Gewalt gegen Polizisten: Attacke Flowerpower
Die linke Politikaktivistin Anke Domscheit-Berg soll mit einem Blumenstrauß PolizistInnen attackiert haben. Nun wehrt sie sich vor Gericht.
Körperverletzung mit einem Strauß Schnittblumen – das Szenario der Gerichtsverhandlung klingt wie ein absurdes Kammerspiel. Aber für Anke Domscheit-Berg steht die politische Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Die Politikaktivistin wird der vorsätzlichen Körperverletzung beschuldigt.
Während einer Mahnwache am 21. Juni 2015 zum Gedenken an Geflüchtete, die im Mittelmeer ertrunken sind, soll sie zwei Polizeibeamte getreten, gekratzt und mit einem Blumenstrauß einen Polizisten unter seinem Gesichtsvisier gestochen haben.
Diesen Juli waren ein Strafbefehl und eine Geldstrafe von 900 Euro gegen sie erlassen worden. Domscheit-Berg legte Einspruch ein und forderte in der gestrigen Verhandlung vor dem Amtsgericht in Berlin-Tiergarten Freispruch.
So lächerlich die Tatwaffe, so brisant die wechselseitigen Vorwürfe: Während die Polizei ihr Körperverletzung vorwirft, wirft Domscheit-Berg den Beamten Polizeigewalt vor.
„Zu keinem Zeitpunkt habe ich jemanden verletzt, getreten, geschubst oder gekratzt“, sagte sie im Prozess. „Ich bin Pazifistin.“ Die Aggression sei von der Gegenseite ausgegangen. Sie sei „erschüttert“ über „völlig überraschende Polizeigewalt“ gegen sie und andere DemonstrantInnen. Dazu zeigte Domscheit-Berg vor Gericht Videomaterial. Dieser Anschuldigung widersprachen die drei ZeugInnen der Polizei, auch wenn der Polizist, der mit den Blumen ins Gesicht gestochen worden sein soll, erklärte, sich handgreiflich dagegen gewehrt zu haben.
Symbolische Gräber vor dem Reichstag
Eine Beamtin sagte, die Einsatztruppe habe verhindern wollen, dass die DemonstrantInnen symbolische Gräber vor dem Reichstag ausheben. Sie gab an, von den TeilnehmerInnen der Mahnwache bedrängt worden zu sein. Ein handgreifliches Gerangel um den Blumenstrauß sei entstanden, als Domscheit-Berg damit Videoaufnahmen durch die Polizei habe verhindern wollen. Die Polizistin sei von Domscheit-Berg blutig gekratzt worden. Mit Ausrufen wie „Was haben die Blumen denn getan, lass die Blumen!“ soll dieses Tauziehen um den Strauß untermalt worden sein.
So heftig die Vorwürfe beider Seiten waren, so amüsiert und streckenweise belustigt zeigte sich die Richterin, als sie zum Gebrauch der Tatwaffe nachfragte. „Das klingt jetzt blöd, aber wie hat sie den Strauß geführt?“ – Details, die dazu dienen sollten, die von den polizeilichen ZeugInnen als „dynamisch“ und unübersichtlich geschilderte Situation zu rekonstruieren. Die Polizei hatte Domscheit-Berg erst nachträglich mittels YouTube-Aufnahmen identifiziert.
„Man könnte das lustig finden, so seltsam ist dieser Vorwurf“, befand auch Domscheit-Berg, die erst am Wochenende auf Platz drei der brandenburgischen Linkspartei-Landesliste für die kommende Bundestagswahl gewählt worden ist.
Der Prozess wird fortgesetzt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid