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Gewalt gegen PresseJour­na­lis­t*in­nen müssen besser geschützt werden

Immer mehr Hass und Gewalt, immer weniger Kolleg*innen: Lokaljournalismus wird zur Gefahrenzone – doch niemand möchte für besseren Schutz zahlen.

Immer öfter werden Jour­na­lis­t*in­nen bedrängt, angepöbelt und angegriffen Foto: imago

V or einer Woche kam die Untersuchung „Feindbild Jour­na­lis­t:in 9 – Pressefreiheit im Spannungsfeld gesellschaftlicher Krisen“ heraus. Dahinter steckt das European Center for Press and Media Freedom (ECPMF), das zwar international heißt, aber in Leipzig sitzt und sich auch mit der Lage von Journalismus und Jour­na­lis­t*in­nen hierzulande beschäftigt.

Bekannt ist das ECPMF auch dafür, dass es in seiner „Feindbild“-Studie immer etwas andere Zahlen als Reporter ohne Grenzen in der „Nahaufnahme Deutschland“ hat. Dem liegen verschiedene Kriterien zugrunde, wie An- und Übergriffe bewertet werden.

Auch wenn auf den Unterschieden oft herumgeritten wird, zeigt bei beiden Organisationen die Zahl der Fälle steil nach oben. „Sind die Medien bescheuert, auf den Zahlen rumzureiten, statt für die eigentliche Problematik zu sensibilisieren?“

Die jüngste „Feindbild“-Ausgabe geht besonders auf die Lage im Lokaljournalismus ein und vertieft das in 15 Interviews mit Lo­kal­jour­na­lis­t*in­nen aus Sachsen und Thüringen. Wer jetzt moppert, das seien nicht gerade viele, hat zahlenmäßig recht. Aber die Beispiele der überwiegend aus Sachsen stammenden Befragten lassen sich verallgemeinern. Nicht nur im Osten.

Sie zeigen leider, wie sehr der Lokaljournalismus deutschlandweit auf den Hund gekommen ist. Von „in jedem Dorf ein Köter“ kann längst nicht mehr die Rede sein. Fast alle sind im Vergleich zu früher schlechter besetzt.

Finanzielles Problem

Dabei werden die abzudeckenden „lokalen“ Gebiete der einzelnen Redaktionen immer größer. Zwar konstatiert das ECPMF, dass Redaktionsleitungen und Chefredaktionen auf Gewalt und allfällige Beleidigungen und Diffamierungen ihrer Mitarbeitenden entschiedener reagieren.

Doch das nutzt halt nichts, wenn die Chefetage die Devise ausgibt, „ihr geht da nur noch zu zweit hin“, es in der Redaktion aber nur noch eineN gibt. Oder wegen solcher „Doppelbesetzungen“ andere wichtige Themen nicht mehr gemacht werden können.

Gebraucht werden Sicherheitsmaßnahmen, entsprechendes Personal, Schulungen im Umgang mit Gewalt, Supervisionen und Angebote für Betroffene. Das alles gibt es nicht umsonst und ist so für viele klamme Lokalredaktionen ein weiteres Problem.

Gerade hier müsste eine sinnvolle Förderung ansetzen. Schließlich besteht Einigkeit darüber, dass funktionierender Lokaljournalismus für die Gesellschaft unverzichtbar ist. Sie muss dafür einen Beitrag leisten und die Kosten für solche Maßnahmen bezahlen.

Das wäre übrigens passenderweise eine Form von „Presseförderung“, die keinen Einfluss auf die journalistische Arbeit nimmt. Sondern die nur absichert, dass sie überhaupt stattfinden kann. „Und dass deutschlandweit der Journalismus von der Gesellschaft akzeptiert wird und dafür niemand auf die Mütze kriegt“, sagt die Mitbewohnerin.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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3 Kommentare

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  • Übrigens: Der Gedanke drängt sich auf, dass auch der „Medienjournalist“ Steffen Grimberg das Gefühl hat, seine Kollegen und er würden so langsam „vom Jäger zur Beute“. Ich frage mich nun, was ein Religionsunterricht bringt, der bestimmte Zusammenhänge offenbar nicht vermitteln kann.

    Ich selber bin zwar weder katholisch noch evangelisch, aber immerhin weiß ich, was bei Matthäus 26,52 steht. „… denn alle“, steht da, „die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.“ Amen.

    Manche Männer halten sich noch immer für geborene Steinzeit-Jäger, denen eine höhere Macht eine lebenslange Sieger-Garantie gegeben hat. Warum, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass Menschen keine Hasen oder Hirsche sind. Männer, die sich mit Männern anlegen, müssen damit rechnen, dass ihre Gegner ähnlich ticken wie sie selber.

    Keine Garantie also. Für gar nichts. Leider glauben die selbsternannten Jäger, dass sie keine echten Männer sind, wenn sie das Jagen ihresgleichen bleiben lassen. Nun denn: Was muss, das muss. Nur: Jammert nicht, Jungs, wenn ihr feststellt, dass ihr die Seite gewechselt habt. Mit Nicht-Jägern kommen wir Frauen inzwischen ziemlich gut klar. Mit Jammerlappen immer noch eher nicht so.

  • Auf keinen Fall sollte es eine wie auch immer geartete staatliche Förderung für freie Medien geben. Da es scheinbar den Medienschaffenden partout nicht gelingen will ein tragbares wirtschaftliches Konzept zu entwickeln, gibt es ja jetzt schon seit Jahren immer wieder diese Rufe nach einer Art GEZ-Abgabe für alle Medien. Wenn der Journalismus deutschlandweit und dabei besonders hier im Osten wieder akzeptiert werden möchte, empfehle ich dagegen weniger Auftreten als offizielles Berliner Verkündungsorgan und eine Rückbesinnung auf die eigentliche Kernaufgabe. Traditionell liegt die Hauptaufgabe der Medien für mich in der Kritik an den Herrschenden und damit als Korrektiv. Inzwischen habe ich bei den meisten Presseerzeugnissen in diesem Land aber den genau entgegengesetzten Eindruck. Moralinsaure Elaborate wie die akademische Oberschicht gern die normale Bevölkerung die Hacken zusammenschlagen sehen möchte, stehen eben nicht besonders hoch im Kurs derzeit. Das wird durch eine weitere Zwangsabgabe aber auch nicht besser werden.

  • „Gebraucht werden Sicherheitsmaßnahmen, entsprechendes Personal, Schulungen im Umgang mit Gewalt, Supervisionen und Angebote für Betroffene. Das alles gibt es nicht umsonst und ist so für viele klamme Lokalredaktionen ein weiteres Problem.“

    Soso. Was sie brauchen, um die Folgen ihrer jahrzehntelanger (Kriegs-)„Berichterstattung“ a la Bild abzufedern, wissen Journalisten ganz genau. Was sie bisher verkehrt gemacht haben, wissen sie leider nicht. Sie wollen auch gar nicht drüber nachdenken. Denn jetzt brauchen sie ja all ihre intellektuellen Kapazitäten um sich zu überlegen, wer den Schutz einer Institution bezahlen soll, die sich im Namen des Wettbewerbssieges selbst fast schon überflüssig gemacht hat.

    Merke, liebe:r Journalist:in: Solidarität lässt sich nicht erzwingen. Wer Macht hat (genauer: hatte), merkt das nur meistens viel zu spät. Dann nämlich, wenn ihm die, die ihm einst Macht verliehen haben, es plötzlich nicht mehr tun. Weil nun auch sie der Ansicht sind, dass nehmen und siegen besser ist als geben und dabei verlieren.

    So weit, so klar. Es tut mir nur Leid um all die, die längst „ausgemustert“ wurden, weil sie den Möchtegern-Siegern im Weg waren.

    Als wären „die Medien