Gewalt im Amazonasgebiet: Goldgräber attackieren Indigene

In Brasilien haben Landräuber das Dorf der bekannten Aktivistin Maria Leusa überfallen. Seit Wochen nimmt die Gewalt gegen Ureinwohner zu.

Kinder vom indigenen Volk der Munduruku protestieren mit Gesichtsmasken

Kinder vom Volk der Munduruku protestieren im April gegen Bergbauvorhaben in indigenen Gebieten Foto: Ueslei Marcelino/reuters

BERLIN taz | „Helft uns bitte“, sagt die Stimme in der Sprachnachricht. „Sie werden mein Haus anzünden. Sie schießen, helft uns bitte.“ Danach bricht die Verbindung ab. Die Stimme gehört der indigenen Aktivistin Maria Leusa vom Volk der Munduruku in Brasiliens nördlichem Bundesstaat Pará.

Am Mittwoch drangen illegale Goldgräber in deren Siedlungsgebiet ein, feuerten Schüsse ab und setzen Häuser in Brand. Das Dorf am Ufer des Tapajós-Flusses musste evakuiert werden. Weil sich die Aktivistin Leusa seit Jahren gegen Bergbauprojekte in Amazonien wehrt, erhält sie Morddrohungen. Bei dem Brand verlor die Mutter von drei Kinder ihr komplettes Hab und Gut.

Ob es Verletzte oder Tote gab, ist noch unklar. Die Kommunikation in den abgelegenen Gebieten im brasilianischen Regenwald gestaltet sich schwierig, auch weil die Eindringlinge die Radio- und Internetverbindung kappten. Laut Sprachnachrichten, die der taz vorliegen, drohen die Landräuber mit weiteren Angriffen und damit, „alles in Brand zu setzen“.

Die Gewalt gegen indigene Gemeinden ist in den letzten Wochen eskaliert. So kam es erst vor Kurzem zu tagelangen bewaffneten Auseinandersetzungen auf dem Gebiet der Yanomami, dem größten indigenen Volk Amazoniens. Es soll Tote und Verletzte gegeben haben. Ein Richter des obersten Gerichtshofs forderte daraufhin die brasilianische Regierung auf, alles zu tun, um die Sicherheit der Yanomami und Munduruku zu garantieren. Weitere Polizisten und Militärs wurden in ihren Gebieten stationiert.

Dies soll die jüngste Eskalation ausgelöst haben. Der Angriff auf das Dorf der Munduruku wird als Reaktion auf eine Operation der Bundespolizei betrachtet, die zum Ziel hatte, illegalen Bergbau zu unterbinden. Die Goldgräber gehen immer aggressiver vor und versuchten am Mittwoch sogar, eine Polizeiwache zu überfallen, damit die Beamten den Indigenen nicht zur Hilfe kommen konnten.

Bolsonaro will Bergbau legalisieren

Bei den Eindringlingen handelt es sich meist selbst um Indigene. „Sie werden bezahlt, um diese Angriffe durchzuführen“, sagt Verena Glass von der Bewegung Xingu Vivo der taz. „Doch dahinter stehen sehr reiche, weiße Unternehmer, die die Region wirtschaftlich ausbeuten wollen.“

Diese haben prominente Unterstützung: Die Regierung von Präsident Jair Bolsonaro. Schon lange kämpft sie dafür, den Bergbau in indigenen Gebieten zu legalisieren. Ende April hatte Bolsonaro in einem Live-Video erklärt, bald eine illegale Goldmine in Amazonien besuchen zu wollen: „Wir werden dort niemand verhaften.“

Auch Umweltminister Ricardo Salles steht im Fokus. Erst in der vergangenen Woche durchsuchte die Bundespolizei seine Wohnung und Büros. Salles steht im Verdacht, in den illegalen Holzhandel verwickelt zu sein. Vor wenigen Tagen trafen sich Salles und Vizepräsident Hamilton Mourão mit Unternehmern, die mit Angriffen auf indigene Gemeinden in Verbindung stehen sollen.

Ein weiteres Problem: Die Regierung baut systematisch Umweltschutzbehörden ab. „In den Führungspositionen der Umweltbehörde Ibama sitzen nur noch Militärpolizisten aus São Paulo – der Heimat von Minister Salles“, sagte Elisabeth Uema, Vorsitzende der Umweltorganisation Ascema Nacional, der taz. Bis 2018 arbeitete Uema selbst für die Ibama. Die neue Führung hätte keinerlei Kompetenz und sei auf Regierungslinie.

„Bolsonaro wollte eigentlich das Umweltministerium abschaffen, war damit aber nicht erfolgreich. Deshalb sucht er nach Wegen, um die wirtschaftliche Ausbeutung Amazoniens voranzutreiben – mit dramatischen Auswirkungen für die Umwelt und indigene Gemeinden.“

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