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Görlitzer Park in BerlinTear down this Zaun

Lilly Schröder
Kommentar von Lilly Schröder

Der schwarz-rote Berliner Senat hat mit dem Zaunbau um den Görlitzer Park begonnen. Das steht exemplarisch für die Abschottungspolitik der Union.

Wird der Bolzenschneider zum Symbol der Anti-Zaun-Proteste in Berlin? Foto: imago

D er Hummus muss Sprengstoff enthalten haben. Anders ist die Szenerie kaum zu erklären. Dienstagmorgen vorm Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg: 30 Personen sitzen auf Picknickdecken, quatschen entspannt, rauchen, essen. Umzingelt werden sie von über 80 Po­li­zis­t*in­nen und 10 Einsatzfahrzeugen. Es werden Platzverweise erteilt und Personalien aufgenommen. Um Sicherheit geht es längst nicht mehr. Es geht um Machtdemonstration.

Nach langen Verzögerungen hatte Anfang der Woche der Zaunbau um den Görli, wie die Grünanlage in Berlin genannt wird, begonnen. Die Pläne des schwarz-roten Senats, den Park einzuzäunen und nachts zu schließen, stoßen auf Widerstand. Die Frühstücksaktion war Teil des Protests. Bereits am Vorabend waren über 1.000 Zaun­geg­ne­r*in­nen mit Töpfen und Trommeln durch den umliegenden Wrangelkiez gezogen.

Der Zaun soll Kriminalität und Drogenhandel in „Deutschlands gefährlichstem Drogenpark“ (danke, Bild-Zeitung) eindämmen. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) gibt sich als Macher, der im unbändigen Kreuzberg endlich durchgreift. Das Senatsvorhaben, den Görli als „kriminalitätsbelasteten Ort“ dauerhaft per Video zu überwachen sowie das seit Februar geltende Messerverbot fügen sich nahtlos in diese Inszenierung ein.

Zaun­geg­ne­r*in­nen werfen dem Senat eine „populistische pseudodemokratische Shitshow“ vor. Für sie steht fest: Die CDU will dem linken Friedrichshain-Kreuzberg ihre Law-and-Order-Politik aufzwingen. An­woh­ne­r*in­nen seien nicht einbezogen und der Bezirk übergangen worden.

Ein Gericht winkt den Zaun durch

Dieser hatte sich gegen den Zaun ausgesprochen. Das Verwaltungsgericht entschied jedoch: Der Zaun darf auch gegen den Willen des Bezirksamts gebaut werden. Ob das die beste Grundlage für eine konstruktive Zusammenarbeit ist? Nebensache. Die CDU hat gewonnen. 1:0, take that, links-grün versifftes Kreuzberg!

Wegners Plan ist populistisch anschlussfähig. Dass das Konzept nicht nachhaltig ist, scheint zweitrangig. An­woh­ne­r*in­nen befürchten nun eine Verlagerung der Probleme in die umliegenden Kieze. Zu Recht – in Zürich führte ein Zaun rund um den Platzspitz („Needle Park“) in den 1980er Jahren zu genau diesem Effekt.

Zaun­geg­ne­r*in­nen fordern deshalb: Statt über 2 Millionen Euro in den Zaun zu pumpen, brauche es mehr Geld für Sozialarbeit, Drogenkonsum- und Aufenthaltsräume, Suchthilfeprogramme für Kon­su­men­t*in­nen sowie Ausstiegsprogramme für Dealer.

Das klingt bloß nicht so nach harter Hand wie Messerverbot, Videoüberwachung und Zaun. CDU-Rechtsaußen Kurt Wansner hat da einfachere Lösungen parat: Drogendealer im Görli müssten „härter bestraft und gegebenenfalls auch abgeschoben“ werden.

Klingt vertraut? Ist es auch. Was die CDU in Berlin vormacht, propagiert Merz auf Bundesebene. Der Görli ist ein Mikrokosmos der Law-and-Order-Unions-Politik: autoritär statt dialogisch, stigmatisierend statt integrierend, symbolpolitisch statt nachhaltig.

Der Zaun emotionalisiert auch über die Landesgrenzen hinweg, weil im Kern grundlegende gesellschaftliche Fragen berührt werden: Wie steht es um die Mitbestimmung in unseren Städten, und wie begegnen Politik und Verwaltung marginalisierten Gruppen?

Die Zeichen stehen auf Abschottung. Während Wegner den Görli einzäunt, setzt Merz im ganzen Land auf Abschreckung. Doch der Widerstand formiert sich: Ak­ti­vis­t*in­nen kündigten an, den Zaun immer wieder einzureißen. Kreuzberg bleibt standhaft.

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Lilly Schröder
Redakteurin für Feminismus & Gesellschaft im Berlin-Ressort Schreibt über intersektionalen Feminismus, Popkultur und gesellschaftliche Themen in Berlin. Studium der Soziologie und Politik.
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28 Kommentare

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  • Dieser Zaun wird Berlin auch nicht mehr retten.



    Illegale Prostitution, Schutzgelderpressung, Drogen und Kriminalität haben aus den einst wunderbaren Berlin eine Stadt gemacht, die weder sicher noch schön ist. Da kann sich doch Nachts keine Frau mehr alleine auf die Straße trauen, kein Jude mehr seine Kippa tragen, kein neues Fahrrad mehr Nachts in der Öffentlichkeit stehen. Ich werde Berlin nie wieder besuchen, mit weinendem Auge, was aus Berlin geworden ist.

  • Wenn man die Kommentare der Lesenden hier so liest, glauben viele wirklich, dass der Zaun den Drogenhandel eindämmt und zusätzlich auch noch das Vermüllungsproblem löst. Ich frage mich, warum. Der Park kann dadurch nur nachts geschlossen werden. Der Handel findet zum großen Teil doch tagsüber statt und die Vermüllung sowieso.

  • Das Ganze funktional sehen. Parkfunktionen sind durch fehlerhafte Drogenpolitik beeinträchtigt, diese ist effektiv nur mit Bundesgesetzen änderbar. Niedrigere Diskussionsebene ist müssig.

    Park-Erlebnis in New Yorker Parks ist ohne Görlimässige Probleme. Ceteris Paribus ist bei der US-Society nicht der Fall, aber ein Gang zum Kiosk mit Altersnachweis genügt, um qualitativ einwandfreie THC-Gummibärchen zu kaufen. Das entlastet funktional die Parks.

  • Hmm... ich finde es ja wirklich wichtig, den Drogenabhängigen zu helfen. Aber wenn das so Überhand nimmt, dass Eltern aufhören, die U-Bahn zu nutzen, dann müssen wir Lösungen finden - öffentliche Orte müssen für alle erhalten bleiben. Ich bin sicher kein Fan der CDU, aber ich finde schon, dass man auch klar durchgreifen sollte.

  • Wenn man mal dürber nachdenkt ist das ganze mehr als absurd.

    Da wird jetzt nachts ein Park zukünftig vor Müll, Dealer und Menschan geschützt. Den Park wird es warscheinlich wirklich freuen. Nur sollten nicht eigentlich die Anwohner geschützt werden ? Und wo werden dann der Müll, Dealer und die anderen Menschen dann Nachts sein ? Ah, wohl rundrum um den Park bei den Aunwohnern soszsagen auf dem Schoss.

  • Aussteiger Programm für Dealer? ~4500€ / Monat ohne Qualifikation, Sprachkentnisse und leichte körperliche Arbeit sind nicht so leicht zu toppen. Da hilft nur eine hohe Aufklärungsqoute und Schnellverfahren, das ist doch ansonsten viel zu reizvoll.

  • Ein Zeichen der puren Hilflosigkeit aufgrund Unwissenheit und schlechter Beratung der Regierenden. Wer sich zudem von Hetzblättern wie der Bildzeitung leiten lässt, vergreift sich in üblester Weise an einer funktionierenden Gesamtgesellschaft. AfD bedankt sich schon heute.



    Hier wird versucht mit populistischen Konzepten und einem Denken aus dem letzten Jahrhundert, scheinbare Probleme zu beheben, erreicht das Gegenteil und säht Missgunst und Misstrauen in der Gesellschaft. Das ist Volksvertretern nicht würdig.

  • Ich verstehe die Aufregung nicht. In vielen vergleichbaren Großstädten sind Parks umzäunt und nachts aus guten Gründen abgeschlossen. Aufenthaltsqualität muss in Parks für die Nutzer sichergestellt werden, nicht jedoch für die Drogenszene. Die muss man mit aller Konsequenz verdrängen, dazu braucht es halt auch Law&Order, zu dem der Zaun dazugehört.

    • @Flocke:

      Was sind denn die guten Gründe?



      Die Drogenszene in die benachbarten Straßen zu verdrängen ist ja sehr offensichtlich keiner.

      • @pumble:

        Dann muss man eben auch in diesen Straßen entsprechend durchgreifen. Es kann doch nicht sein, dass man vor der Drogenszene kapituliert und dafür der überwiegenden Mehrheit ( = Anwohner ) die Kriminalität vor die Haustür setzt. Klares Ziel muss ein sauberer, sicherer Park sowie Straßen sein.

        • @Flocke:

          Die erreicht man aber nicht durch populistische Zaunbauerei, sondern durch Sozialarbeit, Suchthilfe, Ausstiegsprogramme, usw.

          Manchmal ist die einfache populistische Lösung, die überall anders auch schon nicht funktioniert hat, einfach nur falsch.

  • Wegner wäre Macher, würde er die Berliner Luft aus den Fängen der Tabakindustrie befreien, aber das wäre ja wirtschaftsfeindlich.

    Es wird wie immer alles bleiben; die Drogen, die Drogenopfer, die Zigarettenstummel im Park und die rauchenden Schergen der Tabaklobby.

  • Wäre man rechtzeitig gegen kriminelle Dealer und Junkies im Park vorgegangen, dann hätte man sich den Zaun sicher sparen können.

    • @WederLinksNochRechts:

      Im Görlitzer Park finden durchschnittlich alle drei Tage Razzien statt, 15400 Einsatzstunden im Jahr 2023 alleine.



      .



      Jetzt gibt es eben für 2millionen eine Zaun der dann auch noch immer wieder repariert werden muss und für das Abschließen muss ja auch jemand bezahlt werden... und dann wird eben in der Hasenheise oder anderen umliegenden Parks gedealt (wie auch schon jetzt).



      .



      Dann vll doch besser das Geld einfach direkt verbrennen, das erzeugt wenigstens Wärme.

  • Ausstiegsprogramme für Drogendealer?



    Selzen so gelacht. Ich bin froh, dass die Polizei öfter kontrolliert und geltendes Recht (endlich) durchsetzt. Alle anderen Massnahmen haben ja nichts gebracht.

    • @Emmo:

      Sie werden staunen, wie wenig der Zaun bringen wird.

  • Schade dass die Autorin Lilly Schröder nicht einmal ansatzweise eine Alternative nennt, wie man den Park vor zu viel Vermüllung schützen und den ausufernden Drogenhandel eindämmen kann. Die Kritik ist zwar gerechtfertigt, aber Worthülsen wie "Machtmissbrauch" oder "marginalisierte Gruppen" führen in der Diskussion auch nicht weiter.

    • @Mopsfidel:

      Die Einzäunung eines Mülleimers führt nicht zwingend zu einem leeren Zustand des Selbigen. Der Müll wird sich aufgrund fehlender Treffsicherheit nur am Rand des Zaunes sammeln. Müllbeseitigung beginnt in einer anderen gesellschaftlichen Ebene. Das hat die politische Mitte noch nie verstanden und damit schon seit Jahrzehnten Leben von vielen Mitbürgern zu verantworten. Ein weiteres Beispiel ist eine Ausrufung eines Messerverbots - dann werden sich die Bürger auch sicher daran halten, wie sie das auch bei Steuerhinterziehung, Betrug, Geschwindigkeitsüberschreitung und, und, und machen. Welch Naivität doch bei den politischen Führungen und Verwaltungen vorherrscht.

      • @Sonnenhaus:

        Berlin ist halt speziell und hat auch ganz einfache aber doch scheinbar schwer zu lösende Themen. Bin ca 4x Jahr in Berlin und habe über einen Zeitraum von 2,5 Jahren auf dem Weg zu meinem Hotel eine alte Matratze am Rand der Osloer Straße liegen sehen(öffentlicher Grund). Ich habe dann beschlossen, wenn ich sie noch einmal sehe sie mit einem Namen zu versehen und als alte Bekannte zu begrüßen, genau da ist mir aber dann doch jemand zuvorgekommen und hatte sie weggeräumt.

  • Ich denke, man hat da genügend versucht, die Probleme einzudämmen, alles ohne Erfolg.



    Illegaler Drogenhandel versteht nur die Sprache eines harten Durchgreifens von Exekutive und Justiz.

    • @Micha.Khn:

      Das ist so ziemlich alles, was inhaltlich auch von den Christkonserven kommt. Danke für die Zusammenfassung. Dann gibt es da eben bald einen Zaun (wurde mittlerweile eigentlich geklärt, wie das nächtliche Schließkonzept umgesetzt werden soll?) und die Junkies verlagern sich in die Wohnviertel. Wie schon nach der verstärkten Repression ohne Zaun.

      • @Kawabunga:

        die Junkies werden sich nicht in die Wohnviertel verlagern. Die kommen aus den Wohnviertel entweder den anliegenden oder aus entfernten Vierteln.

        Es sind die Dealer, die sich neue Betriebsstruktur suchen müssen. Man muss Ihnen nicht auch noch dabei helfen und bestehende aufrecht erhalten. Das Geschäft kann ruhig auch schwerer werden.

        Da muss nicht gerade eine Grünfläche für herhalten, die eigentlich für die ganze Bevölkerung gedacht ist und wo Kinder spielen sollen und wollen und Frauen sicher sein wollen.



        Die Verlagerung des Drogenhandels wird also zumindest zu wieder in Gänze nutzbaren Grünflächen führen.

        • @Rudolf Fissner:

          "Die Verlagerung des Drogenhandels wird also zumindest zu wieder in Gänze nutzbaren Grünflächen führen."

          Also tagsüber ist der Park offen, dann können auch Dealer rein, Nachts ist der park geschlossen, dann können auch keine Frauen und Kinder rein, wie genau führt das also wieder zu in Gänze nutzbaren Grünflächen?

      • @Kawabunga:

        Dann muss man halt auch verstärkt gegen die Junkies und ihre Dealer vorgehen und sich nicht von ihnen vorführen lassen.

        • @WederLinksNochRechts:

          Für die Lösung des Drogenproblems wäre ein Nobelpreis fällig. Offenbar traut sich unser Senat das zu.

          • @Frosch24:

            Wie von Micha.Khn richtig geschrieben: "Illegaler Drogenhandel versteht nur die Sprache eines harten Durchgreifens von Exekutive und Justiz."

            • @WederLinksNochRechts:

              Es gibt halt eine Million Beispiele die das genaue Gegenteil zeigen......selbst in Ländern mit Todesstrafe auf Cannbiskonsum wird gekifft und gedealt, das ist ein Problem welches sich niemals mit Law and Order lösen lässt

            • @WederLinksNochRechts:

              Was ja wunderbar in der Vergangenheit funktioniert hat