Gewalt gegen Flüchtlinge: Scharfe Kritik an Sicherheitsfirmen

Piraten, Grüne und „Moabit hilft“ fordern Konsequenzen nach Video, das zeigt, wie Sicherheitsleute am Lageso Flüchtlinge verprügeln.

Flüchtlinge warten am Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales

Wegen des großen Andrangs und langer Wartezeiten herrscht eine angespannte Stimmung bei Geflüchteten und Sicherheitsleuten am Lageso in Berlin-Moabit. Foto: dpa

Nach der Prügelattacke von Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes gegen Flüchtlinge am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) fordert der Piratenabgeordnete Fabio Reinhardt schnelle Konsequenzen. „Die Firma Spysec muss sofort abberufen werden“, so Reinhardt am Sonntag zur taz. Diana Henniges von „Moabit hilft“ geht noch weiter: Auch die Firma Gegenbauer, hauptverantwortlich für Sicherheit am Lageso und Auftraggeber von Spysec, müsste gehen. Beide Firmen fielen „sehr oft“ mit Gewaltakten gegenüber Flüchtlingen auf. „Aber unsere Beschwerden beim Lageso werden bislang nicht Ernst genommen.“

Am Donnerstagvormittag hatte ein Mitarbeiter von „Moabit hilft“ gefilmt, wie drei Mitarbeiter von Spysec zwei männliche Flüchtlinge, die offenbar über eine Absperrung geklettert waren, brutal zusammenschlagen. Lageso-Chef Franz Allert zeigte sich laut Tagesspiegel „entsetzt“. Die Polizei sagte, es gebe Anzeigen wegen Körperverletzung von beiden Seiten, entsprechend werde nun ermittelt. Spysec selbst soll laut Tagesspiegel die Mitarbeiter vom Dienst suspendiert haben. Die Firma war am Sonntag telefonisch nicht für die taz erreichbar.

Für den grünen Innenpolitiker Benedikt Lux ist Sozialsenator Mario Czaja (CDU) für den Gewaltakt „indirekt mitverantwortlich“, weil er die Zustände am Lageso nicht in den Griff bekommt. „Das Amt müsste schon längst wie in Hamburg rund um die Uhr geöffnet sein, damit die Registrierung schneller von statten geht“, so Lux zur taz. Zudem zeige der Vorfall, dass die Anforderungen an Sicherheitsleute nicht hoch genug seien. Nötig sei eine inhaltlich verbesserte Ausbildung von mindestens einem halben Jahr. Bislang reicht ein vierwöchiger Kurs mit 160 Stunden, um die Prüfung zur Personenschutzkraft bei der IHK zu bestehen.

Laut Henniges waren „Moabit hilft“-Mitarbeiter schon diverse Male Zeugen von gewalttätigen und verbal-agressiven Szenen. „Die Leute werden von den Securities wie Vieh behandelt, geschubst, am Ohr gezogen, am Schlafittchen gepackt.“ Kurden würden von Sicherheitsleuten mit ‚Ihr Dreckschweine, geht nach Hause!‘ beschimpft, arabisch sprechende Flüchtlinge bevorzugt zur Wartenummernausgabe vorgelassen. Beim Lageso habe es aber immer geheißen, man brauche Beweise, um tätig zu werden. „Der Vorfall jetzt ist die logische Konsequenz aus dem Nichthandeln“.

Zweites Video aufgetaucht

Wie aggressiv die Sicherheitsleute teilweise sind, belegt ein zweites Video, das seit Freitag bei Facebook kursierte, am Sonntag jedoch dort nicht mehr zugänglich war (hier zu sehen im Link ab Minute 3:50). Es zeigt eine Diskussion zwischen Sicherheitsleuten und Geflüchteten, dann schreit ein Sicherheitsmann „Mach die Scheißkamera aus!“ und kommt auf den Filmenden zu.

Reinhardt weiß ebenfalls von zahlreichen körperlichen Übergriffen und einem „herablassenden Verhalten“ der Wachleute. Die Firma Spysec sei offenkundig ungeeignet für das Platzmanagement in der Turmstraße, also den Zugang zu Gebäuden und zur Wartenummernausgabe zu kontrollieren. „Solche Leute dürfen keine quasi-hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen“, so der Pirat. Vor wenigen Wochen war bekannt geworden, dass Sicherheitsleute in einen Handel mit Wartenummern verwickelt waren. Darauf hatte das Lageso einem Dolmetscher gekündigt und ein Vier-Augen-Prinzip bei der Nummernvergabe eingeführt. Laut Mitarbeitern von „Moabit hilft“ wird jedoch weiter mit den Nummern gehandelt.

Als weitere Konsequenz aus dem Vorfall fordert Reinhardt vom Senat, endlich eine „funktionierende unabhängige Beschwerdestelle“ einzurichten: „Dann kann Czaja nicht mehr sagen, dass sich keiner beschwert.“

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