Gipfeltreffen Nord- und Südkorea: Ein Tag für die Geschichtsbücher
Beim Treffen der Länder kam weitaus mehr heraus als erwartet: Die Atomwaffen sollen verschwinden, die Staaten endlich Frieden schließen.
„Es gibt jetzt kein Zurück mehr, eine neue Ära des Friedens hat begonnen“, sagte Südkoreas Präsident Moon Jae In. Dann wurde er von einem lächelnden Kim Jong Un umarmt – ein ikonisches Bild, das wohl in die Geschichtsbücher eingehen wird. Moon wird Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang im Herbst besuchen.
Überhaupt war das Aufeinandertreffen der beiden im Grenzort Panmunjeom symbolisch aufgeladen. Als sich die Staatsoberhäupter in der Zwischenpause zum Tee auf einer Bank trafen, lauschte ein geradezu bescheiden wirkender Kim Jong Un aufmerksam den Ausführungen des nahezu doppelt so alten Moon – so hat man den Despoten aus Nordkorea nie zuvor gesehen. Überhaupt wurde seine Stimme von den meisten Südkoreanern noch nie vernommen: „Kim Jong Un ist so alt wie ich, aber er klingt wie mein alter Onkel“, schreibt eine Twitter-Userin.
Einige NGOs bedauerten, dass das Thema Menschenrechte bei dem achteinhalbstündigen Treffen nicht zur Sprache kam. Sas Wall Street Journal kritisierte, die Stellungnahme von Kim und Moon bei der Abrüstungsfrage sei nicht konkret genug.
„Mir fehlen immer noch die Worte“
Dennoch war der Freitag zweifelsohne ein historischer Tag für die beiden Koreas. „Als ich den Handschlag zwischen Moon und Kim gesehen habe, hat mich das zutiefst gerührt – mir fehlen immer noch die Worte“, sagt Kim Yeon Gyeong. Die 52-jährige Angestellte einer Marketingfirma hat an diesem frühlingshaften Morgen das innerkoreanische Gipfeltreffen auf einem riesigen Bildschirm am Rathausplatz mitverfolgt.
Am selben mit historischer Bedeutung aufgeladenen Platz hat Frau Kim bereits vor 15 Jahren die Weltmeisterschaft in ihrem Heimatland angeschaut. Anfang der 200er Jahre gehörte sie zu den ersten Südkoreanern, die im Zuge der sogenannten Sonnenscheinpolitik in den Norden reiste. Wenig später erlebte die Südkoreanerin, wie das politische Tauwetter in einer bitteren Enttäuschung endete. „Diesmal jedoch fühlt es sich anders an – das sieht man schon daran, dass diesmal erstmals ein nordkoreanischer Präsident in den Süden gegangen ist.“
Moon Jae In, Südkoreas Präsident
Und dann spricht sie, die bekennende Linke, Lob für einen US-Präsidenten aus, den sie noch vor Kurzem zutiefst ablehnte. „Sosehr ich Obama ansonsten respektiere, für Korea hat er acht Jahre lang nichts getan. Trump hingegen ist kein typischer Imperialist, sondern ein pragmatischer Geschäftsmann – wenn er mit Kim einen Deal herausschlagen kann, dann wird er das tun.“
Ohne Frage trägt Trumps Sanktionspolitik dazu bei, dass Nordkorea sich nun an den Verhandlungstisch bewegt. Kim Jong Un hat – im Gegensatz zu seinem Vater und seinem Großvater – seiner Bevölkerung schon von früh an wirtschaftlichen Aufschwung versprochen. Dieses Versprechen kann er jedoch nur einlösen, wenn die Wirtschaftssanktionen – seit Chinas Implementierung eine De-facto-Wirtschaftsblockade – aufgehoben werden. Ohne nukleare Abrüstung wird das jedoch nicht geschehen.
Hunderte Südkoreaner demonstrierten gegen das Treffen
Vor allem aber ist das innerkroeanische Tauwetter dem diplomatischen Geschick des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In zu verdanken. Der 65-Jährige hat als Vermittler zwischen den zwei ideologisch Verfeindeten in Washington und Pjöngjang fungiert – ohne ihn wären die jüngsten Entwicklungen nicht denkbar. Vor allem auch, weil er mit seiner konsequenten Haltung – Gesprächsbereitschaft bei gleichzeitigem Festhalten an den Sanktionen – das Vertrauen der Nordkoreaner errungen hat.
Doch nicht jeden Südkoreaner hat das heutige Gipfeltreffen erfreut. „Ich habe all das schon mal erlebt, die letzte Annäherung endete in einem großen Desaster. Nordkorea kann ich seither nicht mehr über den Weg trauen“, sagt Lee A Hyeon, eine Hausfrau Anfang 50. Wie sie sind Hunderte Südkoreaner ins Stadtzentrum gezogen, um gegen das Gipfeltreffen zu demonstrieren.
Auch Donald Trump bezeichnete auf seinem Twitter-Kanal das Treffen zwischen Kim und Trump als „historisch“: “Gute Dinge passieren, aber letztlich wird es die Zukunft zeigen“, schreibt er. Damit spielt er ohne Frage auf sein Gipfeltreffen mit Kim Jong Un an. Dort, so hoffen viele Koreaner, wird er den Friedensdeal endgültig besiegeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Titel Thesen Sexismus
Warum Thilo Mischke nicht TTT moderieren sollte