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Gewalt gegen Frauen in SüdkoreaFemizid im U-Bahnhof

In Südkorea wurde erneut eine Frau von ihrem Stalker ermordet. Doch die Gewalt gegen Frauen wird dort weiterhin verharmlost.

Demonstration gegen sexuelle Gewalt am Internationalen Tag der Frau in Seoul im Jahr 2018 Foto: Seung-il Ryu/NurPhoto/picture alliance

Peking taz | Vor der U-Bahn-Toilette ist ein provisorischer Gedenkaltar: Dutzende Blumensträuße stapeln sich auf dem Boden, die gelben Fliesen bedecken Hunderte bunte Notizzettel. Darauf haben Bewohner der südkoreanischen Hauptstadt Seoul ihre Verzweiflung und Wut geschrieben: „Femizide sind die Norm in Südkorea“, heißt es auf einem der unzähligen Zettel.

Am Mittwochabend lauerte in den Gängen der U-Bahn-Station Sindang ein 31-jähriger Mann seinem Opfer auf. Er wartete 70 Minuten, bis die Angestellte der Metro die Damentoilette aufsuchte. Dort stach er sie nieder. Noch in der Nacht starb die Frau.

Ihr tragischer Tod ist kein Einzelfall. Die linke Tageszeitung Hankyoreh wertete schon Ende 2021 500 Morde an Frauen aus und stellte fest, dass bei über einem Drittel aller Femizide der Täter schon zuvor durch Gewalt aufgefallen war.

Auch beim Mord an der Station Sindang war das der Fall. Täter und Opfer waren einst Arbeitskollegen. Er stalkte die Frau mehrere Jahre und drohte ihr zuletzt damit, illegale Filmaufnahmen von ihr ins Internet hochzuladen, wenn sie sich weiter seinen Annäherungen verweigere.

Die Bedrohte bekam keinen offiziellen Schutz

Die Bedrohte erstattete zweimal Anzeige, doch fand sie keinen Schutz: Denn eine einstweilige Verfügung gegen den Mann wurde stets abgelehnt.

In Südkoreas sozialen Medien stößt der Fall auf große Resonanz. Viele junge Frauen reagieren mit einer Mischung aus Hilflosigkeit und Wut. Denn seit Jahren prangen nahezu im Wochentakt brutale Femizide auf den Titelseiten der Zeitungen, ohne dass das männliche Establishment der patriarchal geprägten Gesellschaft das Problem wirklich anerkennt.

Auch jetzt argumentieren viele Politiker erneut mit klassischer Täter-Opfer-Umkehr: Ein Abgeordneter sagte etwa im Parlament, der Täter habe so gehandelt, „da die Frau seine Annäherungen nicht erwidert“ habe.

Erst Ende August publizierte die Regierung unter der Ägide des Ministeriums für Gleichstellung eine Studie, nach der jede dritte Koreanerin schon Gewalt erfahren habe. In fast 50 Prozent der Fälle sei der Täter der jeweilige Partner oder Ehemann gewesen.

Ministerium geht verschämt mit Erkenntnissen um

Doch noch beschämender ist der Umgang mit diesen Erkenntnissen: Die Erhebung wurde nur still und heimlich auf der Ministeriums-Webseite publiziert. Die sonst übliche Presseerklärung samt einer Pressekonferenz gab es nicht.

Das dürfte politische Gründe haben. Denn ebenjenes Ministerium für Gleichstellung, das sich für die Belange von Frauen einsetzt, soll unter dem seit Frühjahr amtierenden Präsidenten Yoon Suk Yeol abgeschafft werden.

Der konservative Politiker hatte mit diesem Wahlversprechen gezielt junge Männer angesprochen, von denen viele ihre Ablehnung des Feminismus eint. Die Botschaft verfing: Während knapp 60 Prozent der männlichen Wähler in ihren Zwanzigern für Yoon stimmten, waren es unter den Frauen dieser Altersgruppe nur 33 Prozent.

„Dass Frauen diskriminiert werden, während Männer bevorzugt behandelt werden, gehört der Vergangenheit an“, sagte Yoon zuletzt. Doch das lässt sich leicht falsifizieren: Unter allen OECD-Staaten hat Südkorea das stärkste Einkommensgefälle zwischen den Geschlechtern.

Präsident steht für „schädliche Geschlechterstereotype“

„Yoons misogyne Perspektiven spiegeln die schädlichen Geschlechterstereotype wider, von denen Südkoreas Gesellschaft so durchdrungen ist“, sagte damals Boram Jang von Amnesty International, „Sie basieren auf der Überzeugung, Frauen seien keine vollwertigen Menschen mit denselben Rechten.“

Nicht wenige Frauen in Südkorea sehen darin den politischen Nährboden, in dem die Gewalt toxischer Männer gedeihen kann. Der jüngste Femizid hat nun zumindest eine gesellschaftliche Debatte angestoßen.

Zum Tatort in der U-Bahn-Station Sindang strömen nach wie vor Hunderte Koreanerinnen, um ihre Trauer auszudrücken.

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2 Kommentare

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  • Antifeminismus war schon immer diskursiver Kernbestand reaktionärer Ideologien. Eine Kritik der neuen Rechten, ob in der Republik Korea, in Deutschland oder anderswo, ist immer unvollständig, wenn sie die Verschränkung von Frauenverachtung, patriarchalem Besitzdenken und anderen Komponenten rechter Politik nicht in den Blick nimmt.

  • Dort wird es nicht ernstgenommen, hier auch nicht.