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Ghana vor der WahlArbeit! Arbeit! Arbeit!

Als Nana Akufo-Addo, langjähriger Oppositionsführer, 2016 Präsident Ghanas wurde, versprach er Arbeitsplätze. Am Montag will er wiedergewählt werden.

Abschlussveranstaltung des Präsidenten Akufo-Addo in Accra, Samstag Foto: Francis Kokoroko / reuters

Accra taz | Samstagmittag in Accra. Es ist kein Durchkommen. Ein Autofahrer hupt verzweifelt. Anhänger*innen der Neuen Patriotischen Partei (NPP) haben den Kreisverkehr in Kokomlemle, ein eng besiedeltes Viertel in der ghanaischen Hauptstadt, in Beschlag genommen. Sie tragen weiße T-Shirts mit dem Konterfei von Präsident Nana Akufo-Addo, dazu Hüte in den Parteifarben Rot und Blau und machen mit ihren Vuvuzelas mächtig Lärm.

In Zeiten von Covid-19 ist das keine Wahlkampfveranstaltung, sondern ein sogenannter „Health Walk“. Sichtbar ist die NPP damit dennoch wie keine andere Partei in dem Land mit knapp 30 Millionen Einwohner*innen, wo am Montag der Präsident neu gewählt wird.

Umfragen zufolge liegt Akufo-Addo, 76, vor Herausforderer John Mahama, 62, Spitzenkandidat des Nationalen Demokratischen Kongress (NDC). ­Mahama regierte bis 2016, unterlag dann aber Akufo-Addo, der zuvor der ewige Zweite geblieben war. Die Wahl 2020 soll die Revanche für Mahama werden und abermals zeigen: Ghana ist Westafrikas führende Demokratie, in der es regelmäßig zu friedlichen Machtwechseln an der Urne kommt.

Irgendwann nach 20 Uhr lässt sich Accra wieder einigermaßen durchqueren. Es wird geschätzt, dass mittlerweile mehr als vier Millionen Menschen hier leben. Der Verkehr reicht noch nicht an Nigerias Megacity Lagos heran, aber zu Stoßzeiten steht man stundenlang im Stau. Es fehlt ein durchdachter öffentlicher Personennahverkehr, um vor allen jenen das Leben leichter zu machen, die sich die teuren Wohnungen im Zentrum nicht leisten können.

Vor einigen Monaten gab es den Vorstoß, Mopedtaxen zuzulassen, wie in Benin und Nigeria. Die fahren schneller, aber machen den Verkehr eher noch unübersichtlicher.

Freddie Blay muss am nächsten Tag hinaus in Ghanas zweitgrößte Stadt Kumasi fahren, theoretisch drei Autostunden entfernt. Der NPP-Vorsitzende sitzt gelassen und siegessicher auf einem dunkelbraunen Ledersofa in seinem Haus im Stadtteil East Legon. „Wahlkampf zu führen, das ist für uns ein Leichtes“, findet er. „Die Regierung hat gute Arbeit geleistet, unser größter Herausforderer war schon mal an der Macht. Wir können daher gut vergleichen, welche Regierung was erreicht hat.“ Das mache den Wahlkampf friedlich und sachlich.

Pluspunkt: kostenlose Oberschule

Also was hat Nana Akufo-Addo in vier Jahren erreicht? Sein größter Trumpf heißt SHS (Senior High School), der nunmehr kostenfreie Besuch der Oberschule, deren Abschluss zum Studium berechtigt. Egal ob bei Debatten im Radio oder Gesprächen auf der Straße: Das ist das Thema schlechthin, wofür der Amtsinhaber viel Lob erhält.

Die Grundlage dafür stammt aus der Regierungszeit seines Vorgängers. Mahama ist es aber nicht gelungen, dies als seine Errungenschaft zu präsentieren.

Akufo-Addo zielt noch weiter. Ende September gab die Regierung bekannt, dass mittlerweile vier von fünf weiterführenden Schulen in Ghana – insgesamt gibt es 722 – mit kostenfreiem WLAN ausgestattet sind. Für die Umsetzung des mehr als 11 Millionen US-Dollar teuren Projekts sind die ghanaischen Elektrizitätswerke verantwortlich. „Eine wichtige Initiative“, sagt Issac Jay Hyde, Präsident der nationalen Stu­den­t*in­nen­union NUGS. „Wir gehen davon aus, dass im kommenden Jahr jede Schule vernetzt ist.“

Das klingt modern und fortschrittlich. Hyde, der Management, Jura und Kommunikationswissenschaften studiert, gibt aber zu: Die Unterschiede zwischen dem Norden und Süden des Landes seien enorm. Accra ist gut vernetzt, international und teuer. An der Grenze zu Burkina Faso, 600 Kilometer nördlich, findet hingegen sogar Informatikunterricht ohne Computer, Bildschirme und Tastaturen statt, die Leh­re­r*in­nen malen Mäuse und Drucker mit Kreide an die Tafel, berichtet Hyde – aber alle schreiben am Ende die gleichen Prüfungen.

Isaac Jay Hyde, Präsident der Nationalen Stundentenunion NUGS Foto: Katrin Gänsler

Man muss nicht in den Norden fahren, um zu sehen, dass Ghanas Modernisierung nicht alle erreicht. In Ashaiman östlich von Accra ist keine Straße geteert. Migrant*innen aus dem ganzen Land sowie den Nachbarstaaten leben in kleinen Häusern dicht beieinander. Ihnen gelingt es nicht, in Accra Fuß zu fassen. Es bleibt nur, sich hier vor den Toren der Metropole mit dem Verkauf von Obst und pappigem Weißbrot durchzuschlagen. An den Kreuzung stehen Kinder, die eigentlich lernen sollten, aber Geld verdienen müssen. Vom verbesserten Bildungssystem profitieren sie nicht.

Issac Jay Hyde bewertet die Regierung Akufo-Addo auf einer Skala von eins bis zehn daher lediglich mit der Note 7,5. Das Streben nach mehr Ausbildung sei zwar löblich. Doch dann müssen auch Jobs für die Schul- und Studienabgänger geschaffen werden. „Es geht nicht einmal darum, eine ordentliche Arbeit zu finden, sondern darum, überhaupt etwas zu haben und vor den Eltern nicht als Versager dazustehen. Viele meiner Freunde sind ständig auf der Suche und pumpen wiederum Freunde und Familie an.“

Laut einer Untersuchung der University of Ghana in Accra aus dem Jahr 2017 fand nur jede*r Zehnte im ersten Jahr nach der Ausbildung eine Arbeit. Mitunter kann es bis zu zehn Jahren dauern, um eine geregelte Anstellung zu finden. Daran ändert auch die wachsende Start-up-Szene nichts.

Das treibt den Wunsch an, nach Europa oder in die USA zu ziehen und einen Job zu finden. Uber-Fahrer sprechen darüber wie auch eine Kassiererin im Supermarkt. „Ins Vereinigte Königreich, das wäre etwas“, seufzt sie. „Dann könnte ich Geld nach Hause schicken.“

Minuspunkt: zu wenig Arbeitsplätze

Alarm schlug Ende September die Weltbank. In einem neuen Bericht heißt es, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Ghana bei 12 Prozent liegt, darüber hinaus sind mehr als 50 Prozent nur geringfügig beschäftigt. Beide Zahlen liegen über dem Durchschnitt in Afrika südlich der Sahara. Bis heute lebt knapp jede*r Dritte in Ghana unterhalb der Armutsgrenze, hat also weniger als 1,9 US-Dollar täglich zur Verfügung.

Derweil werden in East Legon, Osu oder der Airport Residential Area immer neue Gebäude hochgezogen, die nur für eine kleine Bevölkerungsschicht erschwinglich sind.

In East Legon verweist Freddie Blay auf das Regierungsvorhaben 1D1F. In jedem der 216 Bezirke Ghanas soll eine Fabrik entstehen. Es klingt nach Planwirtschaft. Der NPP-Vorsitzende setzt jedoch auf die Privatwirtschaft. Der Staat könne nur unterstützen, beispielsweise durch Bedingungen bei der Kreditvergabe. Auf der Homepage werden 28 neue und 48 bestehende Fabriken gezählt. Wie viel Jobs damit geschaffen worden sind, lässt sich nicht sagen.

Als Hindernis gilt auch Korruption. Angeheizt wurde die Debatte darüber, als Anfang November Martin Amidu, der Sonderbeauftragte der Regierung zur Korruptionsbekämpfung, zurücktrat, weil die Regierung seine Arbeit beeinflussen wolle, wie der Oppositionspolitiker sagte. „Es ist ein Thema des Wahlkampfs geworden“, gibt Blay zu. Aber: „Der NDC macht viel Lärm, um uns zu schwächen. Dabei gibt es überall Korruption. In Nigeria ist sie schlimmer als hier.“

Franklin Cudjoe, Gründer von Imani, einem Zentrum für Politik und Bildung, nennt die wirtschaftliche Entwicklung kurzsichtig. „Wir verschwenden unsere Ressourcen“, kritisiert er. Obwohl in Wirtschaft und Ausbildung investiert wird und Ghana als funktionierende Demokratie gilt, würden große Teile der Bevölkerung arm bleiben. „Die letzten dreieinhalb Jahre sind ein echter Rückschritt.“

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