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Gewalt in JerusalemTote bei Anschlag auf Synagoge

Vier orthodoxe Gläubige starben bei einem Angriff zweier Palästinenser auf ein Gotteshaus. Die Attentäter wurden erschossen. Netanjahu will mit „harter Hand" reagieren.

Israelische Sicherheitskräfte rennen in Richtung Schauplatz des Attentats im Jerusalemer Stadtteil Har Nof. Bild: reuters

JERUSALEM afp/dpa | Bei einem Anschlag auf eine Synagoge in Jerusalem sind am Dienstag mindestens vier Gläubige getötet worden. Wie eine israelische Polizeisprecherin mitteilte, wurden die betenden Juden im Stadtteil Har Nof mit einer Axt und einer Pistole attackiert. Die beiden palästinensischen Angreifer seien von der Polizei erschossen worden. Es handelt sich um den blutigsten Anschlag in Jerusalem seit Jahren.

Sechs weitere Menschen, unter ihnen zwei Polizisten, seien verletzt worden, sagte die Polizeisprecherin. Die Attacke ereignete sich demnach während des Morgengebets. „Ich hörte Schüsse, einer der Betenden rannte blutüberströmt heraus und schrie 'Das ist ein Massaker'“, sagte ein Augenzeuge im Radio. Har Nof ist ein ultraorthodoxes Stadtviertel im Nordwesten Jerusalems.

Palästinensische Medien berichteten am Dienstag, bei den Attentätern handele sich um Udai Abu Dschamal (22) und Ghassan Abu Dschamal (27). Die Cousins, die bei einem Feuergefecht mit der Polizei getötet wurden, kämen aus dem Viertel Dschabal al-Mukaber in Ost-Jerusalem.

Die radikalislamischen Organisationen Hamas und Islamischer Dschihad bezeichneten den Anschlag auf die Synagoge als Vergeltung für den Tod eines palästinensischen Busfahrers, dessen Leiche am Sonntagabend in Ost-Jerusalem entdeckt worden war. Hamas-Sprecher Muschir al-Masri sprach am Dienstag in Gaza von einer „natürlichen Reaktion“. Während Polizei und Gerichtsmediziner von einem Suizid des Busfahrers ausgehen, berichteten ein Kollege und ein Bruder des Mannes von Gewaltspuren, die auf einen Mord hindeuteten.

Netanjahu macht Abbas mitverantwortlich

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat inzwischen Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vorgeworfen, für den blutigen Anschlag in Jerusalem mitverantwortlich zu sein. Der Angriff in Har Nof sei „das direkte Ergebnis der Hetze von Hamas und Abu Masen (Abbas), die von der internationalen Gemeinschaft auf unverantwortliche Weise ignoriert wird“, teilte Netanjahu am Dienstag mit.

„Wir werden mit harter Hand auf den grausamen Mord an Juden reagieren, die beten wollten und die von heimtückischen Mördern getötet wurden“, sagte er. Netanjahu berief für den Mittag eine Sicherheitsberatung ein.

Die Lage in Nahost hatte sich in den vergangenen Wochen zugespitzt, insbesondere in Ostjerusalem und am Tempelberg. Anlass waren Bestrebungen ultranationalistischer Juden, sich ein Gebetsrecht vor der Al-Aksa-Moschee zu erstreiten. Wegen der Auseinandersetzungen war das Tempelberg-Areal Ende Oktober erstmals seit Jahren vollständig abgeriegelt worden.

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9 Kommentare

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  • im nahen osten wird es nie frieden geben. israel ist ein vorposten angloamerikanischer machtinteressen an einem rohstoffreichen fleck der erde. erst wenn die rohstoffe in dieser region zu ende gehen, kehrt frieden ein. das völkerrechtswidrige vorgehen israels, die gegen das völkerrecht verstoßende siedlungspolitik israels mit duldung seiner allies führt immer wieder zu spannungen und auseinandersetzungen. dies wiederum ruft den ("berechtigten") selbstverteidigungsmechanismus israels auf den plan. dies hat wiederum unzählige unschuldige zivilisten zur folge. sogen. colaterals. ein perpetuum mobile des grauens.

  • Vor vier Tagen bin ich aus Israel zurückgekommen. Die Reisegruppe hat in ganz Israel Gespräche mit Israelis, Drüsen, Berbern und Palästinensern geführt. Ausserdem haben wir Flüchtlingslager, Friedensaktivisten und internationale Beobachter kennengelernt. In den Gemeinschaftsschulen gibt es einen gleichberechtigten Unterricht mit Christen, Juden und Muslimen, die auf der Anerkennung der verschiedenen Kulturen beruhen. Doch diese Aktivitäten werden immer mehr von der Gewalt auf beiden Seiten überschattet. Statt "Wandel durch Annäherung" werden immer mehr Mauern zwischen den Gesellschaftsschichten aufgerichtet. Die tatsächlichen Mauern in Bethlehem und Hebron erinnern sehr an die Berliner Mauer, die vor 25 Jahren gefallen ist. Für die meisten aufgeklärten Israelis und Palästinenser war der 9. November ein Tag der Hoffnung. Auch für sie.

    • @Johannes Spark:

      Damit es einen Wandel durch Annäherung geben kann, bräuchte es erstmal eine lange Phase der Gewalt- und Provokationsfreiheit (betrifft Raketenangriffe, Siedlungsbau, Anschläge in gleicher Weise). Da dies aber unrealistisch ist, ist eine Mauer zum Schutz vielleicht die bessere Wahl. Zumindeste solange, bis sich die Wogen deutlich geglättet haben.

  • D
    D.J.

    Selbsverständlich werden bald die ersten auf das Goldstein-Massaker in Hebron 1994 hinweisen. Schon mal für die"alles-doch-dasselbe"-Schwätzer gesagt: Massaker ist Massaker, doch es sagt viel über den Zustand einer Gesellschaft aus, ob es hinterher von einem beträchtlichen Teil der Gesellschaft gefeiert wird oder nicht.

    • @D.J.:

      wie steht es denn in bezug auf das jüngste gaza-massaker um die auf facebook und vor ort bei bombeneinschlägen feiernde israelische mehrheit?

      • D
        D.J.
        @Tim:

        Wer die gezielte Ermordung von Zivilisten gleichsetzt mit den Gaza- Angriffen, bei denen die Bewohner der anvisierten Häuser (Waffenlager, Abschussrampen) telefonisch vorgewarnt worden sind, hat offenbar von den letzten Jahrhunderten Zivilisationsgeschichte nicht viel mitbekommen. Übrigens unterscheidet selbst das schariatische Kriegsrecht zwischen absichtlichem und unabsichtlichem Zielen auf Nichtkombatanten. Sie nicht?

        • D
          D.J.
          @D.J.:

          Alles klar, hatte vergessen, wer Sie sind: unser strammer AKP-Fan. Eine sachliche Betrachtung darf ich da nicht verlangen.

  • Die Gewaltzunahme auf Seiten der Palästinenser ist nicht zuletzt Herrn Abbas geschuldet, der mit vielen unversöhnlichen Hassreden die Gewalt anstachelt und auf Hamas-Kuschelkurs zu gehen scheint. Letzten Endes muss ich "DerKommentator" Recht geben. Da der Konflikt in erster Linie kulturell-religiös bedingt ist, hilft nur eine scharfe Trennung beider Volksgruppen. Jerusalem sollte säkularisiert werden. Juden, Moslems und Christen dürften hier nicht mehr ihren religiösen Aktivitäten nachgehen, wie auch überhaupt Religion - egal in welcher Form - nur noch in den eigenen 4 Wänden praktiziert werden sollte.

  • Man bekommt das Gefühl, dass dieser Konflikt wirklich ewig weitergeht. Vielleicht sollte man versuchen, eine Lösung zu finden, bei der man die Volksgruppen komplett trennt: Mauer in der Mitte, Araber rechts, Juden links und wer umziehen muss, der wird durch eine neue Wohnung entschädigt. Zum Tempelberg baut man einen Tunnel oder man zerlegt die Moschee darauf in Stücke, und baut sie an anderer Stelle wieder auf.

     

    Zu radikal? Vielleicht, aber die jetzige Situation andauernder Gewalt und Gegengewalt ist auch nicht überzeugend.