Großbritannien und Niederlande: AKW-Neubau mit deutscher Hilfe
Die Atomfirma Urenco, an der RWE und Eon beteiligt sind, plant Reaktoren in Großbritannien und den Niederlanden. Die Bundesregierung bleibt untätig.
Wenn es nach ihren öffentlichen Äußerungen geht, ist das Thema Atomkraft für die deutschen Energiekonzerne RWE und Eon erledigt. Von einem „Auslaufmodell“ ist bei RWE die Rede, Eon erklärt die Kernenergie auf der eigenen Website zur Technologie des vergangenen Jahrhunderts.
Tatsächlich sind die beiden deutschen Energieriesen aber am Neubau von Atomkraftwerken beteiligt – zumindest indirekt. Denn ihnen gehört jeweils ein Sechstel des Unternehmens Urenco, das vor allem in der Urananreicherung tätig ist und dazu unter anderem eine Fabrik im westfälischen Gronau betreibt.
Und Urenco drängt auf neue Atomkraftwerke: zum einen in Großbritannien, wo das Unternehmen kürzlich einem Konsortium beigetreten ist, das sich für den Bau des Atomreaktors Sizewell C einsetzt. Bei dem Projekt gehe es um „die Zukunft unserer Industrie“, erklärte Urenco-Geschäftsführer Laurent Odeh. Zudem hat das Unternehmen in den Niederlanden den Bau eines neuen, kleinen Reaktortyps angekündigt.
Heikel sind diese Pläne auch für die Bundesregierung, die bei der Urenco aufgrund eines zwischenstaatlichen Vertrags ein Mitspracherecht hat, so weit die Sicherheit und die Nichtverbreitung von Atommaterial betroffen sind. Innerhalb der Regierung gibt es schon länger Streit um die Zukunft der Urenco.
Sylvia Kotting-Uhl Grüne
Das SPD-geführte Umweltministerium hatte schon 2018 einen Vorstoß für eine gesetzliche Stilllegung der Urenco-Fabrik in Gronau unternommen, war damit aber an der Union gescheitert. Auch die neuen Aktivitäten des Unternehmens sorgen im Umweltministerium nach taz-Informationen für Befremden.
Zuständig für die Urenco-Kontrolle ist innerhalb der Bundesregierung aber das CDU-geführte Wirtschaftsministerium. Das teilte im Bundestag auf Grünen-Anfrage kürzlich mit, dass die neuen Urenco-Pläne im zwischenstaatlichen Ausschuss bisher kein Thema waren. Staatssekretär Marco Wanderwitz (CDU) kündigte zwar an, eine Information dazu zu beantragen.
Darüber hinaus sieht das Ministerium aber offenbar keinen Handlungsbedarf. „Geschäftliche Entscheidungen werden ausschließlich durch die Anteilseigner getroffen“, teilte eine Ministeriumssprecherin auf taz-Anfrage mit. Und: „Ich bitte Sie, sich hierzu an die Unternehmen zu wenden, die Anteile halten und in die geschäftlichen Entscheidungen eingebunden sind.“
Doch auch RWE und Eon weisen die Verantwortung von sich. „Urenco ist für uns eine reine Finanzbeteiligung, und wir sind nicht in das operative Geschäft involviert“, teilt RWE-Sprecher Lothar Lambertz mit. Eon-Sprecher Alexander Ihl erklärt, Eon wolle seinen 16,6-Prozent-Anteil an Urenco schon länger verkaufen. Und: „Das operative Geschäft obliegt der Urenco.“
Umwelt-Staatssekretär übt Kritik
Kein Verständnis für diese Haltung hat Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth. „Wir haben in Deutschland einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens für Atomausstieg und Energiewende“, sagte er der taz. „Auch RWE und Eon sollten sich mit allen Konzernsparten daran orientieren.“
Kritik kommt auch von der Vorsitzenden des Bundestags-Umweltausschusses, Sylvia Kotting-Uhl (Grüne). Und zwar nicht nur Richtung RWE und Eon, denen sie einen „klammheimlichen Wiedereinstieg in den Neubau von Atomreaktoren an Deutschlands Grenzen“ vorwirft. Sondern auch an der Bundesregierung. Diese dürfe „nicht weiter tatenlos zuschauen, sondern muss ihre Aufsichtspflicht über die Machenschaften Urencos wahrnehmen“, forderte Kotting-Uhl.
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