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Greenpeace-Auto kommt ins MuseumGescheitert mit drei Litern im Tank

Vor 20 Jahren präsentierte Greenpeace ein Dreiliterauto. Die Industrie nahm die Innovationen gern mit – um größere Autos zu bauen.

Dreiliterauto von Greenpeace: Kommt jetzt ins Deutsche Museum in München Foto: dpa

HAMBURG taz | Es ist gelb, ziemlich windschnittig und sieht überhaupt nicht altmodisch aus – das Dreiliterauto „Smile“, das Greenpeace vor 20 Jahren vorgestellt hat. Der Kleinwagen auf Basis eines Renault Twingo steht in der Ausstellung der Greenpeace-Zentrale in Hamburg und wartet darauf, ins Deutsche Museum nach München verfrachtet zu werden.

Greenpeace versuchte damals zu zeigen, dass sich der Spritverbrauch eines Standard-Autos mit vertretbarem Aufwand halbieren lässt. Heute ist das Dreiliterauto immer noch nicht Standard. „Die Autoindustrie hat die falschen Konsequenzen gezogen“, sagt Projektleiter Wolfgang Lohbeck.

Mit dem Öko-Auto wollte die Umweltorganisation ein neues Instrument im Kampf gegen Waldsterben und Klimawandel schaffen. Intern war das umstritten. Am Ende aber hat der Verband doch 3,4 Millionen Mark für die technische Entwicklung locker gemacht.

Kern des Konzepts ist ein Mini-Benzin-Motor mit 350 Kubikzentimetern Hubraum – ein Golf VI hat rund 1.200 Kubikzentimeter. Dazu verpassten ihm die Tüftler eine Karosserie, die den Windwiderstand halbierte, und Leichtlaufreifen. Die Ladetechnik in Form von Turboladern sei damals nur vereinzelt eingesetzt worden und habe sich mittlerweile im Motorenbau durchgesetzt, sagt Lohbeck. Die Industrie habe aber die Technologie „missbraucht, um nicht sparsamere, sondern größere und schwerere Autos zu bauen“, kritisiert er.

Die Fahrzeuge hätten stärkere Motoren, Klimaanlagen, Sonderausstattungen und seit einigen Jahren oft auch eine wuchtige Karosserie, so Lohbeck.

Ein ökologischer Fortschritt, der den Ressourcenverbrauch der Autoflotten – von den Rohstoffen bis zum Kraftstoffeinsatz deutlich reduziert – ist so kaum möglich. Dahinter steckt vor allem das Interesse der Industrie, möglichst viele Fahrzeuge zu möglichst hohen Preisen zu verkaufen – die durch mehr Komfort, mehr Leistung, mehr Geprotze gerechtfertigt werden. Zum Beispiel bei den Luxus-Geländewagen: Sie sind ein Renner, obwohl – außer vielleicht ein paar Jägern – niemand solche Fahrzeuge braucht.

Nur ein bisschen teurer

Der Smile von Greenpeace wäre nur ein paar Hundert Euro teurer gewesen als ein Standardmodell, behauptet Lohbeck – ganz anders als ein Dreiliterauto wie der Lupo von VW, in dem viel Hightech-Werkstoff verbaut war. „Ein Auto, das so teuer ist wie eines zwei Klassen höher, ist am Markt nicht durchsetzbar“, sagt Lohbeck. Dabei sei es möglich, den aktuellen Golf mit ein paar Hunderte Euro Mehrkosten auf dreieinhalb Liter zu drücken.

Den zurzeit diskutierten alternativen Antrieben kann Greenpeace wenig abgewinnen. Hybridautos mit Verbrennungs- und Elektromotor seien schwer und brächten nur beim Stop-and-go in der Stadt Vorteile. Nachhaltig erzeugter Wasserstoff stehe noch nicht bereit, und Biokraftstoff gehe zu Lasten der Lebensmittelproduktion. Bloß mit dem klimafreundlichen Erdgas ließen sich schnelle Schritte Richtung Klimaschutz unternehmen.

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10 Kommentare

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  • Dass die Industrie die Vorschläge von Greenpeace nur "missbraucht" hätte, ist schlicht gelogen. Es gab und gibt sie doch zu kaufen, die konsequenten Spritsparmobile. Nur sind sie halt wirklich Sprit- und nicht Geldsparmodelle und bieten dabei entschieden weniger Leistung, Komfort und Sicherheit als ihre wuchtigen, kräftig motorisierten und breit bereiften Cousins. Und dann kommt dieser vermalledeite Spielverderber aller großen Systemumstellungsdenker, das Individuum, um die Ecke und erdreistet sich, selbst zu entscheiden, wofür es sein Geld ausgeben will und wofür nicht, und die Lupo 3l, Prius oder Teslas dieser Welt bleiben Exoten.

     

    Niemand - am wenigsten die Autohersteller - würde die Kunden wirklich hindern, ihre mobilen Bedürfnisse voll auf Umweltschutz umzustellen. Damit könnte man klotzig Geld verdienen. Und wenn diese Autos bestellt würden, würden sie auch gebaut - so wie einst der erste Jeep Cherokee, dessen Erfolg seinen Hersteller vor ganz neue Aufgaben stellte und den bis heute anhaltenden SUV-Boom einläutete. Allein die Bestellungen sind bislang ausgeblieben.

     

    Was nun Greenpeace eigentlich ärgert, ist, dass die Autohersteller nicht ihre Angebotsmacht GEGEN die Wünsche ihrer Kunden in Stellung bringen, um die Vorstellungen von Greenpeace zwangsweise durchzusetzen. Nur sagen sie das nicht so, sondern reden sich ein, die Kunden wären Lemminge, die einfach kaufen, was die Industrie baut und für angesagt erklärt. Es ist dieses Konzept vom völlig unselbständigen, beliebig steuerbaren, dummen Pöbel, der solche Idealisten zu Allmachtsphantasien verleitet und sie gleichzeitig hindert, die normalen Menschen, die es zu überzeugen gälte, wirklich zu erreichen.

  • Der theoretische Wirkungsgrad bei Benzinmotoren liegt bei etwas über 40 %. D.h., dass selbst der modernste Motor immer noch über 50 % der eingesetzten Energie in Wärme und nicht in die gewünschte Bewegungsenergie umwandelt. Diese Antriebsart bleibt also auf jeden Fall Steinzeittechnik.

    • @amigo:

      Dann nennen Sie doch bitte mal Antriebsarten mit einem höheren Wirkungsgrad.

    • @amigo:

      Immerhin lässt sich die Wärme im Winter dann doch etwas nutzen :-)

       

      und besser 60% von 3 Litern "verschwenden" als von 6 oder 12.

    • @amigo:

      Effizienz hängt halt nicht nur mit dem Wirkungsgrad zusammen. Finden Sie doch mal einen Weg, andere Energieträger (Strom, Wasserstoff etc.) so mobil lager- und preisgünstig verfügbar zu machen wie Benzin. Hersteller und Kunden wären sicher begeistert.

      • @Normalo:

        Gibt doch Gastanks? Für Autogas und so. Warum das nicht für Wasserstoff gehen soll (oder umgewandelt in Methan, notfalls) konnte mir noch keiner wirklich gut erklären...

        • @LeSti:

          Kleinere Gasmoleküle wie Methan oder Wasserstoff brauchen bei erheblich geringerem Energiegehalt im gasförmigen Zustand immer noch denselben Raum. Außerdem sind sie viel flüchtiger und daher nur bei extrem hohem Druck - wenn überhaupt - sinnvoll flüssig zu lagern.

      • @Normalo:

        Da haben Sie sicherlich ja Recht. Das bedeutet dann aber wohl oder übel weitgehender Verzicht auf lieb gewonnene Selbstverständlichkeiten.

        Wer weiß denn, wie lange wir aus der eingeschlagenen Sackgasse noch umkehren können? Dabei ist der angesprochene Wirkungsgrad nur ein Aspekt.

  • Naja, Schuld ist nicht nur die Industrie. Natürlich schon auch. Aber es müssen ja auch ein ganzer Haufen Leute die SUVs kaufen (welcher vernünftige Jäger würde übrigens mit einem X6, Cayenne oder Grand Cherokee in den Wald fahren? Dafür reicht n Suzuki Vitara...). Und da muss man einfach sagen, dass die Menschheit da echt wenig gelernt hat. So zumindest im Durchschnitt. Einigen wenigen Ökos/Hippies/Leutesowieich, steht eine große Menge an "Individualisten" gegenüber, die durch die Welt jetten und mit ihren SUVs aus dem suburbanen SUV in die Stadt pendeln, Staus und schlechte Luft verursachen und am Schluss auch noch immer mehr Parkplätze für ihre immer größeren Dreckschleudern brauchen.

  • Die pöse pöse Industrie - bauen die doch tatsächlich die Autos, die der Kunde auch noch kauft.

    Dann lieber Greenpeace baut doch die Karre und verkauft sie.

     

    Die Autoindustrie baut keine SUV weil sie alle SUV so toll finden - nein sie baut sie weil die Dinger sich verkaufen.

    Diesen Kübel will keiner (zu wenige)