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Griechenland und PortugalVolkswirtschaften am Abgrund

Die Bank von Portugal sieht schwarz, Ratingagenturen werteten das Land ab. Griechenland braucht allein bis Mai 23 Milliarden Euro, um auslaufende Anleihen zu bedienen.

Vila Nova de Milfontes, Odemira, Portugal. Bild: Sergio TudelaCC-BY

Portugals Wirtschaft kommt nicht in Schwung. Der gestern veröffentlichte Frühjahrsbericht der Zentralbank in Lissabon korrigiert die zum Jahresbeginn abgegebenen Prognosen nach unten. 2010 wird das Wachstum nur 0,4 Prozent betragen, nicht wie im Januar vorhergesagt 0,7 Prozent. 2011 werden es nur 0,8 Prozent statt bisher angenommener 1,4 Prozent sein. Verantwortlich dafür ist ein stärkerer Rückgang der öffentlichen Investitionen und Ausgaben. Dies ist eine Folge des Programmes der Regierung zur Sanierung des Staatshaushalts.

Portugal ist neben Griechenland, Italien und Spanien eines der Sorgenkinder der Europäischen Union. Das Haushaltsdefizit liegt derzeit bei 9,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die Staatsverschuldung dürfte in diesem Jahr von 76,6 Prozent des BIP auf über 85 Prozent steigen. Jeder zehnte Portugiese ist arbeitslos.

Erst vergangene Woche hatte die amerikanische Rating-Agentur Fitch das Land auf der Iberischen Halbinsel von AA auf AA- heruntergestuft. "Die Aussichten auf eine wirtschaftliche Erholung sind schlechter als in der restlichen Eurozone", hieß es zur Begründung. Dies werde den Staatshaushalt mittelfristig unter Druck setzen. Die Konkurrenz von Standard & Poor behielt die AA-Bewertung bei. Portugal sei durchaus in der Lage, sich aus der Krise herauszuwirtschaften. "Die von Lissabon vorgelegten Sanierungspläne werden voraussichtlich positive Effekte haben", begründete S&P seine Entscheidung. Portugals Staatsanleihen liegen 139 Punkte über denen Deutschlands.

Der portugiesische Ministerpräsident José Sócrates hatte nur einen Tag vor dieser Bewertung einen Sparplan durchs Parlament gebracht. Das Ziel ist es, das Haushaltsdefizit bis 2013 von derzeit 9,3 Prozent auf 2,8 Prozent zu senken. Der Plan des Sozialisten Sócrates sieht dazu kräftige Einschnitte vor. Die Gehälter von Beamten und öffentlichen Angestellten werden 2010 eingefroren. Ab nächstem Jahr sollen sie dann weniger als die Inflationsrate wachsen. Die Personalkosten sollen von bisher 11 Prozent des BIP auf 10 Prozent gesenkt werden.

Dies entspricht einer jährlichen Einsparung von 100 Millionen Euro. Außerdem sollen Sozialausgaben gekürzt und die Steuern für Besserverdienende angehoben werden. Ein umfangreiches Privatisierungsprogramm sieht den Verkauf von Staatsbetrieben vor. Dies wird nach Angaben der Regierung 6 Milliarden Euro einbringen. Der Bau der Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke ins benachbarte Spanien wird um zwei Jahre verschoben.

Unterdessen hat sich Griechenland bei der Aufstockung einer 20-jährigen Anleihe weitere 390 Millionen Euro am Kapitalmarkt geliehen. Wie die Schuldenagentur des Landes am Dienstag mitteilte, verkaufte das Land Papiere mit einer Laufzeit bis Oktober 2022 und einem Kupon von 5,9 Prozent. Ursprünglich wollte die Behörde dabei bis zu 1 Milliarde Euro einnehmen.

Das hochverschuldete Land hatte schon am Montag mit einer Anleihe 5 Milliarden Euro eingesammelt und sich damit wenige Tage nach der Einigung der Euroländer auf einen Notfallplan auf dem Kapitalmarkt zurückgemeldet. Allerdings hatte sich die Kauflaune in Grenzen gehalten: Die Nachfrage war deutlich geringer als bei der jüngsten Emission einer zehnjährigen Anleihe vor wenigen Wochen. Griechenland braucht dringend frisches Geld, um eine Staatspleite abzuwenden. Allein bis Ende Mai braucht die Regierung 23 Milliarden Euro, um auslaufende Anleihen bedienen zu können.

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5 Kommentare

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  • DL
    Dr. Ludwig Paul Häußner

    Euro erfordert MwSt-Harmonisierung

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    Ist es nicht eigenartig, dass wir seit Anfang der 1990er Jahre einen gemeinsamen Markt haben und seit knapp 10 Jahren den Euro als gemeinsame Währung und weiterhin unterschiedlich hohe MwSt-Sätze?

     

    In einem gemeinsamen Währungsraum sind Ab- und Aufwertungen nicht mehr möglich. Ansonsten hätten Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien ihre Währungen schon längst gegenüber Deutschland abwerten müssen. Hier rächt sich die Politik der deutschen Handelsbilanzüberschüsse.

     

    Ausgabenkürzungen werden weder in den Südeuropäischen EU-Staaten ausreichen, um die öffentlichen Haushalte zu sanieren, noch in Deutschland und Frankreich.

     

    Der Euro-Raum braucht eine einheitliche, höhere MwSt. Die EU lässt derzeit einen Höchstsatz von 25% zu. Griechenland, Portugal; Irland, Spanien und auch Italien müssen die MwSt möglichst in einem Schritt oder zumindest in mehreren kürzeren Schritten auf 25% erhöhen. Auch Frankreich und Deutschland dürften über kurz oder lang nicht an einer höhere MwSt umhin kommen. Ungarn hat es zum 01. 07. 2009 mit einer MwSt-Erhöhung von 20% auf 25% getan!

     

    Tiefer liegender Grund ist der Wandel hin zur nachindustriellen Gesellschaft. In nachindustriellen Gesellschaften sind mehr und mehr Güter einfach nicht marktgängig - wie Bildung und Gesundheit. Zur Finanzierung dieser beiden Bereiche braucht es eine Grundfinanzierung aus allgemeinen Steuermitteln. Welche Steuer ist dafür geeigneter als die MwSt? Keine andere Steuerart hat eine solch breite Bemessungsgrundlage wie die MwSt - keiner kann sich ihr entziehen.

     

    Eine höhere MwSt schließt die Kluft aus privatem Reichtum und leerer öffentlicher Kassen. Die MwSt steht für mehr Fairness innerhalb der Gesellschaft. Sie ermöglicht individuelle wie unternehmerische Initiative und gewährleistet die Grundfinanzierung öffentlicher Güter.

     

    Die MwSt ist demokratisch in der Erhebung (keiner kann sich ihr entziehen) und vor allem sozial in ihrer Wirkung. Wer viel Einkommen hat, zahlt beim Ausgeben absolut viel MwSt, wer weniger Einkommen hat zahlt absolut weniger.

     

    Deshalb sollte die MwSt erhöht werden - zuerst in den PIIGS-Staaten und danach in Frankreich und Deutschland.

  • E
    Ein Ökonom

    Der Artikel sollte exakter formuliert sein:

    "Portugals Staatsanleihen liegen 139 Punkte über denen Deutschlands."

     

    Richtig sollte es heißen: Die VERZINSUNG der Staatsanleihen Portugals liegt 139 BASISPUNKTE über der Verzinsung deutscher Anleihen.

     

    Betrachtet man nämlich die AnleihenKURSE, dann liegen die portugiesischen UNTER den deutschen (=HÖHERE Verzinsung).

  • S
    spreissel

    Und das hier auf TAZ.de in einem Artikel einfach unkommentiert hingenommen wird, dass ein paar amerikanische Banker in einem lustigen Büro zusammen sitzen und mit einem Schulnotensystem ganze Staaten bewerten...

    Von wem werden die 5 Leute denn bezahlt die der Welt erklären, dass man einem Staat nun für so und so viel % Geld zu leihen hat.

    Alles sehr seltsam, hauptsache Panik damit man schöner regieren kann und die TAZ ist dabei ;)

  • S
    spreissel

    Wenn ein paar Banken von unserem Staat 500 Milliarden bekommen kann, wen bitte sollen Beträge unter einer Billion entsetzen wenn es um eine ganzes europäisches Land geht?

  • A
    Amos

    Was soll man dazu sagen?: "Es gehört nicht zusammen,was

    nicht zusammen gehört." "Jedes Land in der EU spricht seine eigene Sprache". Weil Deutschland vom Export abhängt, bekam Kohl nicht schnell genug die EU als Werk. Ist dass jetzt für Deutschland lukrativer?

    Jetzt werden wieder einige "Philosophen" verlautbaren, dass, wenn man aus dem Rathaus kommt, man immer schlauer ist. Wenn aber die Politik nicht selbst das Rathaus ist, sollte man doch besser eine Volksbefragung zulassen. Dann hätte das Volk entschieden, dass man nicht mal 3-Mann unter einen Hut

    bringen kann und unmöglich ist 27-Länder unter einen

    Hut zu bringen. Das Volk war wieder mal schlauer, als das Rathaus.