Gestapo-Gedenken in Hamburg: Die Zentrale des Terrors
Der Gedenkort „Stadthaus“ in Hamburg ist eine Blamage. Im Stuttgarter „Hotel Silber“ ist zu sehen, wie es hätte werden können.
Die Parallelen zu Hamburg sind deutlich: Auch dort befindet sich der frühere Sitz von Gestapo, Kripo und Sicherheitsdienst, das „Stadthaus“, in bester Innenstadtlage. In Stuttgart war geplant, das geschichtsträchtige Gebäude rigoros abzureißen und etwas Neues zu bauen; in Hamburg sollte komplett umgebaut werden. In beiden Städten sollte irgendwo inmitten des anvisierten baulichen Neubeginns eine Art kleinerer Gedenk- und Informationsort entstehen. Nur gibt es einen entscheidenden Unterschied: In Stuttgart ist schließlich das Projekt einer informativen wie würdigen Erinnerungsstätte überzeugend gelungen. In Hamburg ist man nach derzeitigem Stand krachend gescheitert.
Dort beginnt die neuere Geschichte des Stadthauses, das die neuen Eigentümer unter dem werbischen Namen Stadthöfe vermarkten, als der damalige CDU-Senat 2009 das Gebäude für 54 Millionen Euro an den Immobilien-Entwickler Quantum verkauft. Der wandelt das Gebäude um, schickt es auf. Heute ist ein hochpreisiges Hotel eingezogen, dazu gesellen sich Gastronomie und exquisiter Einzelhandel, Glas und Stahl bestimmen die Szenerie.
Anfangs waren im Erdgeschoss 700 Quadratmeter für einen Informations- und Gedenkort eingeplant und auch vertraglich mit der Stadt vereinbart. Doch nun lädt auf der vorgesehenen Fläche ein Café zum Verweilen ein, eine Buchhandlung zum Bücherkaufen. Wer etwas über die Historie des Ortes erfahren möchte, findet sich auf lediglich 70 Quadratmetern Ausstellungsfläche wieder.
Bei den dort präsentierten Materialien und Dokumenten handelt es sich mitnichten um die geplante Dauerausstellung zur NS-Geschichte des Stadthauses. Denn obwohl seit 2009 feststand, dass es diese Ausstellung geben soll, wurde bei der Eröffnung neun Jahre später lediglich eine Art Best-of einer Ausstellung über die NS-Geschichte der Hamburger Polizei aus dem Jahr 2012 präsentiert. Eine eigens auf den Raum zugeschnittene Dauerausstellung werde derzeit unter der Regie der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erarbeitet, heißt es aus der zuständigen Hamburger Kulturbehörde. Zu sehen sein sollte sie zunächst im Sommer 2019, nun soll es der Herbst werden.
Da hat man in Stuttgart ganz anders gehandelt, auch wenn es kein leichter Weg dorthin war: „Auch bei uns hatte das Land als Eigentümer des Gebäudes mit dem Kaufhaus Breuningen einen Partner mit eigenen Interessen“, beginnt Friedemann Rincke zu erzählen, einer der beiden Kuratoren der Dauerausstellung im Hotel Silber. „Das ist ja auch nicht verwerflich. Aber dagegen hat sich Widerstand formiert und es hat ein anderes Ende genommen.“
Rincke war vorher in der Gedenkstätte Buchenwald und im Deutsch-Russischen Museum Karlshorst tätig. Als er nach Stuttgart kam, sei der Stand folgender gewesen, erinnert er sich: „Hier entsteht ein Quader mit einem Einkaufszentrum und weiteren Verkaufsflächen.“ Budgetiert war, wie in Hamburg, dass im Rahmen des Neubaus ein Informationsort eingerichtet werden sollte: „Was mit Polizei und Nationalsozialismus, konzeptionell war das noch sehr unausgereift“, sagt Rincke.
Empörung prägte die Stadt
Es folgte Stuttgart 21, Protest und Empörung prägten die Stadt. Die Bürger, die sich zuvor in der „Initiative Hotel Silber“ zusammengeschlossen hatten, um den Ort zu retten, ließen nicht locker: Mit Demonstrationen und Unterschriftenlisten, mit Eingaben und Flash-Mobs sorgten sie für anhaltende Aufmerksamkeit.
Schließlich die Landtagswahl 2011 mit dem überraschenden Ergebnis, dass sich an der Seite des Grünen Ministerpräsidenten Wilfried Kretschmann die SPD als Juniorpartner in der Landesregierung wiederfand. Das sollte das Projekt „Hotel Silber“ beflügeln, für das die SPD im Wahlkampf geworben hatte. „Es war die Landes-SPD, die das Hotel Silber zu ihrem Herzensprojekt gemacht hat,“, sagt Rincke. Dessen Realisierung ließ sie nun in den Koalitionsvertrag eintragen: „Und damit war der Erhalt des Gebäudes politisch abgesegnet.“
Es folgte eine längere Planungsphase, immer unter dem kritischen Blick der Bürgerinitiative: „Es gab anfangs alle Varianten – von ‚wir brauchen das ganze Haus‘ bis ‚eine Etage muss reichen‘“, so Rincke. Am Ende musste er eine schmerzliche Kürzung hinnehmen: „Wir hatten gedacht, dass wir die Dauerausstellung auf zwei Stockwerken präsentieren können, das mussten wir halbieren.“
Mehr als eine Dauerausstellung
So ist es nun eine Gesamtfläche von 1.400 Quadratmetern mit 330 Quadratmetern reiner Dauerausstellungsfläche geworden. „Für mich ist das knapp an der kritischen Masse, wo man es noch vernünftig machen kann“, sagt Rincke. Wo man einen thematischen roten Faden spinnen könne, der halte; wo man keine allzu großen zeitlichen Sprünge machen und nicht zu viele Themen weglassen müsse.
Viereinhalb Millionen Euro wurden in die Sanierung des Gebäudes investiert; in den Innenausbau und die Gestaltung der Stuttgarter Dauerausstellung flossen drei Millionen Euro. Jährlich steht der Einrichtung ein Etat in Höhe von 560.000 Euro zur Verfügung. „Er sichert uns ein vernünftiges Überleben, auch wenn wir keine allzu großen Sprünge machen können“, sagt er.
Immerhin kann das Haus mehr bieten als nur seine Dauerausstellung: 270 Quadratmeter sind für Wechselausstellungen vorgesehen; zur Verfügung stehen außerdem zwei Seminarräume und mit dem 125 Quadratmeter großen ausgestalteten Foyer ein Veranstaltungsraum.
Anderer Umgang mit Akteuren
Für ein vergleichbares Angebot sollen im Hamburger Stadthaus übrigens die schon erwähnten 70 Quadratmeter reichen: für „Ausstellung, Seminare, Veranstaltungen, Inszenierungen, Dokumentationen“, so listet es eine Senatsdrucksache auf.
Grundsätzlich anders ist in Stuttgart auch der Umgang mit Akteuren außerhalb der Stadtverwaltung. Die wollte man in Hamburg zunächst außen vor lassen, auch wenn etwa die Hamburger Geschichtsinitiativen sich frühzeitig bei der verantwortlichen Kulturbehörde nach dem Stand der Konzeption erkundigt und ihre Mitarbeit angeboten hatten.
Erst als durchsickerte, wie sich die Ausstellungsfläche immer weiter verkleinerte, als der Projektentwickler Quantum die Oberlichter zum Keller mit den ehemaligen Gefängniszellen mit flotten Sprüchen wie „Kopp hoch, Chérie“ verzierte und nicht nur Angehörige von hier misshandelten NS-Opfern vor den Kopf stieß, als sich die Geschichtsinitiativen und Vertreter der Angehörigen-Verbände ehemaliger NS-Verfolgter zur „Initiative Lernort Stadthaus“ zusammenschlossen – als also schlicht immer mehr Ärger in der Luft lag, wurde ein wissenschaftlicher Beirat eingerichtet. Der hat aber lediglich beratende Funktion; die Hamburger Kulturbehörde kann ihn anhören, er hat aber nichts mitzuentscheiden.
Lohnendes Aufeinanderzugehen
Im Stuttgarter Hotel Silber sitzt man dagegen längst an einem Tisch. „Es war schnell klar, dass die Bürgerinitiative mit im Boot bleibt und auch akzeptiert wird und nicht nach und nach weggedrängt wird“, sagt Friedemann Rincke.
Aber die Bereitschaft der Stadt zur Beteiligung und das Aufeinanderzugehen beider Seiten habe sich gelohnt: „Die Beteiligung der Bürgerinitiative, in welchen Gremien sie sitzt, welches Stimmrecht sie dort jeweils hat, aber auch ihre Pflichten wurden am Ende vertraglich geregelt“, so Rincke. Er betont mit einigem Stolz in der Stimme: „Alles, was Sie heute hier sehen, jeder Text und jede Beschriftung ist mit der Initiative diskutiert.“ Er holt tief Luft und sagt: „Wirklich jeder Satz!“ Gewiss, das sei mühsam gewesen – je mehr Beteiligte zusammensäßen, desto mehr Meinungen und Einschätzungen gebe es.
Das fängt an im Eingangsbereich, wo anhand nur weniger Exponate pointiert die Nachkriegsgeschichte des Gebäudes erzählt wird – etwa mit einem Foto der Fassade, auf dem in den Nachkriegsjahren die Hakenkreuzfahnen lieber wegretuschiert wurden.
Perfektes Unterdrückungshandwerk
Gezeigt wird aber vor allem, wie stringent im Hotel Silber die Gestapo und auch die Kripo lückenlos ihr Unterdrückungshandwerk perfektionierten; wie aus den nüchternen Amtsstuben heraus politische Gegner erst überwacht, dann eingeschüchtert und schließlich verfolgt wurden; wie die Deportation der Stuttgarter Juden und der Roma und Sinti organisiert wurde; wie man Zwangsarbeiter drangsalierte; wie noch in den letzten Kriegstagen im Hause Verbrechen verübt wurden oder wie die vor den einrückenden Franzosen fliehenden Gestapobeamten sich zur Geheimorganisation „Elsa“ zusammenschlossen, die Verbindungen bis nach Hamburg knüpfte – da schließt sich der Kreis noch mal ganz anders.
Es gibt viel zu lesen und zu betrachten, Originalexponate und Schautafeln ebenso wie auf Tablets. Dabei gelingt etwas Außerordentliches: Die Ausstellung zeigt so exemplarisch wie umfassend die Geschichte des Hauses; sie setzt auf viele Details und schafft es zugleich, den Blick auf das große Ganze des NS-Regimes zu schärfen. Sie macht damit überdeutlich, wie kolossal Hamburg an derselben Herausforderung gescheitert ist.
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