Griechische Tourismusministerin: Nicht auf dem Teppich geblieben
Zwei Perserteppiche liegen im Büro von Olga Kefalogianni. Das Problem für viele: Offenbar wurden sie komplett auf Staatskosten finanziert.
Kefalogianni kaufte die Teppiche bei einer landesweit bekannten Händlerin per Direktvergabe – vollständig auf Staatskosten. Kostenpunkt: 17.980 Euro, inklusive Mehrwertsteuer. Die Angelegenheit hat sich zu einem Politikum entwickelt. Kein Wunder, verdient ein griechischer Vollzeitbeschäftigter im Schnitt netto so viel, wie die beiden Teppiche kosten – in einem Jahr.
Kefalogianni ist nicht so arm wie eine Kirchenmaus. Im Gegenteil: Laut ihrer Vermögensauskunft verfügte sie 2021 mit ihrem Ehemann über Spar- und Termineinlagen von knapp 2,5 Millionen Euro und besitzt 49 Immobilien. Ihr Werdegang ist typisch für die Führungsriege der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND). Nach dem Abschluss einer Athener Eliteschule studierte sie Jura in Athen und absolvierte ihren Master am King’s College in London. Später war sie in mehreren Anwaltskanzleien in New York und Athen tätig sowie für kurze Zeit für die Europäische Kommission im Sektor Justiz, Freiheit und Sicherheit.
Wie Premier Kyriakos Mitsotakis stammt sie aus einer alten Politdynastie. Sie ist die Tochter des Ex-ND-Ministers Jannis Kefalogiannis und Nichte des Reeders und Ölmagnaten Vardis Vardinogiannis. Seit 2007 sitzt sie im Athener Parlament. Von 2012 bis 2015 war sie erstmals Tourismusministerin, seit der Wiederwahl der ND im Juni 2023 ist sie es wieder.
Griechenlands Vetternstaat
Das Vorgehen, wonach der griechische Staat Aufträge direkt statt über offene Ausschreibungen erteilt, ist in der Ära Mitsotakis zur Seuche geworden. Belief sich ihr Volumen 2019 auf nur 55 Millionen Euro, lag es 2023 mit 861 Millionen Euro glatt 15 Mal höher. Dies betraf 73 Prozent aller Staatsaufträge, acht Prozentpunkte mehr als im Vorjahr – ein neuer Rekord. Und es geht munter weiter.
Mangel an Transparenz, Wettbewerbsverzerrungen, Verschwendung öffentlicher Gelder: Der Direktvergabe-Boom unter Mitsotakis hat die EU auf den Plan gerufen. Bereits im April wurde bekannt, dass die Europäische Staatsanwaltschaft die dubiose Vergabe von 600 Technologieprojekten im Wert von 2,5 Milliarden Euro an zehn Firmen in Griechenland untersucht. Die Gelder stammen aus EU-Töpfen. Von 2021 bis 2027 fließen EU-Mittel im Gesamtvolumen von 57,35 Milliarden Euro nach Athen. Kein Land erhält gemessen an seiner Wirtschaftsleistung so viel EU-Gelder wie Hellas. Unstrittig ist: Direktvergaben öffnen der Korruption Tür und Tor.
Immerhin kann sich Kefalogianni darüber freuen, dass Gesundheitsminister Adonis Georgiadis ihr in Sachen Perserteppiche sofort beistand. „Doch, die Tourismusministerin muss ein schönes Büro haben! Ihre Aufgabe ist es, unsere Kunden aus dem Ausland zu empfangen und Touristen ins Land zu holen. Das kann sie nicht in einem Saustall tun.“ Für Saustall benutzte er den im Griechischen besonders abschätzigen türkischen Begriff „achuri“. Das Wort stammt ursprünglich aus dem Persischen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl