Ground Zero: Späte Hilfe für erkrankte Helfer
Bei den Aufräumarbeiten nach dem 11. September atmeten sie giftige Luft. Acht Jahre nach den Anschlägen werden die Betroffenen nun endlich finanziell entschädigt
Kriege erledigen die USA sofort. Entschädigungen für zivile Aufräumarbeiter kommen etwas später. Im konkreten Fall hat es mehr als acht Jahre gedauert, bis knapp zehntausend Personen, die den Süden von Manhattan nach dem 11. September von Trümmern und Staub gereinigt haben, die Zusage über einen finanziellen Ausgleich für ihre Gesundheitsfolgen erhielten. Am Donnerstag erklärte die Stadt New York, dass ein Versicherungsfonds von bis zu 657,5 Millonen US-Dollar für diesen Zweck bereitsteht. Betroffene können zwischen ein paar Tausend und mehr als einer Million Dollar erwarten - je nach Grad ihrer Beschwerden.
Unter den Betroffenen sind Feuerwehrleute, Stadtreiniger und Bauarbeiter. Sie arbeiteten in den Tagen und Wochen nach den Attentaten auf das World Trade Center in einer Staubwolke, die mit giftigen Substanzen wie Asbest und Blei angereichert war. Erste gesundheitliche Folgen - oft im Zusammenhang der Atemorgane, später auch Blut- und Schilddrüsenkrebs - tauchten auf. Doch die Stadt New York lehnte Entschädigungen ab: Sie habe alle möglichen Atem-Schutzvorkehrungen getroffen und außerdem sei der 11. September kein lokales, sondern ein nationales Ereignis gewesen.
Im Jahr 2003 begann ein Gerichtsmarathon. Bis Anfang 2008 kamen knapp 10.000 Klagen zusammen. Sie richten sich gegen die Stadt New York und die von ihr für den Zweck der Entschädigung gegründete Versicherungsgesellschaft "World Trade Center Captive Insurance Company". Im Laufe des Rechtsstreits brachte die Versicherungsgesellschaft immer wieder das Argument, die medizinische Grundlage einzelner Klagen sei "zu dünn". Nun sollen alle Fälle nach einem Punktesyste geprüft und - im Rahmen der Gesamtsumme - entschädigt werden. Die Regelung sieht auch 23,4 Millionen Dollar für Fälle vor, wo die Folgekrankheiten erst in der Zukunft ausbrechen.
Der Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, nennt die Regelung "fair und eine vernünftige Lösung". Und auch Marc Bern, dessen Anwaltsbüro 9000 KlägerInnen vertreten hat, ist erleichtert : "Wir sind froh, dass die heroischen Männer und Frauen, die ihre Pflicht ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit erfüllt haben, endlich eine gerechte Entschädigung für ihr Leiden, ihre Lohnausfälle und ihre medizinischen und anderen Ausgaben erhalten."
Einige der Kläger freilich erleben die Entschädigung nicht mehr. Sie sind bereits an den Folgen ihrer Krankheiten gestorben. Der inzwischen verrentete Feuerwehrmann Kenny Specht, der an Schilddrüsenkrebs leidet, mag deshalb nicht von "Sieg" reden. "Warum mussten Familien, die jemanden beerdigt haben, so lange warten?" fragt er.
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