Grenzen für sachgrundlose Befristungen: Kettenbefristungen nur als Ausnahme
Arbeitsverträge dürfen nur noch einmal sachgrundlos befristet werden. Das Bundesverfassungsgericht kippt die lockerere Regel des Bundesarbeitsgerichts.
Per Gesetz von 2001 erlaubte der Bundestag nur eine einzige sachgrundlose Befristung zwischen einem Arbeitgeber und einem Beschäftigten. Der befristete Vertrag soll für Arbeitslose eine „Brücke in den Arbeitsmarkt“ sein und nicht zu Kettenbefristungen führen.
Die Regelung findet sich in Paragraf 14 Absatz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Mehrfache Befristungen sind laut Gesetz nur zulässig, wenn es für die Befristung einen sachlichen Grund gibt (zum Beispiel Krankheitsvertretungen oder wenn Haushaltsmittel nur befristet zur Verfügung stehen).
Das BAG fand die Beschränkung der sachgrundlosen Befristung zu streng. Es widerspreche den Interessen von Arbeitslosen, wenn diese nur deshalb nicht befristet eingestellt werden dürfen, weil sie vor Jahren beim gleichen Arbeitgeber schon mal einen befristeten Vertrag hatten. Das BAG legte das Gesetz deshalb so aus, dass eine frühere Befristung nicht zählt, wenn sie mindestens drei Jahre zurückliegt.
Keine eigenen Richter-Regeln
Das Urteil sorgte für großes Erstaunen und teilweise Empörung. Aufgrund einer Vorlage des Arbeitsgerichts Braunschweig und der Klage eines Bosch-Arbeiters befasste sich nun das Bundesverfassungsgericht mit dem Fall. Ergebnis: Das BAG durfte die Regeln des Gesetzgebers nicht durch eigene Richter-Regeln ersetzen.
Nur in besonderen Einzelfällen könne das Gesetz verfassungskonform ausgelegt werden, so die Karlsruher Richter, etwa wenn die befristete Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. (Az.: 1 BvL 7/14 u. a.)
Klaus Bertelsmann, der Anwalt des Bosch-Arbeiters, freute sich über das Urteil und kritisierte zugleich das Bundesverfassungsgericht, dass es mehr als vier Jahre für die Entscheidung benötigte.
Die Konsequenzen
Das Urteil könnte auch Auswirkungen auf aktuelle Verträge haben. Wer derzeit einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag hat, der nur wegen der Dreijahresregel möglich war, hat nun möglicherweise Anspruch auf einen unbefristeten Vertrag. Mit solchen Fragen muss sich aber zunächst wieder das BAG beschäftigen.
Auch der Bundestag muss sich demnächst mit der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen befassen. SPD und Union wollen sie laut Koalitionsvertrag auf 2,5 Prozent der Belegschaft begrenzen. Zudem soll die maximale Dauer solcher Verträge von 2 Jahren auf 18 Monate verkürzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei