Grandiose Baseball-Finalserie: Wunderbarer Zahlenwust
Warum die World Series zwischen den siegreichen Los Angeles Dodgers und den Toronto Blue Jays Baseballherzen höher schlagen lässt.
B aseball ist mehr als jeder andere Sport ein Sport der Statistiker. Wenn man einen Baseballfan fragt, was an einem Spiel oder einer Saison besonders war, dann bekommt man nicht selten einen Zahlenwust an den Kopf geworfen.
Das Gleiche galt für die gerade zu Ende gegangene World Series zwischen den LA Dodgers und den Toronto Blue Jays, die von den Beobachtern einmütig als eine der großartigsten Meisterschaftsserien aller Zeiten beschrieben wird. Der Baseballanalyst Tim Kurkjian hatte auf dem Portal ESPN Folgendes dazu zu sagen: Es war die erste World Series in der Geschichte, die mit einem doppelten Homerun begann; es war das erste Mal, dass ein World-Series-Spiel mit einem 7-4-Double-Play beendet wurde.
Die Dodgers sind die erste Mannschaft seit 1953, die über sechs Jahre eine Siegquote von 653 erzielt hat. Der Star-Pitcher der Dodgers, Yoshinobu Yamamoto, warf in Spiel sechs 96 Pitches und setzte am nächsten Tag in den letzten zwei und zwei Drittel Innings weitere 34 hinzu. Damit wurde er der erst vierte Werfer der Geschichte, der Spiel sechs und Spiel sieben für sein Team gewann.
Das alles bringt Nichtinsider nicht unbedingt ins Schwärmen. Warum die ganze Nation während der sieben Spiele der Finalserie den Atem anhielt, erschließt sich damit kaum. Um das wiederum zu erklären, musste Kurkjian von der Statistik in die Literatur wechseln. „Nun ist es vollbracht“, zitierte er den Kommentar des großen Sportjournalisten Red Smith zum historischen Spiel zwischen den New York Giants und den Brooklyn Dodgers 1951. „Nun ist die Geschichte zu Ende. Und es gibt keine Möglichkeit, sie zu erzählen. Die Kunst der Fiktion ist tot. Die Wirklichkeit hat die Erfindung erstickt. Nur das unaussprechlich Fantastische kann jemals wieder glaubhaft sein.“
Schüsse, welche die ganze Welt hört
Der Homerun, der damals den Giants den Titel in der National League bescherte, ging als „Shot heard around the world“ in die Geschichte ein – wiederum ein Zitat der Beschreibung des ersten Schusses der amerikanischen Revolution. In der jetzigen Finalserie, so scheint es, gab es gleich ein halbes Dutzend Schüsse, die die Welt hörte.
Zum Beispiel der Homerun des Toronto Blue Jay Bo Bichette im dritten Inning der letzten Partie, mit dem er die Kanadier, die Underdogs des Finales, mit 3-0 in Führung schoss. Oder der Homerun von Miguel Rojas im neunten Inning, mit dem er die Titelverteidiger wieder ins Spiel brachte. Es war die letzte Aktion des 36-Jährigen im letzten Spiel seiner Karriere. Und natürlich der spielentscheidende Homerun von Will Smith für Los Angeles im 11. Inning.
Aber auch diese einzelnen Momente vermögen kaum auszudrücken, warum diese Finalserie so großartig war. Es war vielmehr ein reicher Schatz an Geschichten, der die letzte Oktoberwoche so legendär machte. Da war die Geschichte der Blue Jays, die im vergangenen Jahr noch eine der schlechtesten Spielzeiten in ihrer Geschichte hatten. In diesem Jahr standen sie dann gegen das reichste Team der Liga mehrfach nur einen Schlag vom Gewinn der World Series entfernt.
Oder die Comebackgeschichte der Dodgers, die schon 1:3 zurücklagen. Oder die vielen Dinge, die laut der Statistiker noch nie vorgekommen sind: zwei Spiele mit Verlängerungs-Innings, 12 Strikeouts durch Trey Vesavage von den Blue Jays und zwei Homeruns während einer Verlängerung.
Echte Fans bringen diese Zahlen ins Schwärmen. So oder so hat der Baseball eine Woche lang die gesamte amerikanische Sportwelt in seinen Bann geschlagen – Statistiker wie Romantiker. Und damit gezeigt, dass die altertümlichste, konservativste unter den US-Sportarten trotz ihrer Langsamkeit und Idiosynkrasie noch immer etwas zu bieten hat.
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