Gewalt gegen Frauen in Kirgistan: Vergewaltigt und ab in den Knast

Schluss mit Brautraub: Heiratswillige Männer, die sich ihre Auserwählte mit Gewalt nehmen, müssen künftig mit mindestens sieben Jahren Gefängnis rechnen.

Nicht immer der schönste Tag im Leben. Bild: ffwd!/photocase.com

BISCHKEK taz | Wer in Kirgistan eine Frau zwecks Heirat raubt, der riskiert, künftig noch länger im Gefängnis zu landen. Der Präsident des zentralasiatischen Staates, Almasbek Atambajew, unterzeichnete jetzt ein entsprechendes Gesetz. Demnach wird Brautraub künftig mit sieben Jahren Haft bestraft statt bisher mit drei Jahren.

Sind die betroffenen Frauen jünger als 17 Jahre, drohen dem Täter zehn Jahre Haft. In dem Hochgebirgsland an der chinesischen Grenze mit fünfeinhalb Millionen Einwohnern ist der Alltag noch immer stark von der Tradition des Nomadentums geprägt. Der Raub von Bräuten ist weit verbreitet. Menschenrechtsorganisationen gehen von jährlich über 12.000 Fällen aus.

Der Brautraub folgt dem Prinzip des Erlkönigs: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“ Falls die Frau dem Werben des Mannes nicht nachgibt, ihre Angehörigen sich gegen die Eheschließung aussprechen oder der Kirgise das geforderte Brautgeld nicht zahlen kann, überfällt er mit Gefährten die Auserwählte. Dann verschleppt er sie an einen Ort – hin und wieder in die eigene Familienjurte – und vergewaltigt sie.

Danach übergibt der Mann die traumatisierte Frau – oftmals noch ein Mädchen – ihrer Familie. Die Eltern zeigen die Tat nicht an, sondern stimmen der Eheschließung zu, um einer Ehrverletzung der Familie zu entgehen. Meist findet sich auch noch ein beflissener Mullah, der daraufhin der Verbindung den göttlichen Segen gibt.

Regelrechte Renaissance

Zu Sowjetzeiten war diese Praxis weitgehend zurückgedrängt, aber auch nie vollständig verschwunden. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und mit der staatlichen Unabhängigkeit Kirgistans im Jahr 1991 erfuhr dieser von weiten Teilen der kirgisischen Gesellschaft gebilligte Gewaltakt eine regelrechte Renaissance.

Das Motiv des Brautraubes fand auch Eingang in die kirgisische Folklore. Bei einem beliebten Pferdespiel muss ein junger Dschingit eine zuvor auf einem Ross davongallopierende Frau einholen. Gelingt ihm das, darf er sie küssen. Falls nicht, züchtigt die Frau den erfolglosen Reiter mit der Pferdepeitsche.

Mit dem Gewalttäter leben

Hin und wieder willigt die Frau auch in den Brautraub ein, um sich gemeinsam mit dem Mann gegen den Willen der Eltern durchzusetzen oder dem Brautgeld für den Ehemann zu entgehen. Aber in den meisten Fällen werden die Frauen nicht gefragt und müssen dann mit dem Gewalttäter leben und eine Familie gründen.

Die kirgisische Menschenrechtlerin Asisa Abdirasulowa begrüßt die Strafverschärfung. „Bisher wurde Frauenraub als Kavaliersdelikt angesehen und kaum geahndet“, sagt sie. Nun müssten jedoch die Frauen und deren Familien auch den Mut aufbringen, die Tat anzuzeigen.

Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) prangerte bereits 2006 in einem ausführlichen Bericht die in Kirgistan gängige Praxis des Brautraubs an und forderte die Ergreifung von Gegenmaßnahmen. „Die Strafverschärfung ist ein wichtiger Schritt“, sagt die HRW-Kirgistanexpertin Mihra Rittmann in Bischkek.

Nun müssten die Staatsorgane aber auch beweisen, dass diese Verbrechen tatsächlich geahndet würden. Angebliche Traditionen seien keine Entschuldigung für Gewalttaten gegen Frauen.

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