piwik no script img

Große Abhängigkeit von ChinaEuropas Batteriehoffnung Northvolt beantragt Gläubigerschutz

Die schwedische Firma Northvolt kämpft mit Milliardenschulden. Der Bau des Akkuwerks in Dithmarschen ist von der Insolvenz vorerst nicht betroffen.

Ist zurückgetreten: Northvolt-Mitbegründer und Firmenchef Peter Carlsson Foto: Christine Olsson/TT/reuters

Freiburg taz | Der schwedische Batteriezellen-Hersteller Northvolt AB hat nach US-Insolvenzrecht Gläubigerschutz beantragt. Am Freitag verkündete das Unternehmen zudem den Rücktritt des Mitbegründers und Firmenchefs Peter Carlsson. Die Entwicklung ist ein herber Rückschlag für die Bemühungen, Europa mit eigener Batteriefertigung ein Stück weit aus der Abhängigkeit von chinesischen Firmen zu lösen.

Die Probleme hatten sich lange angedeutet: Das erste Werk von Northvolt am nordschwedischen Standort Skellefteå konnte die Produktion nicht so schnell steigern wie erhofft, zudem kämpfte die Fabrik mit Qualitätsmängeln. So konnte das im Jahr 2016 gegründete Unternehmen noch nie Gewinn erwirtschaften. Inzwischen belaufen sich die Schulden des Konzerns nach Medienberichten auf 5,8 Milliarden Dollar, die Liquidität in Höhe von 30 Millionen Dollar reicht gerade noch für eine Woche. Verhandlungen mit Anteilseignern über ein Hilfspaket im Umfang von 300 Millionen Dollar waren kürzlich geplatzt.

Wie Northvolt mitteilte, wird das Unternehmen nun – nachdem der sogenannte „Chapter-11-Antrag“ das Unternehmen vor Forderungen seiner Gläubiger schützt – seine Schulden „umstrukturieren“. Man werde „das Geschäft entsprechend den aktuellen Kundenbedürfnissen skalieren“, um damit „eine nachhaltige Grundlage für den weiteren Betrieb zu schaffen“.

Die Tochterfirma Northvolt Germany, die in Heide im Landkreis Dithmarschen derzeit eine „Gigafactory“ baut, sei „separat finanziert“ und von dem Insolvenzverfahren nicht betroffen, erklärte der Mutterkonzern. Für 4,5 Milliarden Euro soll dort eine Fabrik entstehen, die jährlich Batteriezellen mit einer Speicherkapazität von 60 Gigawattstunden fertigen soll. Der Start der Zellmontage ist nach derzeitigen Plänen für die zweite Jahreshälfte 2027 vorgesehen. Da das Projekt in Norddeutschland für den Konzern ein „Schlüsselelement der strategischen Positionierung“ ist, soll der Bau dort zumindest vorerst weiter gehen.

900 Millionen Euro vom Staat

3.000 Arbeitsplätze sollen in dem Werk entstehen. Gut 900 Millionen Euro bringen der Bund und das Land Schleswig-Holstein in Form von Fördermitteln und Garantien für den Standort auf. Bisher habe Northvolt noch keine Fördermittel abgerufen und werde das auch während der Umstrukturierung nicht tun, erklärte das Unternehmen. Der Prozess soll im ersten Quartal 2025 abgeschlossen werden.

Unter dem Dach des Gläubigerschutzes will sich das Unternehmen nun Zugang zu neuen Finanzierungsquellen sichern. Ein Kunde – laut Medienberichten soll es der Lkw-Hersteller Scania sein – werde weitere 100 Millionen US-Dollar als Darlehen bereitstellen, teilte der Konzern mit. Kreditgeber ermöglichten zudem den Zugang zu 145 Millionen US-Dollar, die bislang als Barsicherheiten hinterlegt waren. Das Unternehmen betonte, es werde weiterhin Ware an Kunden ausliefern und seinen Verpflichtungen „gegenüber wichtigen Lieferanten“ nachkommen. Auch die Löhne der Mitarbeiter werde man weiterhin bezahlen.

Der größte Anteilseigner des Konzerns ist mit 21 Prozent Volkswagen, gefolgt von der US-Investmentbank Goldman Sachs mit 19,2 Prozent. Eine kleine Beteiligung hält auch BMW.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Mir ist unverständlich, wie unser Wirtschaftsminister der Märchen-Wachstumsstorry von Northvolt Glauben und der Firma 900 Mill.Euro



    an Subventionen für das neue Werk in Heide versprechen konnte, obwohl diese schon im bestehenden kleinen schwedischen Werk



    in Schweden massive Produktions- und Qualitätsprobleme hatte.



    Wie soll das dann im Grossmaßstab funktionieren?



    Und Intel und die Milliarden Subventionen für einen technologisch und finanziellen angeschlagenen Konzern ist ein weiterer Beweis, wie



    fahrlässig und blauäugig, um nicht zu sagen „schwachsinnig“ mit



    astronomischen Summen von Steuergeldern umgegangen wird.

    • @behr Behr:

      Die Ansieddlungen von Nortthvolt und INtel kann man nicht in einen Topf werfen. Bei Intel bin ich bei IHnen, einem Konzern, der technologisch auf dem absteigenden Ast ist ein Werk zu finanzieren ist Unsinn. Wenn man aus durchaus nachvollziehbaren Gründen Halbleiterunternehmen in Deutschland/Europa ansiedeln will um unabhängiger von den asiatischen Fertigern zu werden dann sollte man sich Unternehmen aussuchen die technologische Vorreiter sind oder zumindest zukunftsrelevante Projekte in der Pipeline haben.



      Die Ansiedlung von Northvolt ist dagegen unter dem Gesichtspunkt der Diversifizierung der Lieferketten begrüßenswert, bei Batterien vollständig von China abhängig zu sein ist gleich aus mehreren Gründen keine gute Idee. Wenn es dann keinen europäischen Anbieter gibt der schon Weltspitze ist, dann muss man ihn eben aufbauen mit allen Rückschlägen die das mit sich bringt.