piwik no script img

Gregor Gysi über Air-Berlin-Insolvenz„Ein beachtlicher Skandal“

Die Bundesregierung hätte ein „Staatsmonopol“ zugelassen und nicht an die Betroffenen gedacht, sagt der Linken-Politiker.

Gregor Gysi wirft der Bundesregierung vor, mit der Lufthansa gekungelt zu haben Foto: reuters

BERLIN taz | Um 18 Uhr geht Siegfrid Gummers jetzt immer zum Sport, er hat nun viel Zeit. Der ehemalige Pilot von Air Berlin hat in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November eine E-Mail seines Arbeitgebers erhalten, in der er widerruflich freigestellt wird. Das bedeutet: Im Augenblick benötigt man seine Dienste nicht, aber für den Fall, dass sich daran noch mal etwas ändert, kündigt man ihm nicht. Bei Air Berlin wird sich nichts mehr ändern – die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft absolvierte am 27. Oktober ihren letzten Flug, am 1. November wurde das Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Charlottenburg eröffnet. Air Berlin ist Geschichte.

Dennoch wurde den Air-BerlinerInnen bislang nicht gekündigt, weshalb diese noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Gummers ist trotzdem zum Arbeitsamt gegangen und hat das sogenannte Direktionsrecht von Air Berlin auf die Behörde verlagert. Nun erhält er wenigstens Arbeitslosengeld I, doch „nach wie vor existiert eine riesengroße Unsicherheit, wann, wo und wie es mit uns weitergeht“.

Für Gregor Gysi, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei und Chef der Europäischen Linken, ist die ganze Geschichte um Air Berlin ein „beachtlicher Skandal“. Am Mittwoch spricht er auf einer Demo der Beschäftigten, die ab 14 Uhr vom Washingtonplatz bis vor das Kanzleramt zieht.

„Die Bundesregierung hatte die Möglichkeit, die Übernahme der Air-Berlin-Flotte durch die Lufthansa an Bedingungen zu knüpfen“, sagte Gysi der taz. „Und eine hätte sein müssen, das Ganze als vollständige Betriebsübernahme abzuwickeln, bei der alle Beschäftigten übernommen werden.“

Offiziell ist Thomas Winkelmann gekommen, um Air Berlin zu sanieren

Die Air-Berlin-Beschäftigten müssen sich auf die Stellen bei der Lufthansa-Tochter Eurowings neu bewerben. Längst nicht alle werden dort oder bei Easyjet unterkommen, schon gar nicht die Älteren. Die Arbeitsagentur rechnet mit 4.000 Arbeitslosen. „Das ist eine Unverschämtheit“, so Gysi. „Die Bundesregierung hat faktisch ein Staatsmonopol zugelassen, ohne an die Betroffenen zu denken.“

Für ihn bestehe der dringende Verdacht, dass der Ex-Lufthansa-Manager Thomas Winkelmann nur deshalb Anfang des Jahres zu den Berlinern wechselte, um die Übernahme durch die Lufthansa vorzubereiten und Air Berlin so schnell wie möglich in die Pleite zu führen. Das vermutet auch Pilot Siegfried Gummers. „Uns wurde gesagt, er kommt, um Air Berlin zu sanieren, aber er hat uns nur schneller filetiert.“ Darauf deuteten die desaströsen Management-Entscheidungen hin. Dann muss Gummers schnell los. Zum Sport.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Das sieht tatsächlich nach einem abgekartetem Spiel aus. Eine Betriebsübernahme hätte bedeutet, dass alle vertraglichen Verpflichtungen übernommen werden. Das sind dann nicht nur die Beschäftigten sondern auch Kunden und Lieferanten. So aber wurden die Verpflichtungen über die Insolvenz abgewältzt. Die Bundesregierung hat einen großen Kredit gewährt, um die Flugrechte für die Lufthansa zu sichern. Gleichzeitig wurde flankierend eingegriffen, damit sich andere an dem so aufbereiteten Kuchen nicht zu sehr bedienen. Mitbieter haben sich darüber auch schon öffentlich beklagt.

    Insgesamt sieht dies also nach einem hochkorrupten Deal aus, der übrigens auch in vielerlei Hinsicht strafbar ist. Verfolgt wird so etwas in Deutschland allerdings grundsätzlich nicht. Die Staatsanwaltschaften sind weisungsgebunden und ermitteln bei regierungsnaher Kriminalität nicht. Diese Strafvereitelung ist zwar auch strafbar, aber auch da gibt es niemand, der da ermitteln würde.

    Politisch könnte dagegen vorgegangen werden. Aber es ist mal wieder nur die Linkspartei, die hier das Recht einfordert. Die anderen Parteien halten still und wollen nicht als Nestbeschmutzer den korrupten Laden stören.

    Einzig die EU-Kommission könnte da noch einen Strich durch diese Rechnung machen. Dort sind neben den deutschen Interessen noch andere Interessen im Spiel. Meistens allerdings, werden dort dann Deals abgeschlossen. Das könnte dann so aussehen, dass die Bundesregierung z.B. den Anbau von genmanipulierten Nahrungsmitteln, Finanzhilfen für Frankreich oder Steuerdeals in Luxemburg akzeptiert und die Kommission bzgl. des Air Berlin Skandals den Ball flach hält.

     

    Unser Politikladen ist korrupt und die Bevölkerung sieht das auch und wählt diese ab. Warum profitiert davon aber die AfD und nicht die Linke?

    • @Velofisch:

      Leider hat DieLinke vor der Wahl nur zu Flüchtlingen positiv und öffentlich Stellung bezogen. Das haben die Menschen in den unteren Schichten ihr übel genommen. Sie fühlen das ihre Interessen lange nicht wirklich beachtet wurden.