Gründe für Fluglinienpleite: Germania am Boden
Der ruinöse Preiskampf in der Luftfahrt fordert mit Germania das nächste Opfer. Reisende, Beschäftigte oder Firmen – in der Branche verlieren alle.
Das ist krass: Die Flugbranche wächst und wächst, immer mehr Menschen werden immer weiter durch die Luft transportiert, aber Airlines machen schlapp. Mit Germania ist in kurzer Zeit nach Air Berlin die zweite deutsche Fluggesellschaft pleitegegangen.
In der Branche ist die Lage dramatisch. Der ruinöse Preiskampf macht die Airlines fertig. Die Passagiere können sehr billige Tickets kaufen, aber sich nicht mehr darauf verlassen, dass der Flieger auch tatsächlich abhebt – das gilt auch für die Maschinen der nicht wirtschaftlich angeschlagenen Gesellschaften wie Lufthansa oder Easy Jet. Im vergangenen Jahr sind so viele Flüge in Deutschland ausgefallen wie nie zuvor. Kommt etwas Sand ins Getriebe, etwa weil es eine technische Störung gibt oder FlugbegleiterInnen ausfallen, setzt sich eine Kettenreaktion mit Verspätungen, Verlegungen und Ausfällen in Gang.
Der Grund dafür ist der gleiche wie der für die Insolvenz der Airline Germania. Der Konkurrenzkampf in der Branche ist erbarmungslos, es gibt nicht einen Beschäftigten, nicht ein Reserveflugzeug mehr als unbedingt nötig – denn das würde ja Kosten verursachen. Die Fluggesellschaften können sich gegenseitig die Passagiere mit niedrigen Ticketpreisen abjagen, weil sie den Preiskampf auf dem Rücken der Beschäftigten und Reisenden austragen und die extremen Umweltschäden nicht eingepreist werden, die Fliegen verursacht.
Leiharbeit, Dumpinglöhne, unzumutbare Arbeitszeiten – viele Fluglinien pressen ihre Mitarbeiter aus. Dass die sich mehr und mehr dagegen wehren, wie zuletzt die Arbeitskämpfe an Flughäfen oder bei Ryan Air zeigten, ist eine gute Folge der gleichzeitigen Boom- und ruinösen Wettbewerbsphase der Branche. Denn die Airlines brauchen auf jeden Fall Leute. Das ist hoffentlich ein Trost für die rund 1.150 Beschäftigten von Germania, die ihren Job verlieren.
Bigotte Rufe nach Preisanstiegen
Wie andere Fluggesellschaften auch hat Germania versucht, von der Pleite des Konkurrenten Air Berlin zu profitieren – und sich dabei prompt überhoben. Germania wird nicht die letzte Fluggesellschaft sein, die aufgeben muss. Dass sich Flüge für unter 100 Euro von Berlin nach Tel Aviv auf Dauer nicht tragen, liegt auf der Hand. Wenn auch noch wie geschehen die Kerosinpreise steigen und eine Zwischenfinanzierung platzt, ist es aus und vorbei.
Wären die Ticketpreise höher, würde es FlugbegleiterInnen und Bodenpersonal vielleicht besser gehen. Möglicherweise würde Fliegen wieder zuverlässiger, weil es mehr Reservekapazitäten gäbe. Viele fordern auch aus Klimaschutzgründen eine Erhöhung der Ticketpreise – allerdings sind es auch die Weltoffenen und ökologisch Versierten, die viel im Flieger unterwegs sind. Ihre Rufe nach höheren Ticketpreisen sind bigott.
Sollen wirklich nur noch Leute mit viel Geld fliegen können? Nein. Es ist nicht akzeptabel, dass die einen gar nicht mehr und die anderen umso bequemer fliegen können. Eines steht aber fest: Die Zahl der Flüge muss abnehmen. Das ist gar nicht so schwer zu erreichen. Flüge innerhalb Deutschlands etwa sollten komplett gestrichen werden. Mit der Bahn sind alle Ziele – ja, trotz der häufigen Verspätungen – durchaus gut zu erreichen. Bislang leider oft zum höheren Preis. Das muss sich ändern. Dann könnte jede und jeder ein persönliches Budget an Flugmeilen bekommen, die er oder sie in einem bestimmten Zeitraum zurücklegen kann. Dann kann die Reise durchaus noch nach Sri Lanka oder in die USA gehen, aber eben nicht mehr so oft. Und bis sich das politisch durchsetzen lässt, sollten weltoffene Ökologische sich ein rigides privates Flugbudget zulegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!