Grün-schwarzes Gespräch über Heimat: „Nö. Ist meins. Ist unsers“
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus sprechen über die Nationalflagge. Sie sind sich recht einig.
Berlin taz | Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) südlich des Berliner Tiergartens bietet einen gediegenen Rahmen, um über die Nationalflagge nachzudenken. Im alten Westberlin ergraute Herren beugen sich hier tief über Flyer, weil die verflixten Buchstaben so klein sind. Die Damen tragen Kaschmirpulli und Perlenohrringe. Und junge Männer schieben, wenn sie Frage stellen, die einen Hauch Kritik enthalten, hinterher, vielleicht hätten sie auch etwas falsch verstanden, dann möge man sie bitte korrigieren.
Jene Stiftung also hatte am Dienstagabend Katrin Göring-Eckardt und Ralph Brinkhaus eingeladen, um unter dem Titel „Schwarz-Rot-Gold: Farben der Freiheit oder Provokation?“ zu diskutieren. Michael Borchard, Abteilungsleiter der KAS, weist zu Beginn darauf hin, dass die drei Farben schon jene der Weimarer Republik waren – und dass die Nazis sie als verhasstes Symbol der freien Demokratie 1933 verboten. Dennoch, so Borchard, zucke seine patriotismusskeptische Generation zusammen, wenn die Fahne allzu selig geschwungen werde.
Aus diesem Widerspruch ergab sich eine interessante Diskussion, bei der, das vorab, die Differenzen überschaubar waren. Der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckardt macht in Sachen Bürgerlichkeit ja keiner etwas vor, auch nicht der aus Westfalen stammende Unions-Fraktionschef, dem die spröde Bodenständigkeit dieses Landstrichs zu eigen ist. Göring-Eckardt betont gleich zu Beginn, das Schwarz-Rot-Gold zu mögen und die Nationalhymne selbstverständlich gerne zu singen. Mit dem Fahnenschwenken habe sie es aber nicht so, weil sie in der DDR aufgewachsen sei. Verständnisvolle Lacher.
Brinkhaus wiederum kontert die Frage der Moderatorin, ob man sich die Fahne habe wegnehmen lassen. „Nö. Ist meins. Ist unsers.“ Er leugne nicht, dass weit rechts stehende Leute versuchten, die Fahne für sich zu reklamieren. Aber er persönlich habe sich die Fahne seines Staates ja nie wegnehmen lassen. Deshalb wehre er sich gegen die Debatte. Dafür kriegt er Applaus, konservatives Selbstbewusstsein kommt hier gut an.
Westfale, Deutscher, Europäer
Brinkhaus sagt – wie vor ihm Göring-Eckardt –, dass Menschen in mehreren Dimensionen lebten. Er sei Westfale, aber ihm werde das Herz warm, wenn er die deutsche und die europäische Fahne sehe. „Da sehe ich überhaupt keinen Widerspruch.“ In einer zur Individualisierung neigenden Gesellschaft sei Schwarz-Rot-Gold die Chance, „das Verbindende zu besprechen“.
Aber was kann das Verbindende sein? Jenseits eines Bekenntnisses zur Verfassung, einer Selbstverständlichkeit? Was verbindet den krakeelenden AfDler mit bürgerlichen Grünen oder Christdemokraten? Da bleiben Göring-Eckardt wie Brinkhaus vage.
Für den Christdemokraten sind Einigkeit und Recht und Freiheit „Angebote, die ich jedem machen kann“. Man lebe in einem tollen Rechtsstaat, in dem man auf sich achte, in dem aber auch das Leistungsprinzip gelte. Die Deutschen seien eine offene Gesellschaft, die in der Lage sei, sich zu korrigieren – er führt das Werkstattgespräch an, in dem die CDU vor Kurzem ihr flüchtlingspolitisches Trauma aufarbeitete.
Göring-Eckardt betont, wie wichtig es sei, dass Demokraten hart und anständig miteinander diskutierten („Wir beide schaffen das“). Und dass Ost und West eben noch nicht gleich seien. „Wir sind da noch nicht.“ Weder emotional noch bei der Repräsentanz in Eliten, auch nicht, wenn es um gleichwertige Lebensverhältnisse gehe.
Man kennt sich, man schätzt sich
Falls noch irgendwer Zweifel hatte, dass Schwarze und Grüne gern miteinander regieren würden, konnte er sie nach diesem Abend getrost beiseite legen. KAS-Mann Borchard, selbst CDU-Mitglied, lobt ausdrücklich die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck, die ihre Sommerreise unter das Motto „Des Glückes Unterpfand“ stellten. Brinkhaus wiederum lobt, dass Borchard die Grünen lobt – und stimmt Göring-Eckardt mehrmals demonstrativ zu. Man kennt sich, man schätzt sich.
Am Ende gibt es dann doch noch einen kleinen Dissens. Ein Zuhörer fragt, ob es nicht mehr Möglichkeiten geben müsse, sich emotional zum Staat und seinen Werten zu bekennen? Schließlich habe die #unteilbar-Demo, zu der im Oktober 240.000 Menschen nach Berlin kamen, gezeigt, dass es dieses Bedürfnis gebe. Göring-Eckardt ist jedoch skeptisch, ob der Staat dabei aktiv werden solle. Verordnete Feiern, das habe sie schon mal gehabt.
Brinkhaus spricht zustimmend von einer „Leerstelle“, weiß aber auch nicht, was das richtige Format jenseits von Feiertagen wie dem 3. Oktober sein könnte. „Ohne eine Antwort zu haben, es ist ein guter Gedanke.“ Dann steht noch eine ältere Dame auf. Sie plädiert dafür, der Bundesregierung dafür zu danken, dass sie sich so kümmere. „Das sollte auch mal sein.“
Da kann Brinkhaus nur noch nicken – und Katrin Göring-Eckardt lächelt.
Leser*innenkommentare
miri
"Nicht nur diesem Hund gefällt die Deutschlandfahne" -- diese Behauptung halte ich für völlig aus der Luft gegriffen. Der Hund hat höchst ungern das wuschelige Dings da um!
88181 (Profil gelöscht)
Gast
@miri Genau, Möpse sind die Antideutschen unter den Hunden.
88181 (Profil gelöscht)
Gast
"Göring-Eckardt betont gleich zu Beginn, das Schwarz-Rot-Gold zu mögen und die Nationalhymne selbstverständlich gerne zu singen."
Jawoll! Wie sich das für eine Deutsche gehört.
sart
@88181 (Profil gelöscht) Bitte achten Sie auf Ihre Rechtschreibung. In diesem Zusammenhang ist die Schreibweise "Doitsche".
LeSti
Es ist mit der Flagge wie mit dem Begriff "Heimat". Beides wird im Gleichen Maße unsympathischer, wie beides von Menschen, deren Meinung und politische Gesinnung man teils zutiefst ablehnt, vereinnahmt wird.
Abdurchdiemitte
@LeSti Zum Thema Heimat und Symphatie fällt mir noch folgendes ein: es gibt Badische und es gibt Unsymbadische.
Oder mit Wiglaf Droste in Reimform gesprochen: schön ist die Heimat, sofern man sie hat, schön ist der Hering, besonders der Brat-.
mowgli
@LeSti „Das sýmbolon“ erklärt das Lexikon, war für die alten Griechen „ein Erkennungsmerkmal, mit dem zwei Parteien (Gastfreunde, Vertragspartner) sicherstellen wollten, dass sie einander oder jeweils Vertreter der anderen Partei wiedererkennen.“ Genau daher, denke ich, rührt unsere Irritation.
Unsere Gastfreundschaft wollen wir schließlich nicht jedem zuteil werden lassen. Wir wollen selbst bestimmen, mit wem wir unser Zuhause teilen – und mit wem nicht. Auf die Symbole von Nationalstaaten (Fahne, Hymne, Währung etc.) berufen sich leider auch solche Leute, mit denen man nicht unbedingt an einem Tisch oder auf einem Sofa sitzen möchte. Schon gar nicht am bzw. auf dem eigenen.
Auch das hat mit Selbst- und Fremdbestimmung zu tun. Der Staat sind nach Ansicht seiner Repräsentanten vor allem sie selber. Leute wie Kathrin Göring-Eckardt und Ralph Brinkhaus dürfen zumindest mitentscheiden darüber, wer von Deutschland profitieren darf und wer nicht. Sie „kümmern“ sich, und dafür erwarten sie bestimmte Privilegien. Die stellen sie dann unter den Schutz staatlicher Symbole.
Ich selber käme nie auf die Idee, im Namen anderer Leute zu entscheiden darüber, wer wie viel Nutzen ziehen darf aus Deutschland. Ich weiß schließlich, dass die Ressourcen dieses Landes ein Gemeinschafts-Werk Vieler sind (am wenigsten eins der Politiker). Wenn also Kathrin Göring-Eckardt und Ralph Brinkhaus sich einig sind in ihrer Liebe zu den Symbolen des deutschen Staates, muss ich diese Liebe nicht unbedingt teilen können. Und sollte sich das Duo Meuthen/Gauland zum Duo Göring-Eckardt/Brinkhaus dazustoßen, muss das an meinen ambivalenten Gefühlen schon gar nichts ändern.
Ich selber, schließlich, habe keinen Vertrag unterschrieben. Ich musste unterschreiben lassen. Nachdem ich andere Prioritäten setze als die genannten Spitzenpolitiker, darf ich mir einbilden, ich hätte es womöglich nicht getan. In dem Fall, allerdings, würde mir weder Fahne noch Hymne beim Partner-Erkennen helfen. Und Geld auch nicht.