Giftgaseinsätze in Kriegen: Nicht zum ersten Mal

Nicht nur in Syrien ist Giftgas ein Kampfmittel. Der Irak setzte schon in den 80ern im Krieg gegen den Iran C-Waffen ein – mithilfe des Westens.

Übung für den Ernstfall: Gasmaskenprobe in Jerusalem. Bild: dpa

GENF taz | Der mutmaßliche Giftgaseinsatz in Syrien war ein abscheuliches, durch nichts zu rechtfertigendes Verbrechen – völlig unabhängig davon, wer dafür verantwortlich ist.

Er ist ein schwerer Verstoß gegen das Genfer Giftgasprotokoll von 1925, gegen das humanitäre Völkerrecht (Genfer Konventionen von 1949) sowie gegen das Chemiewaffen-Verbotsabkommen von 1992 (das Syrien bis heute nicht ratifiziert hat). Käme es zu einem Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag, würde die Anklage auf „Verbrechen gegen die Menschheit“ lauten.

Doch dieser Giftgaseinsatz in Syrien ist kein so einzigartiges Verbrechen, wie es Politiker in Washington, London und Paris derzeit darstellen. Der erste „Tabubruch“, wie er jetzt genannt wird, fand bereits in den 80er Jahren statt – und in großem Maße mitverantwortlich waren die USA, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die damalige Sowjetunion. Daran erinnert das in Washington erscheinende Foreign Policy Magazin in seiner jüngsten Ausgabe .

Der irakische Diktator Saddam Hussein setzte damals, im ersten Golfkrieg, systematisch über Jahre hinweg chemische Waffen ein – gegen iranische Soldaten und die Zivilbevölkerung des Iran. Ab 1983 starben die Menschen zunächst durch Senfgas, bis zum Kriegsende im September 1988 nutzte der Irak auch die Nervengase Sarin und Tabun. Es war der mit Abstand schwerwiegendste Einsatz von Chemiewaffen seit den verheerenden Giftgaseinsätzen auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges (1914–1918).

Bundesrepublik lieferte das Know-how

Wegen der grausamen Erfahrungen jenes Krieges einigten sich die Mitgliedstaaten des Völkerbunds 1925 im Genfer Giftgasprotoll auf ein Einsatzverbot. Im Zweiten Weltkrieg verfügten Nazideutschland und auch einige seiner Gegner über C-Waffen, setzten sie aber nicht ein.

Die Folgen der irakischen Chemiewaffenangriffe im ersten Golfkrieg waren entsetzlich: Zehntausende iranische Soldaten und Zivilisten wurden getötet oder für den Rest ihres Lebens entstellt. US-Präsident Ronald Reagan war über diese irakischen Verbrechen von Beginn an im Detail informiert, hielt sie aber geheim. Der Irak war damals wichtigster arabischer Verbündeter und Öllieferant des Westens. 1988 lieferte Washington dem Regime von Saddam Hussein sogar Aufklärungs- und Zieldaten für vier kriegentscheidende Chemiewaffenangriffe gegen die zahlenmäßig überlegenen iranische Truppen.

Im Grundsatz sind die Fakten schon lange bekannt. Neue Details belegt Foreign Policy mit bislang unveröffentlichten Regierungs-und Geheimdienstdokumenten sowie mit Aussagen des seinerzeitigen US-Militärattachés in Bagdad, Rick Francone. Paris und London lieferten die Kampfbomber zum Abwurf von Bomben mit chemischen Sprengköpfen, aus Moskau erhielt der Irak die chemiewaffenfähigen Scud-Raketen.

Gemeinsam verhinderten vier Vetomächte im UN-Sicherheitsrat, dass Beschwerden Irans über die irakischen C-Waffen-Angriffe dort behandelt wurden.

Dass Saddam Hussein im ersten Golfkrieg überhaupt über C-Waffen verfügte, dafür sorgte die Bundesrepublik. Deutsche Firmen lieferten Bagdad die Grundsubstanzen für die Giftgase sowie das Know-how und die Produktionanlagen für ihre Herstellung.

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