Gesetzesinitiative für gleichen Lohn: Blick ins Portemonnaie des Kollegen
Frauenministerin Manuela Schwesig will, dass Unternehmen die Durchschnittsgehälter ihrer Mitarbeiter veröffentlichen. In Skandinavien ist das Alltag.
BERLIN taz | 13 Prozent sind es bei der Kellnerin. 29 Prozent bei der Versicherungsfrau. 16 Prozent im Bildungsbereich und 24 Prozent im Gesundheitswesen. So viel verdienen Frauen im Durchschnitt weniger als ihre männlichen Kollegen. Seit Jahren bewegt sich die sogenannte Lohnlücke zwischen Frauen und Männern laut Statistischem Bundesamt auf hohem Niveau, derzeit sind es 22 Prozent.
Vernachlässigt man Faktoren wie die häufige Teilzeit von Frauen und Auszeiten wegen der Kinder und der Pflege Angehöriger, die den Lohn senken, bleibt noch immer eine Lücke von 6 bis 8 Prozent. Ein „unerklärlicher“ Rest, wie ExpertInnen sagen. Diese Ungerechtigkeit, die auch der Koalitionsvertrag beklagt, will Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) jetzt per Gesetz beheben.
Das sogenannte Entgeltgleichheitsgesetz will sie mit einer „Transparenzinitiative“ bewerben. Start soll der 20. März sein – der Equal Pay Day. Das ist der Tag, bis zu dem Frauen über das Jahr hinaus arbeiten müssten, um auf dasselbe Gehalt zu kommen wie ihre Kollegen.
Schwesig will, dass jede und jeder in der Firma erfahren darf, wie hoch das Durchschnittsgehalt für vergleichbare Tätigkeiten ist, insbesondere in Unternehmen ab 500 MitarbeiterInnen. Nur dadurch ließe sich die geschlechterbedingte Diskriminierung abbauen. Schwesigs Idee der „öffentlichen Gehälter“ war noch gar nicht richtig in der Welt, da gab es schon Gegenwind. Volker Kauder moderierte das Vorhaben mit den Worten ab: „In diesem Jahr wird das nichts mehr.“ Von „zu viel Bürokratie“ und einem „Klima des Misstrauens“ spricht die Wirtschaft.
Weiteres Gerechtigkeitsprojekt der SPD
Dabei hat Schwesig genau das Gegenteil im Blick: ein „Gesetz des Vertrauens auf Lohngerechtigkeit“. Skeptiker versucht sie zu beruhigen: Es soll nicht möglich sein, „das Gehalt des Kollegen einzeln zu erfahren“, sondern lediglich der Vergleich, „ob die eigene Einstufung in einer vergleichbaren Gruppe erfolgt“ ist.
Das Entgeltgleichheitsgesetz ist neben der Frauenquote und dem Mindestlohn ein weiteres SPD-Gerechtigkeitsprojekt, das grundsätzlich auch von der Opposition unterstützt wird. Doch wie bei dem Quotengesetz geht das Vorhaben den Grünen und der Linkspartei nicht weit genug. So fordert Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Sanktionen, falls die Vorgaben nicht eingehalten werden. „Selbstverpflichtungen bringen nichts“, sagt sie. Die Linkspartei fordert einen „Maßnahmenplan“ zur gleichen Bezahlung von gleicher und gleichwertiger Arbeit.
Darüber hinaus gehe es darum, so Carola Möhring, gleichstellungspolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag, mehr Männer für „typisch weibliche“ Berufe wie bei der Kinderbetreuung und im Gesundheitssektor zu gewinnen und damit schlecht bezahlte, aber wichtige Berufe aufzuwerten. Die Männer in diesen Branchen besetzen meist die besser bezahlten Leitungsposten.
Was in Deutschland Widerstand hervorruft, ist in Schweden schon lange Alltag. In dem skandinavischen Land kann jede und jeder erfahren, was die KollegInnen, die NachbarInnen und die Freunde verdienen. Das Finanzamt, das alle Daten sammelt, gibt bereitwillig Auskunft. Auch das Nachbarland Norwegen veröffentlicht regelmäßig Gehaltsdaten. Die Kritik dort: Darunter leiden die Kinder armer Leute.
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