Gleichberechtigung in Russland: Schön unterirdisch
Seit Anfang des Jahres dürfen auch Frauen Züge der Moskauer Metro lenken. Eine Änderung des Arbeitsrechts macht das möglich.
Nach Angaben des für Transportwesen zuständigen Vize-Bürgermeisters Maksim Liksutow seien 25 Frauen seit dem vergangenen Februar ausgebildet und 12 von ihnen zum 1. Januar eingestellt worden. Er sei davon überzeugt, dass sich die Anzahl der Metro-Chauffeurinnen, die ihre Uniformjacke wahlweise mit einer Hose oder einem Rock kombinieren können, weiter erhöhen werde. Bewerbungen lägen bereits vor. „Jetzt wünsche ich Ihnen Erfolg, Sicherheit und viel Vergnügen bei der Arbeit, Sie tragen eine große Verantwortung“, sagte der Vize bei einer feierlichen Zeremonie.
Frauen hatten bereits seit 1936 bei der Moskauer Metro als Maschinistinnen gearbeitet. Anfang der 80er Jahre wurde die Einstellung neuer Mitarbeiterinnen jedoch untersagt. Offiziell begründet wurde das damit, dass bestimmte Tätigkeiten zu schwer und der Gesundheit von Frauen bzw. Ihrer Reproduktionsfähigkeit abträglich seien.
In einem entsprechenden Register, das bis Ende vergangenen Jahres galt, waren 456 reine Männerberufe aufgeführt. Diese Anzahl hat das Arbeitsministerum jetzt auf 100 Posten reduziert, da sich die Arbeitsbedingungen in diesen Bereichen angeblich erheblich verbessert haben sollen. Künftig dürfen Frauen beispielweise auch als Schlosserinnen, als LKW-Fahrerinnen und auf dem Bau schaffen oder als Bootsfrauen und Matrosinnen auf Schiffen anheuern.
Privileg erstritten
Letzteres „Privileg“ hatte sich bereits vor Jahren eine Frau erstritten. Die Dame, die Mitglied der russischen Matros*innengewerkschaft ist, war mit ihrem Anliegen erfolgreich vor das UN-Komitee zur Abschaffung der Diskriminierung von Frauen gezogen und hatte gegen die russische Regierung gewonnen.
Bei bestimmten Tätigkeiten hätte der Arbeitgeber bezüglich einer Überprüfung der Arbeitsbedingungen auch schon früher aktiv werden können, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Matros*innengewerkschaft Igor Kowaltschuk dem Nachrichtenportal kommersant.ru. Aber es sei offensichtlich rentabler gewesen, nur Männer einzustellen.
Laut Marina Moskwina, Direktorin für Fragen des Arbeitsmarktes und der Sozialpartnerschaft beim russischen Industriellen und Unternehmerverband, würde viele Frauen trotz der Änderung des Arbeitsrechts, wohl kaum in Massen in die neuen Berufszweige drängen. Angaben des föderalen Dienstes für Arbeit und Beschäftigung Rostrud zufolge liegt die Anzahl sogenannter gefährlicher Arbeitsplätze zwischen 300.000 und 2,2 Millionen.
Doch diese Beschreibung trifft auf die unterirdischen Jobs bei der Moskauer Metro offensichtlich nicht mehr zu. Um bereits schon beim potenziellen Nachwuchs Interesse zu wecken, ist seit wenigen Tages ein neues Modell der beliebten Barbie-Puppe unter dem Namen „Barbie, Maschinistin beim Elektrozug“ auf dem Markt. Sie trägt einen Rock und wirbt in einem Videospot mit so sinnigen Aussprüchen wie: „Du kannst alles werden, was du willst!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“