Signale der Hoffnung aus Berlin nach Teheran

Rund 80.000 Menschen bekunden ihre Solidarität mit der Protestbewegung im Iran. Von den westlichen Staaten fordern sie harte Konsequenzen gegen das repressive Regime

Solidaritäts­demo am Samstag in Berlin: gemeinsamer Protest gegen das Mullah-Regime im Iran Foto: M. Golejewski/AdoraPress

Aus Berlin Jonas Wahmkow

Wut, Trauer und vor allem die Hoffnung auf Freiheit: Bei der Solidaritätsdemonstration für den Iran am Samstag in Berlin sind die Emotionen deutlich zu spüren. Die Straßen rund um die Siegessäule sind so dicht gefüllt, dass ein Durchkommen kaum möglich ist. Es sind so viele, vor allem Mitglieder der iranischen Gemeinschaften, die dem Aufruf des Kollektivs „Women, Life, Freedom“ gefolgt sind, sodass die 80.000 Teilnehmer:innen, die die Polizei am Ende des Tages angibt, deutlich untertrieben wirken.

„Ich hoffe, dass die Welt jetzt das wahre Gesicht der iranischen Regierung erkennt“, sagt Sahar, die 2015 nach Deutschland gekommen ist. Wie die meisten der De­mons­tran­t:in­nen hier möchte sie ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen, aus Angst, das Regime könnte ihre Verwandten im Iran bedrohen. Dass so viele Menschen aus der Community geeint zusammenkommen, sei für sie ein sehr emotionaler Moment, sagt Sahar mit zitternder Stimme. Aber: Sie ist auch enttäuscht von der bisherigen Reaktion westlicher Staaten auf die Proteste im Iran. „Es muss deutlich mehr Konsequenzen gegen die Regierung geben“, fordert Sahar. „Die Politiker sind bisher nur auf ihre Profite bedacht.“ Neben einem sofortigen Ende der Verhandlungen über das Atomabkommen spricht sie sich für eine Ausweisung aller iranischen Botschafter aus.

Die De­mons­tran­t:in­nen kamen aus etlichen europäischen Städten nach Berlin, um ihre Solidarität mit den Protestierenden im Iran auszudrücken. Seit dem gewaltsamen Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Jijna Mahsa Amini Mitte September gehen im Iran Tausende auf die Straßen, um gegen den repressiven Kurs sowie das islamische Herrschaftssystem zu demonstrieren. Amini war von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie die Zwangsvorschriften für das Tragen eines Kopftuchs nicht eingehalten haben soll. Sie starb in Polizeigewahrsam.

Viele, die am Samstag nach Berlin gekommen sind, haben einen persönlichen Bezug zu den Ereignissen im Iran. Die Brutalität, mit der die iranische Regierung gegen die Protestierenden vorgeht, ist eine reale Gefahr für die Verwandten und Freunde, die im Heimatland für ihre Freiheit kämpfen. „Mein Bruder wurde vorgestern getötet“, berichtet Sara. Er sei erst 25 Jahre alt gewesen und habe vor Kurzem sein Ingenieursstudium beendet, als er von den Sicherheitskräften bei einer Demo erschossen wurde. Die 34-Jährige musste vor über drei Jahren aus ihrer Heimat fliehen, weil sie zum Christentum konvertiert ist. Grund genug für ein Todesurteil in dem Gottesstaat.

Die Demo startet mit einem Feuerwerk. Fast ununterbrochen skandieren die Teil­neh­me­r:in­nen „Azadi“, Persisch für Freiheit, „Nieder mit der Diktatur“ oder „Weg, weg, weg, Mullah muss weg“. Viele De­mons­tran­t:in­nen schwenken die alte Nationalflagge mit dem Löwen­emblem der gestürzten Königsdynastie, die nach der Islamischen Revolution 1979 abgeschafft wurde. Andere halten Porträts der ermordeten Kurdin Amini in die Höhe.

Auch die kurdische Community ist deutlich sichtbar vertreten. Tausende nicht nur iranische Kur­d:in­nen seien heute hier, sagt Ali Toprak, Vorsitzender der kurdischen Gemeinde Deutschland. „Der Widerstand in den kurdischen Gebieten ist am stärksten, aber auch die Repression gegen die Kurden ist am heftigsten“, erklärt er. „Jijna Amini wurde verhaftet, weil sie Kurdin war.“

Etliche Tei­le­neh­me­r:in­nen haben eine weite Anreise nach Berlin auf sich genommen. „Für uns, die außerhalb des Irans leben, ist es eine Verantwortung, hier zu sein“, sagt Navid, der eigentlich anders heißt, der taz. Der 21-Jährige arbeitet in einer Tech-Firma in den Niederlanden. 10 Stunden sei er allein für die Demo mit dem Bus angereist. Navid berichtet, wie innerhalb der Community Geld gesammelt wurde, um Busse zu chartern und Tickets zu finanzieren. Aufgerufen hatte auch der kanadisch-iranische Aktivist Hamed Esmaeilion. Unter Exil-Iraner:innen sind er und seine Gruppe „Iranians for Jus­tice and Human Rights“ weltweit bekannt. Auf der Abschlusskundgebung forderte er: „Welt, schaut auf die Revolution im Iran. Es ist die progressivste Revolution im nahen Osten!“

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