Gestresste Taxifahrer: Funkstille bei den Mietwagen
Durch eine Computerumstellung in den Funkzentralen kommt es zu langen Wartezeiten und Fehlbuchungen. Das nervt die Fahrgäste - und stresst die Fahrer.
Ein Wunder der modernen Kommunikationstechnik: "Ihr Taxi 1640 kommt pünktlich zur vorbestellten Zeit um 5.45 Uhr. Vielen Dank, dass Sie Taxifunk 44 33 22 gewählt haben", lautet die SMS. Das beruhigt. So früh am Morgen muss alles reibungslos gehen, wenn man einen Flug ab Berlin-Tegel kriegen will.
Um Viertel vor sechs ist die Straße ruhig, dunkel und kalt. Aber kein Taxi in Sicht. Unter der Handynummer, von der aus die SMS geschrieben wurde, meldet sich niemand, unter 44 33 22 nur die Musikwarteschleife. Acht Minuten später biegt ein anderes Taxi um die Ecke. In Tegel wird es knapp, klappt aber noch.
Immerhin. Eine Woche zuvor hatte es eine halbe Stunde gedauert, bis das Taxi da war - und der ICE am Hauptbahnhof schon weg. Durch einen "Computerfehler" war ein Taxi mit Babyschale bestellt worden. Dieses machte sich vom anderen Ende der Stadt auf den Weg und brauchte entsprechend lange. "Ich dachte, Mütter mit Babys haben es ja selten eilig", erklärte der Fahrer.
Wer in diesen Wochen ein Taxi beim De-facto-Monopolisten Taxi Berlin GmbH bestellt, muss damit rechnen, entweder in der Warteschleife zu verenden oder länger warten zu müssen als auf die nächste S-Bahn. Ein neues Computerfunksystem wird eingerichtet, "das stürzt schon mal ab", erklärt die Fachkraft im Taxifunk-Center. Die meisten Taxifahrer sind erbost. "Wir stehen uns in der Stadt die Reifen eckig, und die halten die Kundschaft von uns fern", schimpft der Fahrer in Richtung Tegel.
Mehr als 7.000 Taxis fahren durch Berlin mit zwei unabhängigen Funksystemen: 2006 schlossen sich vier Funkgesellschaften - Würfel-, City-, Quality- und Taxifunk - zur Arbeitsgemeinschaft Taxi Berlin GmbH zusammen, die ein einheitliches Funksystem hat. Ihre Flotte umfasst 4.500 Fahrzeuge. Einziger Konkurrent ist die Wirtschaftsgenossenschaft Berliner Taxibesitzer eG (WBT) mit 2.200 Wagen und eigenem Funksystem.
Seit der Fusion ist die Taxi Berlin GmbH "die marktbeherrschende Gesellschaft", erklärt Dirk Deinert. Er fährt für den Taxifunk. Im März 2006 stellte die Arbeitsgemeinschaft Taxi Berlin erstmals von Sprach- auf Datenfunk um - die Wagen wurden mit tragbaren Minicomputern, sogenannten PDA, ausgestattet, über die die Fahrer ihre Aufträge vermittelt bekamen. "Das System hatte Anlaufschwierigkeiten, lief aber nach einiger Zeit", so Deinert. In diesem Oktober sei nun "von heute auf morgen" eine neue Software eingeführt worden. "Die alten Computer sind für die neue Software aber zu langsam", klagt der Taxifahrer. Passende neue Computer kosteten 2.500 Euro, die die Fahrer zu zahlen hätten.
Doch die hohen Kosten sind nur eins der Probleme. "Die Funkgesellschaft hat das neue System auf den Markt geworfen, ohne es ausreichend zu testen," sagt Deinert. Es sei noch nicht ausgereift, häufig komme es zu Fehlbuchungen: "Wenn Kunden in der Funkzentrale anrufen, können sie per Tastendruck ein Taxi bestellen. Sie kriegen aber keine Bestätigung über die gelungene Bestellung." Manche riefen so lange an, bis sie mit jemand sprechen können, um erneut zu bestellen. "Dann haben sie für eine Fahrt schon zwei Taxis bestellt."
So regt sich unter den Fahrgästen schon bei der Bestellung schnell Unmut. Der entlädt sich dann häufig an den Fahrern, die ohnehin einen umstrittenen Ruf haben: Im vergangenen Jahr testete der ADAC Taxis in zehn deutschen Großstädten - Berlin landete mit der Note "ausreichend" auf dem vorletzten Platz. Nur Frankfurt am Main schnitt noch schlechter ab. "Bei jeder fünften Fahrt auf Abwegen", lautete das Urteil der Tester, die zu viele Umwege und überhöhte Fahrtkosten kritisierten.
Michael Hoffmann vom zuständigen Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (Labo) bestätigt die Vorwürfe. "Die Beschwerden über Fahrtablehnungen, pöbelnde Fahrer und Umwege sind definitiv mehr geworden." Dagegen seien die Beschwerden aufgrund langer Wartezeiten "verschwindend gering".
Bei der Taxi Berlin GmbH weist man alle Vorwürfe zurück: "Die Software wurde umgestellt, weil es schon seit längerer Zeit Mängel gab", sagt Hermann Waldner, Geschäftsführer bei Taxi Berlin. Die neue Software funktioniere bei 90 Prozent der verwendeten Geräte. "Nur ein Bodensatz von 10 Prozent hat noch Probleme, weil die Fahrer irgendwelche Apparate verwenden oder sie falsch bedienen." Die Umstellung sei auch nicht kostspielig: Ein kompatibles Gerät bekämen die Fahrer gegen eine Leihgebühr von 100 Euro.
Anfängliche Komplikationen seien dadurch entstanden, dass zeitweise altes und neues Softwaresystem gleichzeitig verwendet wurden. "Die Fachkräfte in der Zentrale mussten erst umgelernt werden", meint Waldner. Mittlerweile laufe alles wieder rund. "Davon können Sie sich selbst überzeugen, wenn Sie bei uns anrufen", verspricht Waldner: "Die Vermittlung eines Fahrauftrags in das am nächsten gelegene Taxi dauert durchschnittlich 5 bis 12 Sekunden."
Am Taxistand klingt das anders: "Es ist alles durcheinander", beschwert sich ein Fahrer vom Würfelfunk. Die Software sei immer noch voller Fehler. GPS und Telefon fielen immer wieder aus. "Seit Oktober gab es schon sechs oder sieben Updates." Auch ein Taxiunternehmer bestätigt die anhaltenden Probleme. Mehr will er aber nicht sagen, um es sich nicht mit der Führungsetage der AG zu verscherzen.
"Über kurz oder lang werden sich die Probleme einrenken", glaubt Fahrer Deinert. Man könne sich sowieso nicht dagegen wehren. "Die Fahrer sind gezwungen, das neue System zu übernehmen, weil sie sonst keine Aufträge mehr bekommen." Widerstand erwartet er daher nicht: "Wir könnten nur etwas erreichen, wenn alle an einem Strang ziehen und für 24 Stunden die Geräte ausschalten." Das hält er aber für unrealistisch: "Alle wollen Geld verdienen", sagt er und fügt hinzu: "Man kann es ihnen auch nicht verübeln."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?