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Grenze zwischen Serbien und UngarnBolzenschneider am Zaun

Ungarn handelt entsprechend seinen neuen Gesetzen. Seit Dienstagmorgen wird verhaftet, wer die Grenze von Serbien aus überwindet.

Der Blick nach Serbien zeigt jene, die noch über die Grenze wollen. Foto: Ralf Leonhard

Röszke taz | Ungarns Grenze zu Serbien ist jetzt dicht. In Röszke, wo bis Montag ein Grenzübertritt über die Gleise möglich war, steht jetzt ein ausrangierter Güterwaggon, der das Loch verrammelt. Der Grenzzaun links und rechts wurde im Eiltempo fertiggestellt.

Arbeiter und Polizisten sind Dienstag früh noch damit beschäftigt, die letzten Stacheldrahtstücke zu verlegen. Internationale Networks und das ungarische Fernsehen sind vor Ort. Fotografen fotografieren sich gegenseitig.

Die Armee hat ein 800 Mann starkes Grenzjägerbataillon von Pécs an die Grenze verlegt. Olivgrüne Jeeps fahren den Zaun ab. Selbst Reservisten wurden eingezogen. Noch bevor um Mitternacht die neuen Fremdengesetze in Kraft traten, die den illegalen Grenzübertritt strafrechtlich ahnden, war diese letzte Lücke im Zaun verbarrikadiert worden.

Polizisten bauten sich am Grenzstein auf und wiesen alle Ankömmlinge zum etwa einen Kilometer westlich gelegenen offiziellen Grenzübergang Röszke/Horgos, wo Fußgänger und einspurige Fahrzeuge queren dürfen. Sie wurden bis Mitternacht nach Ungarn gelassen und gleich per Bus zum Bahnhof gebracht. Dort fuhren den ganzen Tag Sonderzüge nach Hegyeshalom an der österreichischen Grenze. In der Nacht erschien dann Regierungssprecher Zoltán Kovács und erklärte der versammelten Presse, jetzt gälten die neuen Regeln. Niemand werde mehr ins Land gelassen. Grenzübertritt sei ein Delikt.

Krisenfall

Die ungarische Regierung hat den sogenannten Masseneinwanderungs-Krisenfall für die beiden südlichen Bezirke Bacs-Kiskun und Csongrad ausgerufen. Dies erklärte Regierungssprecher Zoltan Kovacs am Dienstag auf einer Pressekonferenz.

Der Krisenfall wird durch ein neues Gesetz gegen Flüchtlinge geregelt, das am Dienstag in Kraft trat. Eine Ausrufung ermächtigt die Behörden etwa zu beschleunigten, faktisch rein formalen Asylverfahren.

Die Bezirke Bacs-Kiskun und Csongrad grenzen an Serbien. Der 175 Kilometer lange Zaun zur Abwehr von Flüchtlingen verläuft an der Grenze beider Bezirke zu Serbien.

Umgehend in Haft genommen

Auf der serbischen Seite sammelten sich derweil Gruppen von Flüchtlingen, die zu spät kamen oder den Ernst der neuen Lage unterschätzt hatten. Einige schnitten mit einem Bolzenschneider ein Loch in den Zaun und wurden umgehend arretiert. Das Gesetz sieht vor, dass jene, die den Zaun beschädigen, drei bis fünf Jahre eingesperrt werden können.

Dienstag früh war die Menge dann so groß geworden, dass sich Unruhe breit machte. Geschätzte 1.500 Flüchtlinge standen vor dem Grenzgebäude. Die serbischen Behörden lassen die Leute passieren aber auf der ungarischen Seite geht nichts mehr. Doch niemand will zurück nach Serbien.

In den österreichischen Auffangzentren entlang der Grenze sind indessen die Kapazitäten überschritten. Bei Nickelsdorf war zwischenzeitlich die Autobahn gesperrt, weil sich ungeduldige Flüchtlinge zu Fuß über die Ostautobahn auf den Weg ins 60 Kilometer entfernte Wien gemacht haben. Das Rote Kreuz, das dort im Dauereinsatz steht, meldet entkräftete Menschen und einige kranke Kinder. Medizinische Notfälle seien aber keine aufgetreten.

In Heiligenkreuz, einem weiteren Grenzort im Burgenland, hat das Bundesheer 28 Zelte aufgestellt und 250 Schlafplätze geschaffen. Montag wurden von dort 517 vorwiegend junge Männer nach Villach in Kärnten gebracht, wo im Eiltempo Notunterkünfte geschaffen werden mussten.

Die Österreichische Regierung hat derzeit keine einheitliche Position. Während Kanzler Werner Faymann (SPÖ) nur von stichprobenartigen Kontrollen spricht, wünscht sich Koalitionspartner ÖVP lückenlose Kontrollen. Fraktionschef Reinhold Lopatka: „Unsere Abgeordneten wünschen sich das“.

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3 Kommentare

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  • Der ungarische Präsident hat kürzlich eine schlimme Äußerung in Bezug auf Flüchtlinge von sich gegeben, was er mit Ihnen machen würde, wenn Sie nicht dorthin zurückgehen, woher sie gekommen sind...

     

    Dabei hat Ungarn die EU Verträge beim EU Beitritt unterschrieben. Die Misachtung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union kann zum Ausschluss Ungarns aus der EU führen.

    http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf

     

    In der Charta steht geschrieben:

     

    Recht auf Leben

     

    (1) Jede Person (auch ein Flüchtling) hat das Recht auf Leben.

     

    (2) Niemand (auch ein Flüchtling) darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.

     

    Recht auf Unversehrtheit

     

    (1) Jede Person (auch ein Flüchtling) hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit.

  • Es wäre höchste Zeit, das UNHCR mit ausreichenden Mitteln für die Flüchtlingscamps in den Nachbarstaaten Syriens auszustatten, damit die Lage der Flüchtlinge dort geutlich verbessert wird und sie sich gar nicht erst auf den Weg machen (müssen).

    Und wenn die Flüchtlinge dort eine menschenwürdige Unterbringung vorfinden, wäre die nächste Frage, ob die Staaten dann nicht auch den Status sicherer Drittstaaten bekommen könnten. Davon würden auch die Flüchtlinge profitieren, die sich die Reise nach Europa nicht leisten können (es war von 3000 Euro die Rede).

    Mich wundert, dass diese nahe liegende Lösung gar nicht erst diskutiert wird...

  • Mal sehen, wie lange es dauert, bis die Flüchtlinge merken, dass die Serbisch-Kroatische Grenze völlig un-überwachbar ist. Ebenso wie die Kroatisch-Ungarische, ein paar Kilometer die Donau hoch...