Gewalt gegen Flüchtlinge in Kroatien: Im Wald außer Landes geschafft
Nach dem Auftauchen von Videos weist Kroatien Vorwürfe zurück, es bringe Flüchtlinge illegal nach Bosnien. Menschenrechtler sehen das anders.
Am Wochenende hatten die AktivistInnengruppe Border Violence Monitoring über 130 Aufnahmen wie diese von versteckten Kameras vorgelegt, die offenbar zeigen, wie kroatische Polizisten mit schweren Waffen Flüchtlinge an einem Waldstück über die Grenze zurück nach Bosnien schicken. Solche direkten Zurückweisungen ohne Asylverfahren sind nach EU-Recht illegal.
Die Aufnahmen würden keine „Abschiebungen von Hunderten von Migranten nach Bosnien-Herzegowina“ zeigen, sondern zulässige „Einreiseverweigerungen“, heißt es in der Erklärung des kroatischen Innenministeriums. „Das ist eine rechtmäßige Maßnahme, welche der Grenzpolizei in den EU-Ländern zur Verfügung steht und wird gegen jene Personen angewendet, die versuchen fernab von Grenzübergängen in ein Land einzureisen“, heißt es.
Zwar existiert eine entsprechende Bestimmung im Schengener Grenzkodex. Sie greift aber nicht, wenn Eingereiste einen Asylantrag stellen wollen. Der muss in jedem Fall geprüft werden. Genau das tut Kroatien schon seit Langem nicht, entsprechende Berichte häufen sich seit etwa zwei Jahren.
„Schande“ für einen EU-Mitgliedsstaat
Es sei eine „Schande“ für einen EU-Mitgliedsstaat, dass seine Polizei „am Schmuggel von Migranten beteiligt ist und sie zu illegaler Migration zwingt“, sagte der bosnische Sicherheitsminister Dragan Mektić am Sonntag dem serbischen Sender N1 Info. Bosnien habe in der Vergangenheit mehrfach vor diesen Praktiken gewarnt. „Wir haben Beweise dafür, dass sie Migranten körperlich misshandeln und schlagen.“
Auch Ivan Zvonimir Čičak, der Direktor der Menschenrechtsorganisation Helsinki Comittee in Zagreb, sagte der taz, die Videoaufnahmen seien „absolut glaubhaft“. Die gezeigten Vorfälle deckten sich mit den Recherchen des Kommittees. Čičak sagte, er wolle mit den Innenministern von Bosnien und Kroatien über die Vorfälle sprechen. In Kroatien sei eine „schreckliche Atmosphäre gegenüber Flüchtlingen und MigrantInnen geschaffen worden“. Die meisten seien Muslime „und Muslime sind Terroristen, so stellen viele Medien es dar“, sagt Čičak. Den Ankommenden werde vorgeworfen, in Kroatien Asyl zu beantragen, um dann in andere EU-Staaten weiterzuziehen.
Dragan Mektić, bosnischer Sicherheitsminister
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hatte allein im ersten Halbjahr 2018 in Bosnien Aussagen von 1.954 Flüchtlingen dokumentiert. Alle haben angegeben, von der kroatischen Polizei ohne die Möglichkeit einer Asylantragstellung nach Bosnien zurück gedrängt worden zu sein.
UN nimmt die Vorwürfe „sehr ernst“
„Ich habe die kroatischen Behörden bereits im September nachdrücklich aufgefordert, die mutmaßlichen Kollektivvertreibungen aus Kroatien nach Serbien und Bosnien und Herzegowina und Polizeigewalt gegen MigrantInnen zu untersuchen“, sagte Dunja Mijatović, die Menschenrechtskommissarin des Europarates, der taz. Sie sei besorgt, dass Kroatien der nationalen Bürgerrechtsbeauftragten keinen Zugang zu Polizeiakten gewährt, um Ermittlungen dazu durchzuführen.
„Wir kennen die Videos“, sagt der Sprecher des UN-Flüchtlingswerks UNHCR in Kroatien, Jan Kapic. „Die mutmaßliche Gewaltanwendung der Polizei nehmen wir sehr ernst. Wir haben unsere Bedenken den kroatischen Behörden mitgeteilt und sie aufgefordert, alle gemeldeten Fälle zu untersuchen und von Gewaltanwendung abzusehen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag