränderten Pflanzen und genmanipulierten Nahrungsmitteln zu erörtern. Gemeinsam mit Vertretern der Industrie, Landwirtschaftsorganisationen, Umweltverbände und kirchlichen Organisationen sollen die „Chancen und Risiken der grünen Gentechnik in Deutschland diskutiert werden“.

Es sei ein „besonders schwieriger Diskurs“, sagte Künast in ihrer Eröffnungsrede vor den rund 60 Interessenvertretern, die der Einladung gefolgt waren. Ein großer Teil der Bevölkerung stehe gentechnisch veränderten Lebensmitteln ablehnend gegenüber, gleichzeitig dränge die Wirtschaft auf den kommerziellen Anbau etwa von Genmais, zudem stünden nationale Genehmigungen für gentechnisch veränderte Sorten an, beschrieb Künast die verfahrene Situation. Erschwert wird der Diskusionsprozess auch durch die Tatsache, dass jetzt schon, ohne dass die Verbraucher es erfahren, genmanipulierte Nahrungsmittel, Sojaprodukte etwa oder mit Gentech-Enzymen hergestellter Käse, vermarktet werden. „Es gibt Schätzungen“, so Künast, die davon ausgegingen, dass „60 bis 70 Prozent aller Lebensmittel in irgendeiner Form“ von Gentechnik betroffen seien.

Mit der jetzt eröffneten Diskussionsrunde nimmt Künast nach fast einjähriger Unterbrechung das Gespräch über den Anbau genmanipulierter Pflanzen mit der Industrie und den Saatgutzüchtern wieder auf. In Deutschland ist der Anbau von Genpflanzen bisher nicht erlaubt, auch in der EU ist seit längerem schon kein neuer Antrag für das Inverkehrbringen von Gentechpflanzen genehmigt worden. Ursprünglich wollte Bundeskanzler Gerhard Schröder zusammen mit der Saatgutindustrie diese Blockade überwinden. In einer „Kanzlerrunde“ sollte ein Programm für einen begrenzten Anbau genmanipulierter Pflanzen erarbeitet werden. Wissenschaftliche Begleituntersuchungen sollten dazu dienen, die Verbraucher von Sicherheit und Vorteilen der Gentechpflanzen zu überzeugen. Auf dem Höhepunkt der BSE-Krise wurden diese Gespräche jedoch ausgesetzt.

Künast will diese Kanzlerrunde nicht wieder aufnehmen. Im Vorfeld schon erklärte sie, dass sie ein großflächiges Anbauprogramm, wie vom Kanzler gewünscht, nicht für sinnvoll halte. Ziel der neuen Diskussionsrunde soll vielmehr sein, so steht es in dem Einladungsschreiben, „ ein gemeinsam getragener Ergebnisbericht, bei dem auch Minderheitspositionen deutlich gemacht werden können“. Erwünscht ist auch, dass Schlussfolgerungen formuliert werden.

Eigentlich ist jetzt schon abzusehen, wie dieser Bericht aussehen wird. Denn es ist nicht der erste Gentechdiskurs zwischen Anwendern und Kritikern. Einen Konsens oder auch nur eine Annährung hat es weder bei dem vom Forschungsministerium finanzierten Diskurs über „herbizidresistente Pflanzen“ gegeben noch bei der von der Industrie initiierten Runde über Gentech-Enzyme in Waschmitteln.

Die ersten in Berlin abgegeben Statements lassen erwarten, dass es auch diesmal nicht anders aussehen wird. „Wir wollen Rechtssicherheit“, sagte Dieter Wißler vom der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB). Konkret meinte er damit, klare Bedingungen zu schaffen, wie die Saatgutindustrie ihre Gentechsorten vermarkten darf. Das „ob“ ist keine Option für ihn.

Das sah der Greeenpeace-Vertreter Christoph Then anders. Solange die Risiken nicht geklärt seien, es sogar noch nicht einmal Kriterien gebe, wie eine Risikoabschätzung überhaupt durchzuführen sei, komme für ihn eine Vermarktung von Gentechpflanzen nicht in Frage.

Geplant ist, dass im Januar schon ein nächstes Treffen stattfinden wird. Ein konkrete Themenliste und Terminplanung liegt bisher noch nicht vor. Im September nächsten Jahres jedenfalls soll der Diskurs seinen Abschluss finden – rechtzeitig genug, damit das Abschlusspapier noch in der Endphase des Bundestagswahlkampfes eingesetzt werden kann.

WOLFGANG LÖHR

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen