Gesunde Tiere zu teuer: Angriffe aus der Vergangenheit

CDU und FDP versuchen, die Agrarwende in Niedersachsen zu torpedieren. Der grüne Landwirtschaftsminister bleibt cool.

Da lacht kein Huhn: Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) ist immer wieder Adressat konservativer Agrar-Anwürfe Bild: dpa

HANNOVER taz | Das bisschen Haushalt war ihnen nicht genug: Die Etatdebatte im niedersächsischen Landtag haben die Oppositionsparteien CDU und FDP am Mittwoch zu heftigen Attacken auf Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) genutzt. Der 39-Jährige behindere die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte in Deutschlands „Agrarland Nummer 1“, kritisierte der agrarpolitische Sprecher der Christdemokraten, Helmut Dammann-Tamke.

Meyer engagiere sich zu stark für teuren Tierschutz „deutlich über die bestehende Gesetzeslage hinaus“, so Dammann-Tamke, der sich selbst als „selbstständiger landwirtschaftlicher Unternehmer“ begreift. Auch im Bereich des Verbraucherschutzes setze der Diplomsozialwirt Meyer die falschen Schwerpunkte: So hätten die Skandale um das Schimmelgift Aflatoxin oder Pferdefleisch in Fertiggerichten „nie die Gesundheit von Verbrauchern gefährdet“.

Niedersachsens grüner Landwirtschaftsminister steht seit Monaten unter stärkstem Druck von Agrarlobby und Opposition – das sogenannte „Landvolk“ als Interessenvertretung konventionell wirtschaftender Bauern etwa nutzt jede Gelegenheit, die von der rot-grünen Landesregierung des Sozialdemokraten Stephan Weil angeschobene „sanfte Agrarwende“ unter Beschuss zu nehmen. Im größten Agrarland Deutschlands wurden 2013 lediglich 2,9 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche nach ökologischen Prinzipien bewirtschaftet. Republikweit waren es dagegen 6,4 Prozent.

Ähnlich scharf wie die CDU-Kritik fiel am Mittwoch auch die der FDP aus: Die vom Grünen-Minister ausgelobte „Ringelschwanzprämie“ etwa bedeute ein „Martyrium für die Tiere“, argumentierte der FDP-Sprecher für Landwirtschaft, Hermann Grupe. Dass Meyer mit der Prämie für bessere Haltungsbedingungen in der Massentierhaltung sorgen will, verschwieg der Abgeordnete, selbst Diplom-Agraringenieur: Bislang werden Schweinen die Ringelschwänze „kupiert“ – also abgeschnitten –, um zu verhindern, dass sich die Tiere in der drangvollen Enge aus Aggression oder Langeweile gegenseitig anfressen. Minister Meyer will tiergerechtere Stallungen mit mehr Platz fördern.

Am heutigen Donnerstag wird der Landtag in Hannover den insgesamt 28,382 Milliarden schweren Etat für 2015 beschließen.

Mit 445,6 Millionen Euro zählt das Fachgebiet "Ernährung, Landwirtschaft und Forsten" zu den kleineren Haushaltsposten: Bildung und Wissenschaft schlagen mit 7,783 Milliarden, Polizei und Justiz mit 3,782 Milliarden Euro zu Buche. Die Städte und Gemeinden können sich insgesamt über Zuweisungen in Höhe von 3,804 Milliarden Euro freuen.

Für Pensionen muss das Land 3,391 Milliarden, für Zinsen 1,737 Milliarden Euro aufbringen. Noch beträgt die Neuverschuldung rund 600 Millionen Euro - 2014 waren es 720 Milliarden. Bis 2020 will Rot-Grün die Neuverschuldung auf Null zurückfahren.

Auch beim „Moorschutz“ habe Meyer einknicken müssen, freute sich nun Grupe: Pläne zu weniger klimaschädlichen Torfabbau seien gescheitert; Meyer plane bereits die „Wende von der Wende“. Dass der Minister nach öffentlichen Anhörungen Kritik aufgenommen hat und in einen noch in Arbeit stehenden Entwurf einarbeiten lässt, war dem FDP-Mann kein Wort wert.

Verteidigt wurde Meyer dagegen nicht nur von seiner eigenen Partei, sondern ebenso engagiert von der SPD: 2015 werde das Landwirtschaftsministerium 25 neue Stellen schaffen, um den Antibiotikamissbrauch in der Massentierhaltung zu bekämpfen, lobte deren Agrarexperte Wiard Siebels. Schon heute erkrankten „tausende Menschen an multiresistenten Keimen“, was Ergebnis des Arzneimitteleinsatzes in der krankheitsanfälligen Massentierhaltung sei, warnte auch die grüne Abgeordnete Miriam Staudte.

Cool bliebt auch der angefeindete Minister selbst. Die Vorschläge der Opposition seien „rückwärtsgewandt“ – dies zeige schon die Kopfzeile der Nachricht, unter der die CDU-Vorschläge verschickt wurden: „Kopie“ sei dort zu lesen gewesen, „von 2012“.

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