Gesunkene Fähre „Sewol“: Kapitän verzögerte Evakuierung

Die Strömung war stark, kein Rettungsboot in Sicht: Diese Gründe gab der Kapitän der „Sewol“ für eine aufgeschobene Evakuierung an. Die Suche nach Überlebenden dauert an.

Kapitän Lee Joon Seok spricht nach dem Verlassen des Gerichtsgebäudes in Mokpo mit Journalisten. Bild: ap

SEOUL/JINDO afp/ap/dpa | Der Kapitän der vor Südkorea gesunkenen Fähre „Sewol“ hat angegeben, die Evakuierung des Schiffes aus Sicherheitsgründen verzögert zu haben. Bei einem Termin zur Verlesung des Haftbefehls sagte Kapitän Lee Joon Seok am Samstagmorgen auf Fragen von Reportern, zum Unglückszeitpunkt sei kein Rettungsschiff oder Fischerboot in Sicht gewesen. „Die Strömung war sehr stark und das Wasser war kalt“, sagte der 69-Jährige. Er habe befürchtet, dass die Passagiere von der Strömung fortgerissen werden könnten.

Nach Berichten von Überlebenden hatte die Crew nach dem Kentern des Schiffes zunächst Anweisung gegeben, in den Sitzen und Kabinen zu bleiben. Die Fähre war mit 476 Menschen an Bord am Mittwochmorgen gekentert und gesunken. Es wird vermutet, dass die meisten Opfer noch im Inneren des gesunkenen Schiffes eingeschlossen sind.

Rettungsmannschaften haben am Samstag weiter nach Überlebenden gesucht. In der Nacht hätten Taucher erstmals Leichen im gesunkenen Wrack gesehen, berichtete der Rundfunksender KBS. Allerdings sei es nicht möglich gewesen, die drei Körper in einer Kabine zu erreichen. Hinweise auf Überlebende unter den rund 270 vermissten Insassen gab es bislang nicht. Für die Taucher ist es wegen der starken Strömungen schwierig, ins Innere des Wracks vor der Südwestküste Südkoreas vorzudringen.

Von Hinterbliebenen wurde Kritik laut, dass die Besatzung das sinkende Schiff verlassen habe, während viele Passagiere noch an Bord waren. Nur 179 Insassen der Fähre konnten gerettet werden. Bis Samstag wurden 29 Leichen gefunden. 273 Menschen werden noch vermisst. Die meisten Passagiere waren Schüler auf Klassenfahrt.

25-Jährige navigierte zum ersten Mal

Gegen den Kapitän und zwei weitere Besatzungsmitglieder wurde Haftbefehl wegen Vernachlässigung von Dienstpflichten und Verstoßes gegen das Seerecht erlassen. Kapitän Lee bestätigte, dass er zum Unglückszeitpunkt nicht auf der Kommandobrücke des Schiffes war. „Es passierte, als ich gerade zurück von einem kurzen Abstecher aus persönlichen Grünen in die Kabine zurückkam“, sagte er. Den Verdacht, er habe getrunken, wies der Kapitän zurück.

Die südkoreanische Staatsanwaltschaft hat außerdem neue Angaben zu einem von drei festgenommenen Besatzungsmitgliedern gemacht. Die 25-Jährige, die zum Zeitpunkt der Havarie das Schiff steuerte, navigierte zum ersten Mal durch die Gewässer um die Unglücksstelle, wie Staatsanwalt Yang Jung Jin am Samstag sagte. In dem Gebiet gibt es demnach viele Inseln, die nah beieinander liegen und schnelle Strömungen.

Normalerweise habe ein anderes Besatzungsmitglied bei der Steuerung durch dieses Gebiet die Kontrolle übernommen, erklärte Yang. Da es aber aufgrund dichten Nebels zu einer verzögerten Abfahrt gekommen sei, habe die 25-Jährige das Steuer geführt. Die Ermittler hätten noch nicht bestätigt, ob das Schiff schneller unterwegs war als sonst.

In Seoul und anderen Städten des Landes sollte es am Samstag gemeinsame Gebetsveranstaltungen und Nachtwachen für die Vermissten und zum Gedenken an die Toten des Schiffsunglücks geben.

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