Großbritannien und die Bundestagswahl: Cameron drückt Merkel die Daumen
Für den Premier hängt einiges vom Ergebnis der Bundestagwahl ab. Bei den Briten hingegen stößt das Ereignis kaum auf Interesse.
DUBLIN taz | Für die Briten sind die deutschen Wahlen eine Formsache. Die einzige offene Frage sei, mit wem Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem 22. September regieren werde, meint der Guardian. Dennoch bezeichnet das Blatt die Wahlen als das „bei weitem größte politische Ereignis in Europa in diesem Jahr“.
Auf große Aufmerksamkeit stoßen sie bei der Inselbevölkerung dennoch nicht. „Briten mögen ihre Politik schillernd, lautstark und in Englisch“, schreibt der Economist. „Deshalb wecken die trockenen, biederen Wortwechsel, die in Berlin für eine politische Debatte gehalten werden, nur selten das Interesse diesseits der Nordsee.“
Das gilt nicht für die Politiker. Für den britischen Premier David Cameron hängt einiges von den deutschen Wahlen ab. Großbritanniens führende Politiker seien diesmal ungewöhnlich aufmerksam, stellt auch der Economist fest. Cameron drückt Merkel die Daumen. Zwar begann die Beziehung schlecht, als Cameron 2009 mit seinen Tories aus der Europäischen Volkspartei in Brüssel austrat. Doch in letzter Zeit hat sich so etwas wie eine Freundschaft entwickelt. Man lädt sich gegenseitig auf die Landsitze ein, Merkel spielt für Camerons Kinder die Tante.
Wichtiger für Cameron ist aber Merkels Verhalten zu seiner Ankündigung, 2017 ein Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft abzuhalten. Die Nachricht löste in Deutschland einen Aufschrei aus, doch die Kanzlerin blieb pragmatisch. Sie deutete an, dass sie ihm dabei helfen wolle, Brüssel ein paar symbolische Zugeständnisse abzuringen, damit Cameron sich daheim als Sieger präsentieren und die Briten zum Verbleib in der EU bewegen kann.
„Cameron hat bei seinen Geschäften mit Europas mächtigster Politikerin mehr Glück gehabt, als er verdient“, meint der Guardian. „Wäre sie weniger pragmatisch und nachsichtig, würde sie nicht so einfach über die Serienverstöße des Premiers gegen eine gute konservative Europapolitik hinwegsehen.“
Kritik von Steinbrück an Cameron
Von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück könnte Cameron das nicht erwarten. Der warf ihm vor, eine „EU-Mitgliedschaft à la carte“ anzustreben. Und er beschuldigte Merkel, eine „unheilige Allianz“ mit einem Land einzugehen, das keine Lust auf die EU habe.
Solche Worte lösen in Großbritannien höchstens Widerspenstigkeit aus und helfen den EU-Gegnern. Selbst die Labour Party distanziert sich davon. Labour-Chef Ed Miliband musste dem EU-Referendum sein Plazet geben, denn mit einer bedingungslos proeuropäischen Haltung sind in Großbritannien keine Wahlen zu gewinnen.
Das hat zu einer paradoxen britischen Außenpolitik geführt. Aufgrund der langanhaltenden britischen Rezession war London gezwungen, einer größeren Integration im Banken- und Fiskalbereich zuzustimmen. Das verstärkt jedoch die Vormachtstellung von Brüssel und Berlin. „Dabei haben die Briten hegemoniale Bestrebungen seit Jahrhunderten zu verhindern versucht“, schreibt der Economist. Aber die Alternative sei noch schlimmer: ein Zusammenbruch der Eurozone, Großbritanniens wichtigster Markt.
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