Giffey und Kipping wehren sich: „Niemand wird in den Bus geprügelt“

Regierungschefin und Senatorin: Weiterleiten von Flüchtlingen aus Ukraine ist keine Abschiebung. Senat beschließt Bleibekriterien.

Das Foto zeigt Ukraine-Flüchtlinge vor Zelten am Ankunftszentrum am Exflughafen Tegel.

Am Ankunftszentrum am Exflughafen Tegel begleiten Helfer Flüchtlinge zur Registrierung Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | „Einmal war sogar von Deportationen die Rede“ – Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) kann auch bei der Pressekonferenz nach der Senatssitzung am Dienstag nur den Kopf schütteln. Sie und Sozialsenatorin Katja Kipping (Linkspartei) wehren sich gegen eine Gleichsetzung der Weiterleitung ukrainischer Flüchtlinge mit Abschiebungen. Es gehe vielmehr darum, „dass Leute in ein anderes deutsches Bundesland fahren, wo ehrenamtliche Organisationen sich um sie kümmern“, sagt Giffey. Dies sei im Sinne der Flüchtlinge – „es geht um eine bessere Versorgung.“

Giffey zitiert vor den Journalisten Zahlen der Bundespolizei, wonach bislang 306.000 Flüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind. Nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ wäre Berlin für 5 Prozent zuständig, also für knapp 15.000 Menschen. Nimmt man von Giffey zitierte Zahlen als Maßstab, wie viele Personen in Berlin eine „Erteilung eines Aufenthaltstitels“ oder Sozialleistungen beantragt haben, nämlich 35.000 und 32.400, so hat Berlin seine Quote derzeit übererfüllt. „Man kann davon ausgehen, dass wir bei weit mehr als 10 Prozent sind“, sagt die Regierungschefin. Den Flüchtlingen könne besser geholfen werden, wenn Behörden oder Ämter nicht überlastet sind: „Nicht nur in Berlin kann gute Integrationsarbeit geleistet werden.“

Laut Sozialsenatorin Kipping werden Flüchtlinge, die in andere Bundesländer weiterfahren sollen, rechtzeitig informiert – „es wird niemand von der Polizei in den Bus geprügelt.“ Nach ihren Schätzungen akzeptieren 90 Prozent der Flüchtlinge, wenn sie Berlin wieder verlassen müssen, 10 Prozent übten Kritik. Der von Giffey zitierte Vorwurf von „Deportationen“ soll nicht von Flüchtlingen selbst, sondern von Helfern gekommen sein.

Damit klar ist, wer in Berlin bleiben darf und wer nicht, hatte der Senat in seiner Sitzung zuvor drei feste Kriterien aufgestellt: Bleiben kann demnach, wer nahe Angehörige in der Stadt hat – ohne dass diese Unterkunft gewähren müssen – oder hier über einen Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienplatz verfügt. Gleiches gilt für Frauen im Mutterschutz, also mehrere Wochen vor oder nach der Geburt ihres Kindes. „Es ist wichtig, dass wir eine Klarheit haben, die zu Gerechtigkeit führt“, sagt Giffey dazu. Für Kipping wird das dafür sorgen, dass es keine Entscheidungen nach „Gutsherrenart“ gibt, die davon abhängen, wer ihr oder anderen Senatsmitgliedern am meisten Druck macht.

„Transferzone“ für kranke Flüchtlinge

Für kranke Flüchtlinge soll es zudem eine sogenannte „Transferzone“ im Verteilungszentrum am Exflughafen Tegel geben, für nicht Reisefähige werde eine Übergangsunterbringung ermöglicht. Zu den Bleibekriterien gehört nicht, einer von Diskriminierung betroffenen Gruppe wie LSBTIQ anzugehören. Für Geflüchtete, die sich selbst dieser Gruppe zuschreiben, würden „möglichst Bundesländer mit entsprechend guten Beratungs- und Unterstützungsstrukturen ausgewählt, heißt es in dem Senatsbeschluss.

Gegenwärtig kommen nach Zahlen des Senats täglich rund 1.000 Flüchtlinge aus der Ukraine nach Berlin – deutlich weniger als in den ersten Wochen nach Kriegsausbruch, als 10.000 Menschen pro Tag eintrafen. Dafür sei auch das zusätzliche Ankunftszentrum in Cottbus verantwortlich, das viele Flüchtlinge an Berlin vorbei in andere Bundesländer oder nach Frankreich lenke. Die jetzigen Strukturen kämen aber auch damit klar, wenn die Zahlen wieder deutlich ansteigen würden.

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