Griechischer Ex-Bundesligaprofi Amanatidis: „Irgendwann verzweifeln alle an uns“
Ex-Bundesligaspieler Ioanis Amanatidis über die Alternativlosigkeit der griechischen Defensivtaktik und die Chancen im EM-Viertelfinale gegen Deutschland.
taz: Herr Amanatidis, verspüren Sie als gebürtiger Grieche, der seine gesamte Karriere in Deutschland verbracht hat, Loyalitätskonflikte, wenn beide Länder aufeinandertreffen?
Ioanis Amanatidis: Nein, in dem Fall muss ich parteiisch sein und zu meinen Landsleuten halten.
Sehen sie sich als Vermittler?
Das ist nicht nötig. Die negative Stimmung wird doch nur durch die Boulevardmedien und die Ahnungslosen in der Politik hochgekocht. Was soll ich mich mit Leuten beschäftigen, deren Hobby es ist, die anderen zu ärgern? Der Fußball soll nicht dafür missbraucht werden, Politik zu betreiben.
Spüren Sie in Griechenland eine EM-Stimmung oder hat man dafür gerade keinen Sinn?
Das Überstehen der Vorrunde ist Balsam für unsere Seele. In der Vergangenheit waren ausschließlich Negativschlagzeilen über Griechenland zu lesen, und jetzt gibt es mal wieder einen Grund, stolz zu sein und gemeinsam zu feiern.
31, geboren in Griechenland, aufgewachsen in Schwaben, spielte für Stuttgart, Frankfurt und Kaiserslautern 198-mal in der Bundesliga. Dabei erzielte der Stürmer 42 Treffer. Für Griechenland absolvierte er 32 Spiele (3 Tore), ehe er 2010 seinen Rücktritt aus dem Team erklärte. Seit einem Jahr hat Amanatidis ein eigenes Modelabel: „IAM-Exposure“.
Wird die Verärgerung über die deutsche Politik die griechischen Spieler zusätzlich motivieren?
Die Spieler interessiert das nicht. Das ist für die so weit weg, völlig uninteressant.
Wie kann die Mannschaft gegen Deutschland bestehen?
So wie sie es auch in allen anderen Spielen versuchen. Die Mannschaft muss sich voll auf die Defensive konzentrieren und darauf hoffen, dass sich vorne die eine oder andere Chance bietet.
Und das kann reichen?
Deutschland ist natürlich der hohe Favorit, aber wenn es uns gelingt, die erste Halbzeit ohne Gegentor zu überstehen, könnten sie auch nervös werden. Irgendwann verzweifeln alle an uns. Dann machen sie Fehler, wie Polens Torhüter Szczesny im ersten Spiel oder die russische Abwehr im letzten.
Braucht es Fehler der Deutschen oder könnte es auch Theofanis Gekas mit seinen Konterqualitäten richten?
Theofanis lauert immer an der Abseitsfalle. Sollte ein Ball kommen, hat der Stürmer, der in der Vorwärtsbewegung ist, immer Vorteile gegenüber den Abwehrspielern. Er hat es in der Bundesliga oft gezeigt.
Was kann die Mannschaft falsch machen?
Wenn man ihnen offen begegnet und mitspielen will, wird es für die Deutschen leicht. Wenn sie unsere Abwehr früh knacken, kann es eine Klatsche geben.
Wie kann das Fehlen des Kapitäns Georgios Karagounis kompensiert werden?
Ich sehe das entspannt. Seine Sperre ist die Möglichkeit für einen jungen Spieler, sich zu beweisen. Grigoris Makos von AEK Athen wäre ein guter Kandidat.
Mit der Konzentration auf die Defensive setzt Trainer Fernando Santos die Maxime von Otto Rehhagel fort. Sehen Sie auch Unterschiede?
Nein, es gibt keine Unterschiede. Die Taktik wird durch die Qualität der Mannschaft bestimmt. Jeder Trainer muss sich danach richten. Die Spielanlage und individuelle Klasse reicht nicht aus für eine andere Spielweise. Es ist auch völlig egal, in welcher taktischen Formation der Trainer spielen lässt, es läuft immer darauf hinaus, dass wir uns aufs Verteidigen konzentrieren. Denn das können wir.
Schön ist das aber nicht.
Nein, Griechenland kann keinen schönen Fußball spielen. Dafür spielen wir effizient. Russland hat es gegen uns andersherum gemacht. Ihre Schönspielerei hat ihnen gar nichts genutzt.
Sie haben inzwischen ein eigenen Modelabel. Was ist Ihnen in modischer Hinsicht bei der EM aufgefallen?
Ich schaue beim Fußball nicht auf die Trikots. Aber beim kroatischen Trainer Slaven Bilic, der zu seinem Anzug eine Wollmütze trug, ist mir noch etwas aufgefallen: Er hat immer eine Krawatte um, die er sich aber nicht zubindet. Das verstehe ich nicht. Entweder macht man es richtig oder man lässt es.
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