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Gewalt und Protest im KongoKriegsrecht soll Frieden bringen

Präsident Tshisekedi hat im Osten Kongos das Kriegsrecht ausgerufen. Dort protestieren die Menschen seit Monaten gegen zunehmende Gewalt.

Umstrittene Blauhelmsoldaten in Goma: Der Protest richtet sich auch gegen sie Foto: Olivia Acland/reuters

Berlin taz | Um der Unsicherheit im Osten der Demokratischen Republik Kongo und den immer heftigeren Protesten der Bevölkerung dagegen beizukommen, greift die Regierung des Landes zu drastischen Maßnahmen. Präsident Félix Tshisekedi kündigte am Freitagabend die Verhängung des Kriegsrechts über zwei Provinzen an.

„Der Präsident der Republik hat das Kabinett über seinen Beschluss informiert, gemäß Artikel 85 der Verfassung das Kriegsrecht in den Provinzen Nord-Kivu und Ituri auszurufen“, erklärte Regierungssprecher Patrick Muyaya am Freitag im Anschluss an die erste Sitzung des neuen Regierungskabinetts von Premierminister Sama Lukonde. „Eine Präsidialordonnanz wird in den nächsten Stunden veröffentlicht.“

Artikel 85 der Verfassung beinhaltet die Verhängung des Kriegsrechts durch den Präsidenten, „wenn schwerwiegende Umstände in unmittelbarer Weise die Unabhängigkeit oder territoriale Integrität der Nation bedrohen“. Näheres regelt ein Gesetz.

Zwei Tage nach Tshisekedis Ankündigung liegt keinerlei Gesetz oder sonstige Anordnung vor, und so blühen die Spekulationen, was der Präsident gemeint haben könnte. „Das Ziel ist, der Unsicherheit, die täglich unsere Landsleute in diesem Landesteil dezimiert, rasch ein Ende zu setzen“, heißt es im Protokoll der Kabinettssitzung vom Freitag.

Premierminister Lukonde hatte am Montag im Parlament einen „Sicherheitsnotstand“ angekündigt, der „vor allem die Ersetzung der zivilen Verwaltung durch eine militärische“ beinhalten könnte. Kongolesische Medien listeten am Wochenende weitere Schritte auf: Ersetzung der zivilen Justiz durch eine Militärgerichtsbarkeit, weitgehende Einschränkung der Bürgerrechte.

Geschichte der Gewalt

Gewalt herrscht im Ostkongo, wo der Staat kaum präsent ist und jede ethnische Gruppe sich selbst verteidigt, seit Jahrzehnten. Im Laufe des Jahres 2020 war sie infolge der Covid-19-Pandemie sowie des Machtkampfes zwischen Präsident Tshisekedi und seinem Vorgänger Joseph Kabila neu aufgeblüht. Kongo zählt mittlerweile über 5,5 Millionen Binnenvertriebene, die Hälfte davon allein in Nord-Kivu und Ituri. Experten zählen in Ostkongo 122 bewaffnete Gruppen, die teils ganze Dörfer auslöschen.

Das treibt die Menschen vor allem in den großen Städten Nord-Kivus seit zwei Monaten auf die Straßen. Sie fordern ein effektiveres Vorgehen gegen Gewaltakteure und den Abzug der UN-Mission im Kongo (Monusco). Ein Generalstreik im April verebbte nach blutigen ethnischen Unruhen in der Provinzhauptstadt Goma. Es folgten aber neue Protestmärsche in der Stadt Beni im Norden der Provinz, wo ganze Schülergruppen tagelang das Rathaus belagerten. Am Freitag wurden diese Jugendproteste von der Polizei gewaltsam aufgelöst, wobei ein Schüler zu Tode kam.

Das wird die Bevölkerung in die Revolte treiben

Joseph T’hata, Jurist

Ob da Sonderrechte für die Sicherheitskräfte Frieden bringen, bezweifeln viele. Die beiden wichtigsten bewaffneten Gruppen – die ursprünglich ugandische ADF (Allied Democratic Forces) und die mit ruandischen Hutu-Kämpfern vernetzte kongolesische Hutu-Miliz Nyatura – unterhalten beide langjährige Kontakte zu hohen Generälen in Kongos Armee.

Der jüngste UN-Monatsbericht zur Menschenrechtslage in Kongo für den Monat März nennt die Armee als Haupttäter von Menschenrechtsverletzungen in Kongos Konfliktgebieten, mit einer Zunahme von 127 Prozent gegenüber dem Vormonat, darunter 37 außergerichtliche Hinrichtungen.

Das werde mit Kriegsrecht nur schlimmer, fürchten Menschenrechtsgruppen. „In Beni wurden unbewaffnete Kinder mit Gewalt unterdrückt, es gab viele Verletzte und Festgenommene – stellen Sie sich da ein Kriegsrecht vor“, sagte Batundi Hangi vom Dachverband zivilgesellschaftlicher Gruppen in Goma.

Sollte das Militär regieren und sich zugleich weiter durch den Verkauf von Waffen an bewaffnete Gruppen finanzieren, „wird das die Bevölkerung in die Revolte treiben“, schrieb der Jurist Joseph T’hata. Die Bürgerrechtsgruppe La Lucha (Kampf für den Wandel) erklärte, das Kriegsrecht sei ein „kosmetischer“ Schritt, der die Dinge eher verschlimmere.

Das Wochenende scheint dies zu bestätigen: 12 Menschen wurden bei ADF-Angriffen um Beni getötet, der Imam der Stadt wurde am Samstagabend in seiner Moschee beim Gebet zum Fastenbrechen erschossen.

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