Gewalt im Kongo: Operation "Neue Sonne"

In Deutschland hat der Kriegsverbrecherprozess gegen die Führung der ruandischen FDLR-Miliz begonnen. Im Kongo verstärken deren Truppen nun ihre Angriffe.

Der Kriegsverbrecherprozess in Stuttgart. Bild: ap

BERLIN taz | Mashako Mamba war am vergangenen Samstag nachmittag in einem Autokonvoi in der ostkongolesischen Krisenprovinz Nord-Kivu unterwegs, als die Angreifer zuschlugen. Der Minister für Höhere Bildung der Demokratischen Republik kam mit dem Leben davon, aber sein Fahrer und ein Leibwächter starben im Kugelhagel am Rand des Dorfes Katweguru nördlich der Provinzhauptstadt Goma.

Es sei ein Angriff der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) gewesen, erklärte am Wochenende die kongolesische Regierung: der erste der aus Ruandas Völkermordmilizen hervorgegangenen FDLR gegen ein kongolesisches Regierungsmitglied.

Seit am 4. Mai in Deutschland der Kriegsverbrecherprozess gegen FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und seinen Stellvertreter Straton Musoni begann, vergeht kaum ein Tag, ohne dass der UN-Rundfunk im Kongo und kongolesische Medien neue blutige Überfälle der Miliz auf Dörfer oder zivile Transporte im Osten Kongos vermelden.

Die Häufigkeit der Angriffe erinnert an die schlimmsten Zeiten des Frühjahrs 2009, aus denen die meisten der den Angeklagten zur Last gelegten FDLR-Kriegsverbrechen stammen. In der Nacht zum 3. Mai starben sechs Fischer bei einem FDLR-Angriff auf das Dorf Umura, mit Macheten zerhackt. In der folgenden Nacht töteten die Milizen im nahen Dorf Kazunga zwei weitere Personen.

Am 4. Mai rückten FDLR-Einheiten in Kiwanja ein, ein mehrere tausend Einwohner zählender Vorort der Distrikthauptstadt Rutshuru, plünderten Geschäfte und lieferten sich ein Feuergefecht mit der Armee.

"Neue Sonne"

Auch in der Provinz Süd-Kivu kommt es regelmäßig zu Überfällen, bei denen die FDLR auch Zivilisten verschleppt. "Dabei hatte man mit dem Prozess gegen ihre Führer, der derzeit in Deutschland stattfindet, an einen Hoffnungsschimmer für diese Region gedacht", schrieb Kinshasas führende Tageszeitung Le Potentiel am Montag.

Ob es einen Zusammenhang zwischen dem Prozess in Stuttgart und der Gewalteskalation im Ostkongo gibt, bleibt offen. Wohl aber reagiert die FDLR mit ihren neuen Angriffen auf eine Militäroperation der kongolesischen Armee und der UN-Mission im Kongo (Monusco) gegen ihre Stellungen in den ostkongolesischen Kivu-Provinzen, die nach Monusco-Angaben am 3. Mai unter dem Titel "Jua Mupia" (Neue Sonne) lanciert wurde und am 4. Mai begann. Schon vergangene Terrorfeldzüge der FDLR im Ostkongo waren Racheaktionen für derartige gemeinsame Militäraktionen, deren Erfolge sich in engen Grenzen hielten.

Diesmal dürfte die "Neue Sonne" gar nicht erst aufgehen. Denn ausgerechnet vor "Jua Mupia" hat Kongos Regierung große Teile der im Ostkongo stationierten Armeeeinheiten zur Fortbildung abgezogen und durch frisch eingezogene Buschmilizionäre oder schlecht ausgerüstete Polizisten ersetzt, die der FDLR nichts entgegenzusetzen haben.

Die Armee abziehen und eine Offensive ankündigen, während der Prozessbeginn in Deutschland den Gegner zusätzlich reizt - eine kontraproduktivere Strategie gegen eine brutale Miliz ist kaum denkbar.

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