Gesetzentwurf der Justizministerin: Schutz für WhistleblowerInnen
Wer auf Missstände in Unternehmen oder Behörden hinweist, soll bald vor Repression geschützt sein. Unklar ist noch, ob die Union dabei mitzieht.
![Christine Lambrecht (SPD), Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, gibt ein Pressestatement Christine Lambrecht (SPD), Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, gibt ein Pressestatement](https://taz.de/picture/4567143/14/Christine-Lambrecht-1.jpeg)
Wer in seinem Unternehmen einen Skandal aufdeckt, soll sich demnach nicht mehr vor Kündigung und anderen Repressalien fürchten müssen, so der Grundgedanke des Gesetzentwurfs der Justizministerin. Das Gesetz soll nicht nur in der Privatwirtschaft gelten, also zum Beispiel bei Autokonzernen, Wurstfabriken oder Pflegeheimen, sondern auch bei Behörden und der Bundeswehr. Geschützt werden deshalb nicht nur normale ArbeitnehmerInnen, sondern auch BeamtInnen, SoldatInnen und RichterInnen.
Bisher basierte der Schutz von WhistleblowerInnen in Deutschland nur auf vereinzelten Gerichtsurteilen. Gesetzentwürfe von SPD und Grünen fanden bisher nie eine Mehrheit.
Der Anstoß für eine gesetzliche Regelung kommt von der EU. 2019 wurde auf EU-Ebene eine Richtlinie zum Schutz von WhistleblowerInnen beschlossen, die bis Dezember 2021 in nationales Recht umzusetzen ist. Sie gilt aus Kompetenzgründen allerdings nur für die Aufdeckung von Mißständen, die gegen EU-Recht verstoßen.
Und das Wirtschaftsministerium?
Seit einem Jahr diskutiert die Große Koalition bereits, wie diese EU-Richtlinie in deutsches Recht transformiert werden soll. Die CDU/CSU forderte eine enge „eins-zu-eins“-Umsetzung, die nicht über das EU-Recht hinausgeht. Die SPD verlangte eine Ausweitung des WhistleblowerInnen-Schutzes auf die Verletzung von deutschem Recht. Sonst wüssten nur juristisch gebildete HinweisgeberInnen, ob sie geschützt sind oder nicht.
Der Referentenentwurf des Justizministeriums folgt nun klar der SPD-Linie. Auch Verstöße gegen deutsches Recht sollen gefahrlos gemeldet werden können. Dies gilt jedenfalls immer, wenn eine Vorschrift so wichtig ist, dass den Verantwortlichen bei Verstößen Strafen oder Bußgelder drohen. Und skandalträchtige Felder, wie das Umwelt- und Lebensmittelrecht sollen generell erfasst sein. Es ist noch nicht sicher, ob bei dieser Lösung auch das CDU-geführte Wirtschaftsministerium mitzieht. Der Kabinettsbeschluss ist für Anfang 2021 geplant.
Um Verstöße zu melden, sieht der Gesetzentwurf zwei gleichwertige Wege vor. Die WhistleblowerInnen können sich entweder an eine „interne Stelle“ in ihrem Unternehmen wenden. Oder sie können eine „externe Stelle“, etwa beim Bundesdatenschutz-Beauftragten, über den Misstand informieren.
In Ausnahmefällen können Hinweisgebende auch sofort an die Öffentlichkeit gehen. Sie können Medien oder soziale Netzwerke informieren, wenn die Meldung an eine externe Stelle zu spät käme, keine Erfolgsaussichten hat oder wenn sogar Sanktionen drohen.
Der Gesetzentwurf schützt die Hinweisgebenden nicht nur vor Kündigungen, sodern auch vor anderen Repressalien. Dies kann zum Beispiel die Verweigerung einer Beförderung oder einer Fortbildung sein. Da der Zusammenhang für Whistleblower oft schwer zu beweisen ist, gilt hier eine Beweislastumkehr: Die ArbeitgeberInnen müssen belegen, dass die nachteilige Behandlung nichts mit der Aufdeckung des Missstands zu tun hat.
Wenn eine Kündigung gegen das WhistleblowerInnen-Schutzgesetz verstößt, ist sie „nichtig“, das Arbeitsverhältnis besteht also weiter. Außerdem können Betroffene dann Schadensersatz erhalten.
Vor strafrechtliche Sanktionen werden Whistleblower bereits seit 2018 gesetzlich geschützt. Damals beschloss der Bundestag das Gesetz über Geschäftsgeheimnisse, das auch großzügige Regelungen im Interesse von HinweisgeberInnen und JournalistInnen vorsieht.
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