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Gespräche über "Stuttgart 21"Schwarz-Grün will Streit schlichten

Grüne und CDU in Baden-Württemberg laden zu einem runden Tisch über das Bahnprojekt in der Landeshauptstadt ein. Aktivisten besetzten fünf Stunden lang Bagger.

Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 hatten einen etwa zehn Meter hohen Bagger besetzt. Bild: dpa

STUTTGART taz | Gemeinsam wollen CDU und Grüne in Baden-Württemberg den Streit um das milliardenschwere Bahnprojekt "Stuttgart 21" entschärfen. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) und Winfried Kretschmann, Fraktionschef der Grünen im Landtag, teilten am Montag mit, sie hätten seit einer Woche über einen runden Tisch zum Thema verhandelt. Nun wollen sie zu einem Gespräch zwischen Befürwortern und Gegnern über den Bau des unterirdischen Bahnhofs einladen.

Doch unter den Beteiligten scheint es noch Differenzen darüber zu geben, unter welchen Bedingungen sie sich im September versammeln wollen. Mappus hinterließ am Montag den Eindruck, dass das Vorhaben trotz Gespräche nicht zur Disposition stehe.

"Ich bin überzeugt, dass das Projekt Zukunft hat", sagte er. Nach Kretschmanns Ansicht wurde jedoch ein absolut offenes Gespräch vereinbart. Dabei müsse es selbstverständlich auch um Alternativen zum Tiefbahnhof gehen.

Kretschmann, ein offenkundiger Befürworter schwarz-grüner Koalitionen, scheint ein Gespräch auch dann für sinnvoll zu erachten, wenn die Abrissarbeiten während dieser Zeit nicht ruhen. Wichtig sei, dass man überhaupt erst mal miteinander redet." Das Schlimmste ist doch, dass das Gespräch scheitert.

Dann wären wir da, wo wir heute auch sind." Kretschmanns Fraktionskollege Werner Wölfle unterstrich dagegen, dass er einen Abrissstopp sehr wohl als wichtiges Zeichen ansehe, um eine breite Akzeptanz für die Gespräche herzustellen. Bildlich gesprochen meinte er, man könne nicht über die Verteilung einer Pizza diskutieren, während einer schon isst.

Wölfles Stuttgarter Grünen-Kreisverband ist auch Teil des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. Dieses hatte sich am Sonntag klar gegen ein Gespräch ausgesprochen, sofern die Baumaßnahmen weiterliefen. Damit hatten sie auf das Gesprächsangebot von Bahnchef Rüdiger Grube reagiert, der laut Kretschmann mit der Idee der Grünen und der CDU vorgeprescht war.

Unterdessen gingen die Proteste am Stuttgarter Hauptbahnhof weiter. In aller Früh gelang es drei AktivistInnen der Umweltschutzorganisation Robin Wood und der Initiative Parkschützer, den Abrissbagger zu besetzen, an den sie ein Transparent spannten mit der Aufschrift "Hallo …?! Gehts noch?".

Sieben weitere Demonstranten wurden, nachdem sie den Bauzaun überwunden hatten, zwischenzeitlich von der Polizei in Gewahrsam genommen. Nach gut fünf Stunden räumten Spezialeinsatzkräfte den Bagger.

Ministerpräsident Mappus schlüpfte derweil in seinen neuen "Mapbus". Auf einer Sommertour will er ein halbes Jahr vor der Landtagswahl auf Tuchfühlung mit den Bürgern gehen. Den Bahnhof meidet er dabei.

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10 Kommentare

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  • A
    anselm

    jaja, entäuschte liebe ist am schlimmsten... ich bin immer noch grünen-wähler und finde es richtig, dass eine partei mit dem politischen gegner reden will. dass der protest das nicht kann, ist auch klar. protest als kommunikationsform kann nur agitieren, meistens gegen etwas. lösungen werden so aber nicht erarbeitet, das schafft nur die politik. im zweifelsfall eben über eine neue mehrheit um dieses unselige projekt zu stoppen. also hört auf mit diesem billigen grünen-bashing, das find ich langweilig.

  • MS
    M. Stocker

    Diese Barbaren, Banausen, Betrüger reißen gerade den mittleren Teil des Nordflügels ab!! Möge auch den Grünen jeder einzelne Brocken auf die Zehen fallen, wenn sie es nicht schaffen, diese Art des politischen Sadismus gegenüber der Mehrheit der Stuttgarter zu stoppen, und zwar dadurch, dass sie endlich einmal BEDINGUNGEN stellen. Der Höhenflug der BW-Grünen kommt nur von der Unbeirrbarkeit des K21-Aktionsbündnisses und der (grünen) Kreisvorsitzenden Irmela Neipp-Gerecke. Keine Dialog-Simulation während der Abbrucharbeiten!

  • J
    joe

    Da hat sich dieser Herr Kretschmann aber schön über den Tisch ziehen lassen. Wenn es stimmt, dass er vor einer Woche, Montag, einen Dialog ausgehandelt hat, dann war das zwei Tage später, am Mittwoch bereits Makulatur, denn da wurde mit dem Abriss begonnen - der nun auch brutal weiter geführt wird.

  • K
    Kommentator

    Ich habe grün gewählt!

     

    *in Deckung geh*

     

    ....vor langer Zeit

     

    ...und ich schäme mich noch heute dafür.

  • EG
    ehemaliger Grünen-Wähler

    Genau - Solange sie nur an die Fleischtöpfe der Macht kommen können, sind die Grünen wirklich zu allem bereit: Sie haben Kriege befürwortet und sich daran beteiligt, sie haben sich mit ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik in der rot-grünen Koalition weit rechts von dem gestellt, was in der alten Bundesrepublik Konsens war und hemmungslos mit Wirtschaftslobbyisten gekungelt.

    Einiges davon dürfte sicher auf die geringe Qualifikation großer Teile ihres politischen Personals zurückzuführen sein - diese Taxifahrer, Krankenpfleger und 3-Semester-Akademiker haben vermutlich gar nicht so richtig begriffen, was ihnen die Expertenzirkel der Bertelsmann-Stiftung und anderer Organisationen, die sie in ihre Ministerien geholt haben, da untergejubelt haben. Das Meiste aber wird lediglich der völligen Prinzipienlosigkeit dieser Typen geschuldet sein. So ist aus den linken Grünen mit den Jahren eine rechte ÖDP geworden ...

  • J
    Jeronimo

    Die weich geeierten Grünen at its best. Diese durch und durch verkommene Partei pumpt die Blase, in der sie sich quotenmäßig befindet, immer weiter auf - bis sie hoffentlich bald platzt

  • V
    vic

    Die Grünen? Welche Grünen?

    Die sind lange ausgestorben. Mir wird übel wenn ich Künast, kamerabewusst wie immer, in der ersten Reihe der Demonstration sehen muss.

  • B
    bempo

    Dann heisst es irgendwann auf nem grünen Parteitag: "Leute, hört zu: Nur mit dem neuen Bahnhof und dem Atomklops Mappus können wir unsere grünen Ziele am Besten umsezten!" Wetten?

  • UM
    Uwe Müller

    Lächerlich...was gibt es denn zu schlichten, während der Bahnhof weiter abgerissen wird und Fakten geschaffen werden?

  • EG
    Ex Gallier

    Da bereiten sich die Grünen wohl auf Schwarz/Grün vor.

    Im Verrat an ihren Idealen sind die Grünen ja geübt.