Gewerkschaftlerin zum Klinikstreik: „Der Druck ist jetzt erheblich“
Wenn sich Vivantes nicht bewegt, könnten Pflegekräfte zur Charité abwandern, warnt Meike Jäger von Verdi Berlin. Jetzt wird weiterverhandelt.
taz: Frau Jäger, einer der härtesten Arbeitskämpfe im deutschen Gesundheitswesen dauert nun schon länger als einen Monat. Am Samstag waren wieder bis zu 4.500 Berliner Beschäftigte von Charité und Vivantes und ihre Unterstützer:innen auf der Straße. Zumindest bei der Charité gab es aber Ende vergangener Woche einen Durchbruch.
Meike Jäger: Das ist mehr als ein Durchbruch bei der Charité. Das Eckpunktepapier, auf das wir uns geeinigt haben, ist ein großer Erfolg und besser als das, was bisher in anderen Krankenhäusern bundesweit abgeschlossen worden ist. Das war unser Ziel, und wir haben es geschafft. Das muss natürlich noch in einen Tariftext gegossen werden.
leitet bei Verdi Berlin-Brandenburg den Fachbereich Gesundheit, soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen.
Bei der Charité haben Sie sich auf einen Mindestpersonalschlüssel für fast alle Krankenhausbereiche, mehr Ausbildungsqualität und einen Freizeitausgleich bei Schichten in Unterbesetzung verständigt. Warum klappte das bisher bei Vivantes nicht?
Ich denke, dass die Charité die Chancen in so einer Regelung sieht und glaubt, sich dadurch von den anderen Krankenhäusern in Berlin und bundesweit absetzen zu können. Und damit auch dringend benötigtes, neues Personal gewinnen zu können.
Die Charité steht aber auch finanziell besser da als Vivantes und kann sich die Neuregelung eher leisten, oder?
Ob die Charité, bezogen auf den reinen Krankenhausbereich, finanziell besser ausgestattet ist, das würde ich infrage stellen. Aber bei der Charité ist es aufgrund ihrer rechtlichen Struktur so, dass das Land Berlin Defizite ausgleichen muss. Vivantes als GmbH wiederum ist angehalten, möglichst schwarze Zahlen zu schreiben. Für das Land Berlin scheint es rechtlich schwieriger zu sein, mögliche Defizite zu übernehmen.
Aber das Verhandlungsziel ist das Gleiche bei Vivantes?
Natürlich. Und der Druck ist jetzt erheblich. Die Beschäftigten in den Gesundheitsberufen kennen sich durch die vergangenen Monate gemeinsamen Kampfes ganz gut in beiden Unternehmen. Wenn Vivantes jetzt nicht zu einem guten Ergebnis kommt, das sich auf dem Niveau der Charité bewegt, dann läuft das Unternehmen Gefahr, einen Haufen Mitarbeiter an die Charité zu verlieren. Ich hoffe, das ist Vivantes jetzt endlich auch klar geworden, und wird ganz schnell zu einem guten Ergebnis kommen. Die Kolleginnen und Kollegen sind jedenfalls ungeduldig und warten darauf.
Am Montag gehen die Verhandlungen mit Vivantes auch direkt weiter. Wie sieht es bei den Vivantes-Töchtern aus – da kämpfen die Beschäftigten der Reinigung, Essensausgabe, aber auch Therapeut:innen und medizinische Assistent:innen um eine Bezahlung nach Tarif.
Wir haben ganz klare Beschlüsse des Abgeordnetenhauses, dass die Kolleginnen und Kollegen auf jeden Fall in die Tarifbindung müssen. Dafür wollen wir eine klare Perspektive mit einem Stufenplan hin zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Es liegt ein Angebot von der Arbeitgeberseite auf dem Tisch, und auch wir haben unsere Forderungen noch mal konkretisiert. Am Mittwoch werden wir die Verhandlungen unter der Moderation von Matthias Platzeck fortsetzen.
Glauben Sie, dass die erkämpften Neuregelungen auch in Sachen Personalmangel etwas bringen? Der verschärft sich doch noch durch Mindestbesetzungen und Freizeitausgleiche.
Wenn wir insgesamt im Gesundheitssystem die Rahmenbedingungen verbessern, dann sind wir voll überzeugt davon, dass mehr Kolleginnen und Kollegen zurückkommen in den Beruf, den sie nur aus Selbstschutz verlassen haben, und auch viele aus der Teilzeit wieder in die Vollzeit gehen. Und wenn auch die Auszubildenden nach ihrer Ausbildung nicht frustriert eine neue Ausbildung anfangen, sondern im Beruf verbleiben, dann wird das sicher schon einiges an Veränderung bringen.
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