Greenpeace-Aktivisten bald frei?: Russland boykottiert Gericht
Die Niederlande werfen den russischen Behörden die Verletzung der Hoheitsrechte vor. Das Internationale Seegerichtshof prüft das.
FREIBURG taz | Muss Russland 30 inhaftierte Greenpeace-Aktivisten (Arctic 30) und ihr Schiff „Arctic Sunrise“ sofort freigeben? Das prüft jetzt der Internationale Seegerichtshof in Hamburg, der am Mittwoch über den Fall verhandelte. Russland boykottierte die Sitzung, die per Livestream übertragen wurde.
Die Greenpeace-Aktivisten sitzen seit fast sieben Wochen in russischer Haft. Sie hatten versucht, an einer russischen Bohrinsel gegen die Ölförderung in der Arktis zu protestieren. Russland warf ihnen zunächst Piraterie und jetzt Rowdytum vor, weil sie die 500-Meter-Sicherheitszone der Bohrinsel verletzt hatten.
Da die „Arctic Sunrise“ unter niederländischer Flagge fuhr, vertreten die Niederlanden als „Flaggenstaat“ die Interessen der Umweltorganisation. Nach Ansicht der Regierung in Den Haag durften die russischen Sicherheitskräfte das Boot auf hoher See ohne ihre Erlaubnis nicht einmal betreten. „Auch alle weiteren Akte waren daher widerrechtlich“, sagte der niederländische Vertreter René Lefeber vor dem Hamburger Gerichtshof.
Um den Konflikt zu klären, hatten die Niederlande bereits am 4. Oktober ein bindendes Schiedsverfahren beantragt, wie es die Seerechtskonvention vorsieht. Russland verweigert sich solchen Schiedsverfahren jedoch. Man habe schon bei der Ratifikation der Seerechtskonvention 1997 einen entsprechen Vorbehalt eingelegt, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Niederlande meinen aber, dass ein genereller Vorbehalt gegen Schiedsverfahren unwirksam sei. Laut Konvention könne man Schiedsverfahren nur für Konflikte um Fischerei und Forschung ausschließen.
„Widerrechtliche Akte“
Da das Schiedsverfahren nicht vom Fleck kommt, hatten die Niederlande in der vergangenen Woche beim Seegerichtshof in Hamburg eine einstweilige Anordnung beantragt. Danach sollen die Aktivisten und das Schiff sofort freigegeben werden. „Es ist ein Streit zwischen zwei Staaten, unter dem keine Menschen leiden sollten“, sagte Lefeber.
Die russische Regierung nahm an der dreistündigen Hamburger Verhandlung nicht teil, vertrat also nicht einmal ihre Interessen. Der Seegerichtshof könnte dennoch eine einstweilige Anordnung beschließen. Die 21 Richter unter dem japanischen Präsidenten Shunji Yanai wollen am 22. November ihren Beschluss verkünden. Bisher hat der Seegerichtshof in 22 Fällen 7-mal einstweilige Anordnungen erlassen, die immer befolgt wurden.
Wenn Russland sich widersetzt, stehen dem Gerichtshof aber keine Zwangsmittel zur Verfügung. Die Niederlande und die EU könnten dann nur politisch und diplomatisch Druck ausüben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben