Streit um "Stuttgart 21": Bund fürchtet Kostenexplosion
Mögliche Mehrausgaben bei der Neubaustrecke nach Ulm drohen das Verkehrsbudget des Bundes aufzuzehren. Und Rot-Grün kriegt im Ländle durch "Stuttgart 21" Rückenwind.
STUTTGART taz | Das umstrittene Milliardenprojekt "Stuttgart 21" könnte womöglich ins Wanken geraten. Der Bund will die explodierenden Kosten für die mit dem Tiefbahnhof zusammen geplante ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm nicht alleine tragen. Dies berichtet die Stuttgarter Zeitung unter Berufung auf das Bundesverkehrsministerium und Bahnkreise. Demnach will der Bund, dass auch das Land Baden-Württemberg und die Bahn einen Teil der zusätzlichen Kosten übernehmen.
Bereits im Juli hatten Bahn und Landesregierung erklärt, dass die Neubaustrecke um 865 Millionen teurer werde als bislang angenommen. Statt 2,0 Milliarden Euro werde sie 2,9 Milliarden Euro kosten. Und die Kosten könnten noch weiter steigen. Wegen aufwendiger Bauarbeiten rechnen Experten damit, dass die Strecke durchaus 5 Milliarden Euro kosten könnte.
Vertraglich ist festgelegt, dass der Bund entstehende Mehrkosten allein trägt. Normalerweise zahlt der Bund neue Schienenstrecken sowieso alleine. Die Strecke nach Ulm gilt im Verkehrswegeplan jedoch nicht als vordringlich, weshalb sich das Land an den Kosten beteiligt hat, um den Bau vorzuziehen.
Sollte der Anteil des Bundes tatsächlich auf 4 Milliarden Euro anwachsen, wäre das nicht viel weniger, als Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) bis 2020 voraussichtlich bundesweit für alle Schienenbauprojekte zur Verfügung steht. Ohne die Neubaustrecke wäre auch der neue Durchgangsbahnhof in Stuttgart nutzlos, denn moderne Eisenbahntunnel würden dann auf der Schwäbischen Alb auf einer Bummelstrecke enden.
"Wir sind mit allen Beteiligten in enger Abstimmung, um die Finanzierung auch unter den Gegebenheiten der gestiegenen Kosten sicherzustellen", sagte ein Sprecher des Bundsverkehrsministeriums der taz. Ein Sprecher des baden-württembergischen Verkehrsministeriums sagte hingegen: "Wir sind an keinen Gesprächen beteiligt." Auch die Bahn dementierte derartige Gespräche.
Unterdessen könnte der Streit über "Stuttgart 21" Rot-Grün einen Wahlsieg bei der Landtagswahl im März nächsten Jahres bescheren. Laut einer neuen Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins Stern kommen die Grünen auf einen Rekordwert von 24 Prozent, gleichauf mit der SPD. Die Regierungspartei CDU kommt auf 37 Prozent, ihr Koalitionspartner FDP auf 6 Prozent. Der neue Bahnhof wird von der Mehrheit der Baden-Württemberger abgelehnt. Auf die Frage, ob sie für das Großprojekt seien, antworteten 51 Prozent mit Nein und 26 Prozent mit Ja.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahl in den USA
Sie wussten, was sie tun
Obergrenze für Imbissbuden
Kein Döner ist illegal
SPD nach Ampel-Aus
Alles auf Olaf
Kritik an der taz
Wer ist mal links gestartet und heute bürgerlich?
Regierungskrise in Deutschland
Ampel kaputt!
CO₂-Fußabdruck von Superreichen
Immer mehr Privatjets unterwegs