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Großprojekte auf dem PrüfstandIm baulichen Problemgestrüpp

Stuttgart 21, Elbphilharmonie, BER-Flughafen – und jetzt der Hauptstadtbahnhof: Experten sollen nun die Planung von Großprojekten renovieren.

„Wir können es ja eigentlich in Deutschland“, findet Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU). Bild: dpa

BERLIN taz | Typisch Großprojekt: Nur sieben Jahre nach der Eröffnung des Berliner Hauptbahnhofs muss dieser wieder teilweise gesperrt werden. Die oberirdische Strecke des erst zur Fußball-WM 2006 eröffneten Bahnhofs wird 2015 für mehrere Monate wegen Reparaturen dichtgemacht. Das bedeutet großes Unbill für Millionen Passagiere.

Ärgerlich sei das, fand auch Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU). Dabei passte ihm die Meldung am Dienstag eigentlich gut in den Kram – ein Tag vor der ersten Sitzung der von ihm berufenen Expertenkommission für die Reform bei der Planung von Großprojekten.

Es gehe um „nicht noch eine Kommission“, betonte Ramsauer. Die Experten sollten erarbeiten, wie Pannen wie die beim Berliner Flughafen BER, bei Stuttgart 21, der Hamburger Elbphilharmonie oder eben beim Hauptstadtbahnhof vermieden werden können.

„Wir können es ja eigentlich in Deutschland“, sagte Ramsauer. Aber es gebe auch Mängel bei der Planung. „Man darf sich nicht bei der ersten Berechnung der Kosten in die Tasche lügen, nur um ein Investitionsprojekt zu erzwingen.“ Vielleicht werde manches Projekt deshalb künftig auch nicht gebaut. Die Kommission soll in den nächsten 18 Monaten ein Handbuch für den Bau von Prestigeprojekten ausarbeiten, damit sie „nicht mehr außer jeden Zeit- und Kostenrahmen geraten“, sagte Ramsauer.

Explodierende Kosten

Ein hoher Anspruch, denn die Gründe für verfehlte Zeitplanungen und explodierende Kosten sind vielfältig. Eine Erklärung für die Flops hat der Präsident des Hauptverbands der Bauindustrie, Thomas Bauer. Früher habe der Bau im Zentrum der Planung gestanden und die Technik des Gebäudes sich den Vorgaben angepasst. „Heute sind Großprojekte komplexe Systeme mit vielen Schnittstellen“, erklärt Bauer. Die Beziehungen zwischen den Bauherren und den ausführenden Firmen müssten partnerschaftlicher werden.

Für noch schlimmer als die mangelnde Kooperation halten Experten die Vergabepraxis für Aufträge. „Es kommt oft eine suboptimale Vergabe heraus“, beobachtet der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement (GPM), Reinhard Wagner. Da die billigsten Firmen zum Zuge kämen, seien Fehlentwicklungen vorprogrammiert. Kenner berichten von gezielten Dumpingangeboten bei Unklarheiten in der Ausschreibung. Das Geld holten sich die Betriebe dann über Nacharbeiten wieder herein.

Auch die Politik macht Fehler: Einerseits prescht sie mit unrealistischen Kostenansätzen vor, um die Akzeptanz für ihre Vorhaben zu erhöhen, andererseits treibt sie mit Änderungswünschen die Kosten in die Höhe. Die Expertenrunde soll nun das Problemgestrüpp lichten. Wagner zweifelt am Erfolg. „Ein Leitfaden ist meiner Ansicht nach zu wenig“, sagt der GPM-Chef. Und verweist auf Länder wie Großbritannien oder Indien. Hier gebe es Regierungsstellen ausschließlich für ein besseres Projektmanagement der öffentlichen Hand.

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5 Kommentare

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  • FE
    Frank E.

    Tja, solange die einzige Maxime ist, der billigste bekommt den Auftrag und so lange man dem Irrlicht hinterherläuft der billigste ist der beste kann das nichts werden!

     

    Das weiß die Öffentlichkeit schon seit Jahren, nur die Politik ist Zahlengläubig wie sonst was.

     

    Ob das Methode hat, keine Ahnung, es scheint zumindest methodische Dummheit vorzuliegen.

     

    Auch scheut man oft die Kosten für gründliche Planung und muß dann später feststellen, gerade bei Renovierungsprojekten, auch früher gab es schon Pfusch am Bau, den man nicht auf den ersten Blick sieht (also quasi die Königsklasse des Pfusches) und ohne gründliche tatsächliche, handgreifliche Voruntersuchung nützt auch der 351te Projektsteurer nichts der im Nachgang alle Beteiligte nur mit noch mehr Papier quält , aber über noch weniger praktischer, greifbarer um nicht zu sagen handwerklicher Erfahrung verfügt.

     

    Liebe Leute, am grünen Tisch wird i.d.R. keine Planung etwas, man muß es richtig schmutzig machen, um zur belastbaren Erkenntnissen zu gelangen!

     

    Und der andere riesen Fehler ist, statt dass man funktional baut um möglichst wenig (anfällige) Technik - egal ob in Form von Dichtstoff, Elektronik, Brandschutz etc. - einsetzen zu müssen, baut man hübsche Gebäude mit solch grottenschlechter Funktionalität, dass man mit teurer Technik deren Nutzbarkeit herstellen muß.

     

    Beliebte Themen sind da etwa: Sonnenschutz bei riesigen Glasfassaden, Styropordämmstoffe, Flachdächer etc etc.

     

    Gerade was die Dämm- und Dichtstoffe, aber auch die 2, 3, vielleicht bald 4-fach oder gar Vakuumisoliergläser betrifft wird sich mancher stolzer Glaspalastbesitzer noch die Augen reiben, wenn nach spätestens 30 Jahren die komplette Sanierung ansteht, weil die Dämmwerte zusammenbrechen. Früher hielten Gebäude, einfach gebaut, 100, 150 oder mehr Jahre - ok man hatte höhere Energiekosten bei deren Nutzung.

     

    ABER alle 30 Jahre die Dämmung austauschen, oder die Glasscheiben oder, oder... das verbraucht ja gaaaanz sicher überhauptgarnichtkeine Energie- oder?¿

     

    Nachhaltigkeit ist heute ein genau so kurzfristig durchdachter Begriff wie die Rettung der Wirtschaft (ich find`s ja toll das die Politik die kleinen Land GastWIRTSCHAFTEN retten will, hab aber noch nicht gemerkt das die MRD da ankommen...) etc etc.

     

    Und die Lobbyistendurchtränkten Dämmstoffverkaufsförderungsgesetzesvorlagen tun ein übriges dazu das man - wie bei der angeblich so billigen Atomenergie - zich MRD verschleudert; es ist jämmerlich!

  • F
    franz

    Setzt man Politiker und Beamte in Konsortien

    ein , die irgendetwas mit Wirtschaft zu tun haben,

    dann geht das zu mindestens 99% immer mit Mehrkosten aus.

    Nicht die gut arbeitenden Baubetriebe werden belohnt

    mit einer Auftragszusage, sondern jene mit

    komplexen Firmenmodellen zwecks Lohndumpings und

    Steueroptimierung. Nicht Innovation am Bau wird gefördert, sondern Protz, Kitsch und Pfusch.

     

    Bauprojekte müssen nicht konfus strukturiert sein, sie können auch Stück für Stück entstehen und müssen nicht

    sofort vollverzahnt.

    Qualität, Machbarkeit, faire leistungsgerechte Entlohnung und Vertragstreue und nicht der Preis müssen die wichtigsten Kaufkriterien für die Vorauswahl sein.

    Dann entscheidet der Volksentscheid welche

    Variante die geschmacklich beste Umsetzung

    repräsentiert.

    Der Stil einer Stadt soll nicht mehr durch Klüngelprojektleiter ausgekungelt.

    Herauskommen dort immer solche klobigen oder

    stilistisch snobbistisch verzerrten

    Schrummelkrückenblöcke

    in Monotoniebrechungen ohne ein Hauch von Sinnlichkeit und ehrlicher handwerklicher Kunst.

     

    Vor allem aber sollten die Bauprojekte einfach wohl durchdacht sein.

    Dafür braucht es Freiraum, Seriösität, Detailkenntnis, Problembewußtsein und Akribie,

    sowie eine Menge praktischer Erfahrung.

    Dann sollte man eben seine erfahrenen Ingenieure

    alter Prägung nicht mit Saisonarbeit und Vorruhestand abspeisen, sondern die kollegiale

    Erfahrung bündeln.

    Das heutige kameradschaftsfeindliche, stressfördernde und kreativitätsfeindliche

    Arbeitsklima in Verbindung mit häufig totaler

    Geschmacksverirrung führt zu den nun hinlänglich

    bekannten Ergebnissen.

    Es gibt CAD-Programme, damit man die häßlichsten

    Entwürfe eben noch im Projektstadium erkennt und NICHT baut. Ästhetisch waren alle Milliardendesaster

    von Anfang an fragwürdig. Man hatte das Gefühl, dass

    nach über 50 Jahren immer sich noch nichts entwickelt hätte! Die alte Generation hemmt die geistige Entwicklung ihrer Kinder.

    Wir leben immer noch in einer Diktatur der Angepassten, die ewig ihren Despoten folgen-geschmacksverkrüppelte "Leistungseliten".

  • JZ
    jan z.

    Wo ist da in Deutschland die "Heinrich Boell Stiftung", und ihre Stieftochter die "Rosa Luxemburg Stiftung" und ihr stiller Partner "Adventis: Die erlauben grundsaetztlich keine Infrastrukturprojekte in Lateinamerika !

  • Q
    "Restmüll"

    Nur ein "Problemgestrüpp" wie ein verflixt freiheitlich, breit und wild wuchernder Strauch auf einer riesigen Bauwüste? Jetzt soll dieser Strauch innerhalb seines Gestrüpps auch noch "partnerschaftliche Beziehungen" aufbauen? Entzückendes Gerangel!

     

    Bei den Großbauprojekten zwecks Prestigepflege geht es um partnerschaftliche Steuergeldverschwendung in Milliardenhöhe! Ein Faß ohne Boden!

     

    Ein solches "partnerschaftliches Faß ohne Boden" bzw. "partnerschaftliches Beziehungsgeflecht" steht doch schon mit dem ersten Spatenstich im Frühjahr 2013 für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses mit allem luxuriösem Drum und Dran einschließlich zahlreicher Änderungswünsche in den Startlöchern.

     

    Schließlich hat der reichlich selbstherrliche schwarz-gelbe Staatskulturminister allen "Partnern" für dieses Prestigeprojekt schon im vorigen Jahr fest zugesichert, daß "selbstverständlich" sämtliche Kostensteigerungen vom Bund getragen und bezahlt werden! Bei dieser offiziellen Zusage greifen doch alle Bauherren, Architekten und ausführende Firmen ungeniert zu!

  • UF
    Ulrich Frank

    Wir können es überhaupt nicht in Deutschland. Die Probleme fangen doch schon bei Kleinprojekten an: siehe das Debakel um die Bühnentechnik des Stuttgarter Theaters, die Probleme mit dem Neubau des Innenministeriums etc. Die Einrichtung einer rechtlichen Schiedsstelle zugleich mit dem Baubeginn eines noch so kleinen Projektes müßte leider verpflichtend sein. Abgesehen von dem, was das Leichtgewicht Ramsauer von sich gibt ist das von Thomas Bauer Gesagte von geradezu großartiger Komik:"Die Beziehungen zwischen den Bauherren und den ausführenden Firmen müssten partnerschaftlicher werden" - diese "Partnertschaftlichkeit" scheint doch im wesentlichen darin zu bestehen, daß einer der Partner die anderen über den Tisch zu ziehen versucht, wie im Falle von Stuttgart 21.