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Großkonzerne kassieren bei PflegeSenioren locken Investoren

Großkonzerne kaufen sich in Pflegeheime ein und hoffen auf satte Gewinne. Der Vorwurf: Diese gehen auf Kosten von Qualität und Personal.

Pflegekräfte haben einen harten Job. Doch von den finanziellen Gewinnen sehen sie wenig Foto: AP

Berlin taz | Die Streitereien zogen sich durch die Talkshows, die Empörung wuchs: Große, börsennotierte Konzerne kaufen sich in den Markt mit Pflegeheimen ein. Kürzlich erwarb die Deutsche Wohnen, nicht gerade als Sozialunternehmen bekannt, für 680 Millionen Euro 30 Pflegeheime und verfügt damit jetzt in Deutschland über 12.000 Pflegeheimplätze.

Das Unternehmen werde „von den positiven Makrotrends im Pflegemarkt stark profitieren“, freute sich Deutsche Wohnen-Konzernchef Michael Zahn. Die französische Korian-Gruppe, hierzulande der größte private Pflegeheimbetreiber mit 28..000 Plätzen, lobt in ihrem Halbjahresbericht vom September Deutschland als den „größten und am schnellsten wachsenden Seniorenmarkt“. Mit „gesunder öffentlicher Finanzierung“.

Das Pflegeheim-Shopping rief Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf den Plan. Das „kapitalmarktgetriebene Fokussieren auf zweistellige Renditeerwartungen“ sei im Pflegebereich „nicht angemessen“, rügte Spahn. Er äußerte gar den Verdacht, sehr hohe Gewinne könnten nur durch „vorsätzliches Absenken der Versorgungsqualität zustande kommen“.

Die privaten Pflegekonzerne wehren sich gegen den Vorwurf, mit der Pflege überhöhte Gewinne zu machen. „Die tatsächlichen Netto-Renditen von Korian liegen weit unter den ­kolportierten ‚zweistelligen ­Profiten‘“, so eine Konzern­sprecherin zur taz. Der Konzerngewinn 2017 entspreche 3 Prozent vom Umsatz der Gesamtgruppe.

40 Prozent der Heimplätze gehören Privaten

Korian nennt im Halbjahresbericht 2018 zwar eine operative Rendite, den sogenannten ­Ebitdar, von 24 Prozent für Deutschland. Das „Ebitdar“ ist aber ein operativer Gewinn vor dem Abzug von Steuern, Zinsen, Mietzahlungen und Pacht. Diese Bilanzierung ist für börsennotierte internationale Konzerne vorgeschrieben. Das ergibt relativ hohe Werte, die von Anlegern eines Unternehmens gerne gehört werden. Nur politisch sind diese Ebitdar-Werte eben ein ungutes Signal.

Auch Hermann Josef Thiel, Geschäftsführer der Consultingfirma Terranus, verweist auf die Nettoumsatzrendite. Diese liege beim Betrieb eines Pflegeheimes zwischen 3 und 5 Prozent. Eine Immobilienrendite, also der Ertrag aus Vermietung oder Verpachtung, betrage etwa 4 Prozent, sagt Thiel, der auch die Deutsche Wohnen berät.

4 Prozent sind immer noch mehr, als der Kapitalmarkt mit seinen niedrigen Zinsen hergibt. Die Frage bleibt, wie die Gewinnkomponente aus den Beiträgen von Pflegekassen, Bewohnern und Sozialämtern erwirtschaftet werden. Derzeit befinden sich etwa 40 Prozent der rund 900.000 Pflegeheimplätze in Deutschland in privaten Heimen, etwas über 50 Prozent werden von freigemeinnützigen Trägern wie der Caritas oder der AWO betrieben. 6 Prozent der Heime sind noch in kommunaler Trägerschaft.

Pflegekassen und Sozialhilfeträger verhandeln mit den Betreibern regional über die Heim­entgelte, die sich aus Pflegesätzen und den Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie den sogenannten Investitionskosten zusammensetzen. Wenn eine Gewinnkomponente nicht offen in die Entgeltverhandlungen eingestellt wird, „muss man den Gewinn aus den Gesamtkosten erwirtschaften“, erklärt Susanna Kochskämper, Pflege­expertin beim arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Daraus resultiert der oft gehörte Vorwurf, Pflegeheimbetreiber würden ihre Gewinne aus Einsparungen bei Personal und Sachkosten ziehen.

Viele Heimbewohner können Eigenanteile nicht bezahlen

Das IW, aber auch gemeinnützige Träger wie die Caritas sprechen sich inzwischen dafür aus, in den Verhandlungen mit Pflegekassen und Sozialhilfeträgern offen einen erkennbaren prozentualen Aufschlag von 4 Prozent zu gewähren, den die Caritas als „Risikozuschlag“ bezeichnet. Herbert Mauel, Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), hält mit Verweis auf Studien eine Gewinnkomponente von 5 Prozent für angemessen.

Eine Gewinn-, Risiko-, oder sogenannte Wagniskomponente in den Entgeltverhandlungen festzulegen ist vielen privaten Betreibern aber zu planwirtschaftlich. „Die Diskussion um festgesetzte Wagniskomponenten nehmen wir als Ausdruck eines grundsätzlichen Misstrauens gegenüber unternehmerischem Handeln im Bereich sozialer Dienstleistungen wahr“, so die Sprecherin der Korian-Gruppe.

Der Pflegemarkt ist bisher schon stark reguliert. Sowohl die Pflegekassen als auch die Sozialämter fordern von den Betreibern umfangreiche Kostennachweise und wollen die Heim­entgelte niedrig halten. Da viele Heimbewohner Hilfe vom Sozialamt beantragen müssen, weil ihr eigenes Geld für die Bezahlung der Eigenanteile nicht reicht, haben die Sozialbehörden in den Verhandlungen über die Heimentgelte ein gewichtiges Wort mitzureden.

In wohlhabenden Regionen ist man allerdings etwas großzügiger bei der Bemessung der Eigenanteile. BewohnerInnen in Nordrhein-Westfalen müssen im Schnitt 2.300 Euro monatlich aus eigener Tasche zuzahlen, in Sachsen sind es 1.200 Euro. Das ergab eine Erhebung des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV).

Mehr Leistung als im 4-Sterne-Hotel

Jeder zweite Pflegebedürftige werde durch diese hohen Eigenanteile von Sozialhilfe abhängig, rügt Eugen Brysch vom Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Die Eigenanteile sind zuletzt auch bedingt durch die Erhöhung der Gehälter in der Pflege beträchtlich gestiegen.

Man dürfe nicht vergessen, dass Pflege eine „außerordentlich aufwendige Dienstleistung“ sei, meint Thiel. Ein Haus mit täglichem Heimentgelt (inklusive Pflegeversicherung) von 130 Euro muss dafür Unterkunft, Essen, Hilfe beim Aufstehen, Anziehen, Waschen, Toilettengang, Ausziehen, Zubettgehen bieten. Ein besseres Vier-Sterne-Hotel im Urlaub offeriert zum gleichen Preis nur Halbpension. Und niemand beschwert sich.

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12 Kommentare

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  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Ach ja - ich vergaß: Liebe Barbara Dribbusch, wenn frau von Ökonomie und wirtschaftlichen Zusammenhängen so praktisch gar nicht „geküsst ist“ und so völlig ohne Ahnung:



    Es heißt nicht „Ebitdar“. Gemeint ist vermutlich (?) der EBITDA, eine auf den Gewinn bezogene Renditeverhältniszahl. Na ja.

  • Endlich eine Konsolidierung des Pflegemarktes. Die Pflege wird sich in den kommenden Jahren massiv ändern. Digitalisierung, AI und Co. Erreichen auch die Pflege, der Patient rutscht stärker ins Zentrum. Das alles kostet Geld. Wer könnte das besser leisten als Grosskonzerne?

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Natürlich ist die stationäre und ambulante Versorgung von Menschen - etwas zu kurz als „Pflege“ bezeichnet - ein Markt. Nicht umsonst heißt das weltweit auch „care-industry“. Und natürlich haben Investoren mit freien Mitteln großes Interesse, diese renditefähig zu verteilen.



    Der reflexhafte Rückschluss, Rediten aus der Pflege gehen zu Lasten der Bewohnerinnen und Bewohner ist meiner Ansicht aber ebenso falsch wie der Gedanke, dass kirchliche und/oder öffentlich/gemeinnützige Träger die Pflege besser machen. Die letzten fünf Branchenjahre zeigen exemplarisch, dass sowohl private als auch „öffentlich/kirchliche“ Einrichtungen Pleite gehen, miese Pflege leisten, schlechte Arbeitgeber sind und ihrer verantwortlichen Aufgabe nicht gerecht werden.



    Mehr Geld in das System zu pumpen löst das Problem vermutlich auch nicht, solange die drei folgenden Bedingungen nicht erfüllt sind: angemessene Bezahlung, kompetente Ausbildung und qualifizierte Einrichtungsleitungen. Alles drei zusammmen ist in den Häusern die ich kenne eher nicht gegeben.

    • @97088 (Profil gelöscht):

      Das würde aber tatsächlich bedeuten, dass mehr Geld gebraucht wird. Ich wäre zusätzlich zu deinem Vorschlag auch noch für eine intensive und dichte Qualitätskontrolle, die allein die Pflegequalität sicher stellt und sanktionieren kann. Dann sind die Anbieter egal.

      • 9G
        97088 (Profil gelöscht)
        @Karl Kraus:

        Korrekt!

  • Wie wäre es, wenn Spahn weiteren Aufkäufen dieser Heime durch profitorientierte Private einen gesetzlichen Riegel vorschiebt ?

    Wenn er freigemeinnützigen Trägern und kommunalen Trägerschaften die finanziellen Bedingungen verschafft, die den Alten und Schwachen ein Leben ohne Angst vor Abzocke ermöglicht ?

    Wenn er es auch schafft, den Pflegekräften die Arbeitsbedingungen zu verschaffen, die ihre schwere Arbeit würdigt ?

    Wenn er mal all den Lobbyisten, die von der „gesunden öffentlichen Finanzierung“ im Wachstumsmarkt Deutschland profitieren wollen, seine Türen verschließt ?

    Wenn es ihm gelingt, im Bundestag Mehrheiten zu finden und vor allem seine eigene Fraktion für eine solche Lösung zu begeistern ?

    Dann kann Jens Spahn zeigen, dass er durchsetzungsfähig ist auch gegenüber mächtigen Verbänden und Konzernen.

    Und wie soll das alles finanziert werden ?

    Finanzminister, Kanzlerin und Minister Spahn sollten sich unverzüglich die Finanzämter vorknöpfen und verhindern, dass ab morgen auch nicht ein einziger Euro an Cum-Ex oder Cum-Cum-Verbrecher ausbezahlt wird. Im EU-Parlament wurde gestern beanstandet, dass diese Milliarden-Auszahlungen von bereits eingenommenen Steuergeldern in Deutschland zwar bekannt, aber nicht entschieden genug verhindert worden seien.

  • Da wollen also börsennotierte Konzerne, spezialisierte private Pflegeheimbetreiber und ein Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) auf Pflegeheim-Shopping gehen und von den in Deutschland „positiven Makrotrends im Pflegemarkt stark profitieren“. In diesem „größten und am schnellsten wachsenden Seniorenmarkt“ mit „gesunder öffentlicher Finanzierung“ sollen satte Gewinne eingefahren werden.

    Dabei nimmt die Branche „grundsätzliches Misstrauen gegenüber unternehmerischem Handeln im Bereich sozialer Dienstleistungen wahr“. Allerdings ist es mehr als Misstrauen, was der größte private Pflegeheimbetreiber wahrnimmt, sondern vielmehr ist es ein völliges Unverständnis in der Bevölkerung dafür, dass Bundesregierung und Bundestag dieses Treiben überhaupt zulassen.

    Wenn ein Gesundheitsminister Spahn sich darauf beschränkt, nur die Zweistelligkeit des „kapitalmarktgetriebenen Fokussierens“ der Renditeerwartungen im Pflegebereich als „nicht angemessen“ zu rügen, kann das nur als Anregung verstanden werden, im gut einstelligen Bereich kräftig zuzuschlagen – auf Kosten der Mitarbeiter und der Senioren.

    Dass irgendwelche privaten „Unternehmer“ sich überhaupt im Bereich Alters- und Pflegebereich tummeln und aus dieser gesamtgesellschaftlichen sozialen Aufgabe ihre Profite ziehen dürfen, versteht „das Volk“, dem sich Spahn ja anderweitig so verpflichtet fühlt, nicht mehr.

    Seinen augenblicklich ziemlich großen Spielraum sollte dieser zuständige Minister, der sich bekanntlich zur Kanzlerschaft berufen fühlt, mit einer bemerkenswerten Aktion zugunsten der alternden Menschen in unserem Land ausnützen.

  • Zitat: „Auch Hermann Josef Thiel [...] verweist auf die Nettoumsatzrendite. Diese liege beim Betrieb eines Pflegeheimes zwischen 3 und 5 Prozent.“

    Es geht nicht um Zahlen. Es geht ums Prinzip. Wer mit der Pflege alter oder kranker Menschen Gewinne erwirtschaften will, der wird immer versuchen, an der Qualität zu sparen. Schon deswegen, weil die Wirtschaft ständig „wachsen“ muss, wenn sie als „gesund“ gelten und Geld anlocken will. Das Misstrauen ist also begründet.

    Jeder, der schon einen pflegebedürftigen Menschen betreut hat, weiß: Das ist ein „Zuschussgeschäft“. Wenn überhaupt, „rechnet“ es sich nur über einen ganzen Lebenszyklus hinweg, nicht in Jahresscheiben. Eltern haben ihre Kinder umsorgt, als die noch klein und hilflos waren. Die Kinder tun das Gleiche später für ihre alten Eltern. Und so, wie die Eltern früher finanziell, zeitlich, nervlich etc. „drauf gezahlt“ haben, „zahlen“ später die Kinder „drauf“ - oder halt der Betreiber. Nicht.

    In privaten Pflegeheimen wird ein Modell persönlicher Verpflichtungen marktkonform gemacht. Die sogenannten Sorgearbeit bekommt quasi ein Preisschild aufgeklebt. So, wie Mütter und Väter an den Kita-Gebühren ablesen können, was ihre Liebe zum eigenen Kind in Euro übersetzt wert ist pro Stunde, könnten pflegende Angehörige dann an den Kosten für‘s Pflegeheim ablesen, was sie „verdient“ haben, wenn sie sich nicht ganz undankbar erweisen. Allerdings können weder die Kita noch das Pflegeheim die persönliche Bindung zwischen nahen Angehörigen einkalkulieren. Und an der Stelle wird es regelmäßig kritisch.

    Für Investoren sind alte Menschen nur Zahlen auf Papier, keine Familienmitglieder. Für Heimbetreiber ist es deswegen leicht, Abstriche zu machen an der Qualität einer Betreuung. Zwar können gesetzliche Vorgaben das Schlimmste verhindern, aber so effektiv wie ein privates Gewissen wirken staatliche Vorgaben nie. Außerdem sind sie leicht korrigierbar. Das sollte bedacht werden angesichts diverser „Erfolgsmeldungen“, finde ich.

  • 9G
    91867 (Profil gelöscht)

    Ich bin immer wieder aufs Neue erschüttert, was im Namen von Renditeerwartungen in Kauf genommen wird. Aber hauptsache eine kleine Schicht von Menschen kann von Kapitalerträgen leben und braucht nicht arbeiten. Sollen doch alte und kranke Menschen dahinvegetieren. Das ist unsere Welt. Gruselig.

    • @91867 (Profil gelöscht):

      Das ist ganz normaler Kapitalismus, von den Reichen gelobt und von den Mittellosen hofiert.

  • "Ein besseres Vier-Sterne-Hotel im Urlaub offeriert zum gleichen Preis nur Halbpension. Und niemand beschwert sich."



    Traurig, dass es so weit gekommen ist, dass sich über derartige Vergleiche niemand beschwert.

  • "[...] eine Gewinnkomponente von 5 Prozent für angemessen."



    Es ist also "Angemessen", dass die Gesellschaft, ohne eine Gegenleistung zu erhalten, 5% mehr zahlt als notwendig wäre?

    Was für ein [zensiert] Weltbild!