piwik no script img

Gesunkene FlüchtlingsschiffeÜber 60 Tote im Mittelmeer

Vor Lampedusa ist ein Flüchtlingsschiff gekentert, zahlreiche Menschen werden vermisst. Bereits am Donnerstag starben vor der türkischen Küste 61 Menschen.

Ein Mitarbeiter der türkischen Küstenwache trägt die Leiche eines ertrunkenen Flüchtlings nahe Izmir. Bild: dpa

ISTANBUL taz | Nachdem es mehrere Monate lang keine Meldungen mehr über ertrunkene Flüchtlinge im Mittelmeer gegeben hat, gab es dort jetzt wieder neue Todesfälle. Vor der türkischen Ägäisküste lief ein Fischerboot in Sichtweite der Küste auf einen Felsen und sank. Vor der italienischen Insel Lampedusa kenterte ein weiteres mit Flüchtlingen überladenes Boot.

Südlich der türkischen Metropole Izmir kam es zu einer nahezu beispiellosen Katastrophe. Obwohl ein rund 20 Meter langes, mit über 100 Menschen völlig überladenes Fischerboot nur 50 Meter vom Strand entfernt auf einen Felsen auflief und daraufhin sank, starben mindestens 61 Menschen. Nach Angaben der türkischen Behörden waren unter den Opfern 31 Kinder und 18 Frauen.

Der Grund, warum so viele Menschen starben, war offenbar, dass die Schmuggler Frauen und Kinder unter Deck eingesperrt hatten, um einen Angelausflug vortäuschen zu können. Die Eingesperrten konnten sich nicht mehr befreien und starben in Sichtweite des Strandes. Knapp 50 Leute wurden gerettet oder konnten an den Strand schwimmen, darunter der Kapitän und ein Helfer. Beide wurden festgenommen.

Von dem Fischerboot, dass rund 10 Meilen vor Lampedusa kenterte, konnten ebenfalls rund 50 Menschen gerettet werden. Eine Person starb, mehrere Dutzend werden noch vermisst. Genaue Angaben über die Vermissten gibt es bislang nicht. Es sollen aber mehr als 100 Menschen an Bord gewesen sein. Das Boot soll in Tunesien gestartet sein und versucht haben, in Lampedusa EU-Territorium zu erreichen.

Auch die vor der türkischen Küste gekenterten Flüchtlinge waren auf dem Weg in die EU. Angeblich war ihnen versprochen worden, sie nach Großbritannien zu bringen. Die erste Etappe hätte erst einmal auf eine der griechischen Inseln geführt, die vor der türkischen Küste liegen. Die meisten Flüchtlinge an Bord stammten nach Angaben der Polizei aus Syrien, dem Irak und den palästinensischen Gebieten. Vor allem Syrer, die vor dem Bürgerkrieg fliehen mussten und monatelang in Lagern in der Türkei oder im Irak ausharren müssen, versuchen vermehrt nach Europa zu kommen.

Weil die europäische Grenzpolizei Frontex gemeinsam mit ihren griechischen Kollegen die Landgrenze zu Griechenland mittlerweile stark überwacht, werden laut Flüchtlingsorganisationen die alten Fluchtrouten über die Ägäis wieder aktiviert. So wurden nach Angaben griechischer Behörden allein im August auf den Ägäisinseln 400 Flüchtlinge aufgegriffen. Im letzten Jahr waren es im selben Zeitraum nur rund ein Viertel.

Während Flüchtlingsorganisationen die mangelhafte Unterbringung beklagen – auf Samos sind deswegen 50 syrische Flüchtlinge im Hungerstreik –, fordern griechische Behörden von Frontex mehr Unterstützung zur Überwachung der Seegrenze an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • H
    HamburgerX

    Falscher Artikel Kommentar bezog sich darauf:

     

    http://www.taz.de/Europa-schottet-sich-ab/!114839/

  • H
    HamburgerX

    Was ist das für ein unlogischer und schlecht recherchierter Artikel, wird so etwas nicht redaktionell geprüft?

     

    1. Unlogisch! Einerseits behauptet der Autor, "vor allem" die "fast wöchentlich" gekenterten Flüchtlingsbooten seien der Grund für den Rückgang der Zahlen. Andererseits wird später plötzlich davon gesprochen, der "Hauptgrund" seien die "schlechten Nachrichten aus der EU" und Griechenland.

     

    Was den nun??

     

    2. Schlecht recherchiert! Selbst die taz schreibt am 7.9.2012 in Artikel 101227:

    "Nachdem es mehrere Monate lang keine Meldungen mehr über ertrunkene Flüchtlinge im Mittelmeer gegeben hat, gab es dort jetzt wieder neue Todesfälle."

     

    MEHRERE Monate keine Meldungen über ertrunkene Flüchtlinge und der Autor fantasiert oben über "fast wöchentliche" Todesfälle, die dann auch noch in den 10000e gehen sollen.

     

    Dazu kein Wort über die miesen Methoden und falschen Versprechungen der Schlepperbanden, die das eigentliche Problem diese Suizidboote sind!

     

    Hauptsache der unbeschränkten, unintelligenten Massenzuwanderung wird mal wieder irgendwie das Wort geredet, um das Gewissen irgendwelcher Pseudo-Afrikaversteher zu beruhigen.

  • V
    vic

    @ T.V.

    Frontex abgeschafft? Das wird nicht geschehen, eher werden die Maßnahmen verschärft.

    Ganz im Sinne von D.J. u.v.A.

  • F
    Flea

    Zu den Geschehnissen und dem letzten Kommentar fällt mir prompt wieder der Song "Europa" vom aktuellen Album der Toten Hosen ein...

  • D
    D.J.

    @T.V.,

     

    weil Frontex das Selbstverständlichste der Welt tut - eine Landgrenze von innen her zu kontrollieren (GR zur Türkei), ist also wieder mal Frontex schuld. Übliche aberwitzige Logik der "Alle-rein"-Propagandisten.

  • T
    T.V.

    Frontex ist also weiterhin fahrlässig an groben Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Wird Zeit, daß sie endlich abgeschafft werden.