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Gesundheitsversorgung in der KriseViele kranke Häuser

In Schleswig-Holstein sind Kliniken in finanziellen Schwierigkeiten. Um die Versorgung zu erhalten, soll das Land einspringen.

Weil die Inzidenz in Schleswig-Holstein niedriger war, bekommen manche Kliniken keine Finanzhilfe Foto: UKSH/dpa

Rendsburg taz | Noch im Sommer gab es strahlende Gesichter bei der Vertragsunterschrift: Die evangelische 400-Betten-Klinik Diako Flensburg will sich mit dem katholischen Malteser Krankenhaus zum ersten ökumenischen Krankenhaus Deutschlands vereinigen. Nun ist die Diako insolvent und steckt in einem „Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung“ – ob der Zeitplan zur Fusion gehalten wird, ist unklar. Zudem warnt die Krankenhausgesellschaft, dass mehr als die Hälfte der Klinken im Land in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecke.

Das gilt auch für die kommunalen Imland-Kliniken in Rendsburg und Eckernförde. Der dortige Landrat Rolf-Oliver Schwemer (parteilos) wirkt eigentlich, als könne ihn wenig erschüttern. Aber das Ergebnis eines Bürger­entscheids macht ihn ratlos. Der Kreis Rendsburg-Eckernförde wollte die beiden kreiseigenen Häuser neu strukturieren, doch zwei Drittel der Bür­ge­r*in­nen stimmten dagegen.

Wie es weitergeht? Schwemer zuckt am Rand einer Veranstaltung in Kiel mit den Schultern. Ihn plagen weitere Sorgen: Das Krankenhaus dürfte „ab dem späten Frühling 2023 vorläufig zahlungsunfähig“ sein, heißt es in einer Pressemitteilung. Dramatisch ist das, weil Kliniken zum Jahresende ihre wirtschaftliche Situation offenlegen müssen, um ein Testat ihrer Liquidität für die kommenden Monate zu erhalten. „Das werden die meisten Häuser in der aktuellen Lage kaum hinbekommen“, vermutet Heiner Garg, FDP-Gesundheitsexperte und ehemaliger Gesundheitsminister des Landes.

Schuld ist ein perfekter Sturm aus Inflation und hohen Energiekosten, kombiniert mit den noch nicht kompensierten Verlusten aus den Coronajahren, als die Kliniken OPs streichen und Betten freihalten mussten. Das trifft Kliniken bundesweit und Schleswig-Holstein noch etwas härter: Hier war die Corona-Inzidenz teilweise so niedrig, dass Krankenhäuser keine Beihilfen bekamen. Für die 76 Kliniken unter dem Dach der Kranken­hausgesellschaft Schleswig-Holstein (KGSH) erwartet deren Geschäftsführer Patrick Reimund für dieses Jahr einen Fehlbetrag von rund 131 Millionen Euro.

Finanzierung von Krankenhäusern

Investitionskosten für Neubauten und Sanierungen zahlen die Länder – allerdings vielerorts zu knapp, sodass Sanierungsstau besteht.

Die Betriebskosten erwirtschaften die Kliniken über Behandlungen. Bezahlt werden Pauschalsummen, die sich nach der diagnostizierten Krankheit richten. Damit sind einige OPs oder Therapien wirtschaftlich sinnvoller als andere.

Je nach Bundesland werden die Pauschalen mit einem anderen Faktor multipliziert. Dieser Landesbasisfallwert soll regionale Kostenunterschiede ausgleichen und wird zwischen Kliniken und Kassen ausgehandelt.

Der Bund hat zwar Hilfen versprochen, doch das Geld ist noch nicht da. „Bis es verfügbar ist, muss das Land den aktuell in Not geratenen Krankenhäusern finanziell unter die Arme greifen“, fordert Oppositions­politikerin und SPD-Gesundheitsexpertin Birte Pauls. „Selbstverständlich“ prüfe die Regierung, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gebe, sagt ein Sprecher der Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU). So habe ein Krankenhaus bereits ein Liquiditätsdarlehen aus den Coronahilfen erhalten. Denkbar seien auch Darlehen aus dem Mittelstandssicherungsfonds des Wirtschaftsministeriums. Vor allem aber zeigt das Land auf den Bund.

„Es stimmt schon, das Land ist eigentlich nicht für Betriebskosten zuständig“, sagt Garg, der von seiner Amtsnachfolgerin in dieser Ausnahmesituation mehr Flexibilität erwartet: „Wirtschaftsprüfer werden kein Testat auf Basis eines Tweets von Karl Lauterbach erteilen. Deshalb braucht es jetzt Garantien vom Land.“

Doch auch wenn die öffentliche Hand die Löcher stopft, bleibt die Krankenhauslandschaft in Bewegung. Es fehlt nicht nur an Geld, sondern vor allem an Personal. Zudem gibt es neue Vorgaben zu Qualitäts- und Mindeststandards vom gemeinsamen Bundesausschuss, dem Steuerungsgremium aus Krankenkassen, Ärzteschaft und Kranken­hausgesellschaft.

Die Politik greift bisher nur zögerlich ein – eine Ausnahme ist Niedersachsen, wo der Landtag im Juni mit großer Mehrheit eine Reform des Kranken­hausgesetzes beschloss. Ziele sind „eine wohnortnahe Versorgung einerseits und hochwertige Behandlungen andererseits“, fasst die Nachrichtenagentur dpa zusammen. Das Land rechnet damit, dass von den 168 Krankenhäusern 30 bis 40 im Laufe der kommenden Jahre wegfallen und teils durch „regionale Gesundheitszentren“ ersetzt werden.

Schleswig-Holstein hat erst 2020, als letztes Bundesland, ein Krankenhausgesetz erlassen. Aktuell entsteht auf dieser Basis ein neuer Landeskrankenhausplan, der laut Ministerium voraussichtlich in 2024 vorgelegt werden soll. Dort wird auch festgelegt, was mit den Imland-Kliniken im Kreis Rendsburg-Eckernförde passiert. Der Kreis will sich dem Votum des Bürger­entscheids beugen und beantragen, dass alles bleibt, wie es ist. Das werde geprüft, teilt das Ministerium mit, aber „es deutet aktuell wenig darauf hin, dass dieses Szenario die fachlichen Kriterien erfüllen kann“.

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1 Kommentar

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  • Die niedersächsische Reform wird erstaunlicherweise von CDU, SPD und Grünen unterstützt, geht in Richtung stärkere Zentralisierung der Kliniken, regionale Gesundheitszentren, was es bereits in der DDR gab und abgeschafft wurde.

    Das Hauptproblem ist die massive Privatisierung im Gesundheitssystem im Bereich der Kliniken, die Unsummen an Gewinnen aus dem Gesundheitssystem zieht. Das katastrophale von einem SPD-Politiker erfundene bürokratische Fallpauschalensystem ist die Folge davon. Es war die SPD unter Schröder, die begann, das staaatliche Gesundheitssystem durch Ökonomisierung zu ruinieren.

    Die stärkere Zentralisierung in Niedersachsen ist ein Zusammensparen auf Kosten der kleinen Kliniken, was den großen vielfach privatisierten Kliniken in die Hände spielt. Bei den neu zu schaffenden Regionalzentren werden private Ketten versuchen, ihre Hände ins Spiel zu bekommen. Fachärztepraxen werden zurzeit bundesweit massenweise von privaten Ketten aufgekauft. Ein Trend, gegen den Politik nichts unternimmt.



    Die Durch-Ökonomisierung des Gesundheitssystems zugunsten der privaten Kliniken muss rückgängig gemacht werden und staatliche Strukturen mit Zentralkliniken und Regionalzentren wie in der DDR geschaffen werden.



    Wie kann es sein, dass ein Staat, der um ein Vielfaches ökonomisch stärker als in den achtziger Jahren ist, sein Gesundheitssystem nicht mehr finanzieren kann? Weil Steuerschlupflöcher geschaffen wurden und zu wenig Steuern vorhanden sind, um das Gesundheitssystem ausreichend zu finanzieren!



    Solange sich Bürger das von der Politik gefallen lassen, wird das zu einer immer stärkeren Ökonomisierung des Gesundheitssystems führen. Ein bisschen mehr Zentralisierung und Regionalisierung wird daran nicht ändern, ist eine Art Greenwashing im Bereich der Gesundheitspolitik.



    Das zurzeit bundesweit für Kinder Plätze auf Intensivstationen fehlen, zeigt, dass ein Gesundheitssystem niemals nur rein nach ökonomischen Gesichtspunkten geführt werden darf.