: Giuliani und seine Affären
Der Bürgermeister von New York will sich scheiden lassen. Die Republikanische Partei überlegt, wen sie jetzt gegen Hillary Clinton ins Rennen schickt
WASHINGTON taz ■ Für Rudolph Giuliani kommt Politik zurzeit erst an vierter Stelle. Seine politische Karriere sei zur Zeit nicht seine erste Sorge, sagte der Bürgermeister von New York, der bisher als Gegenkandidat Hillary Clintons im Rennen um einen Sitz im Senat galt, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Nachdem er bereits hinausposaunt hatte, er habe Prostatakrebs in behandelbarer Form, kündigte er nun an, sich von seiner Frau Donna Hanover zutrennen. Seit einiger Zeit war Giuliani häufig mit Judith Nathan gesehen worden, von der er sagte, sie sei eine „wirklich gute und enge Vertraute“.
Die Frau des Bürgermeisters schien aus allen Wolken zu fallen. Auch sie trat vor die Presse und erklärte den Tränen nahe, wie schwierig es für sie sei, mit einem Mann zu leben, der nicht nur jetzt einer anderen Frau den Vorzug gibt, sondern in ihrer Ehe schon einmal ein Verhältnis mit einer Mitarbeiterin gehabt hatte.
Galt die Vermengung des Politischen und Persönlichen bisher eher als Domäne der Clintons, scheint sie Bestandteil New Yorker Politik zu werden. Die Republikanische Partei denkt bereits darüber nach, ob sie nicht lieber jemanden anderes ins Rennen schicken sollte. Das Dilemma der Partei ist, dass keiner der anderen möglichen Kandidaten den Bekanntheitsgrad Giulianis hat. Wenn Giuliani durch Krankheit und Affären von der politischen Bühne getrieben wird, wäre es nützlich, sich zu erinnern, dass den Anstoß dazu nicht seine Enthüllungen gegeben haben dürften, sondern seine Reaktion auf einen weiteren Polizeiübergriff. Am 16. März erschoss ein New Yorker Polizist in Zivil den unbewaffneten Patrick Dorismond – das geschah kurz nach dem Freispruch der vier Polizisten, die vor einem Jahr den unbewaffneten Amadou Diallo erschossen hatten. Giulianis Reaktion auf den Tod Dorismonds, dem nichts vorzuwerfen war, bestand darin, dessen Jugendstrafregister zu veröffentlichen – etwas, was er ohne richterliche Genehmigung nicht darf. Giuliani, der vor Einbruch des letzten Winters angekündigt hatte, die Stadt werde obdachsuchenden wohnungslosen Müttern ihre Kinder wegnehmen, wenn sie keiner geregelten Arbeit nachgehen, dürfte endlich zu weit gegangen und untragbar geworden sein. Die Veröffentlichung seines Privatlebens wird dabei einen Vorwand abgeben, unter dem er zurücktreten kann – und dann dürfte wieder das Lamento darüber einsetzen, welch eine Schande es sei, dass Politik vor der Privatsphäre der Politiker nicht mehr Halt macht.
PETER TAUTFEST
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