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Gesetz zur CO2-SpeicherungZu viel „Pragmatismus“

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Die Ampel-Koalition will die CO2-Speicherung für fossile Kraftwerke erlauben. Statt Greenwashing zu ermöglichen, sollten Emissionen vermieden werden.

Bottrop, 23.01.2024: Himmel über dem Ruhrgebiet Foto: Rupert Oberhäuser/imago

T echnologieoffenheit auch für Blödsinnstechnologien, anders scheint es nicht zu gehen bei der Ampel. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett ein CO2-Speichergesetz beschlossen. Es geht darum, dass das Treibhausgas Kohlendioxid unterirdisch gespeichert werden darf, wo es dann nicht mehr die Atmosphäre aufheizen kann. Vor allem geht es um Lager unter der Nordsee. Dafür muss das Gas erstmal gesammelt werden. Das heißt: Entweder man filtert es mühsam aus der Luft, oder man scheidet es direkt bei der Entstehung in fossilen Kraftwerken und Industrieanlagen ab.

Das Problem ist: Die Technologien sind noch in frühen Entwicklungsstadien. Der Erfolg bisheriger Projekte lässt zu wünschen übrig. Ein großer Teil des Gases entweicht dabei immer noch in die Luft. Die Bundesregierung will dennoch auch den Einsatz in Gaskraftwerken zulassen. Das ist keine gute Idee. Stattdessen sollte es darum gehen, die Gewinnung von Strom und Wärme möglichst schnell erneuerbar zu machen.

Außerdem ist das unterirdische CO2-Speichern nicht komplett risikofrei. Lecks wären ein Problem für Tiere und Pflanzen in der Nordsee, der positive Klimaeffekt wäre natürlich auch dahin. Sowieso gibt es nicht unendlich viele Lagerkapazitäten. Das alles spricht dafür, die CO2-Abscheidung nur dort zum Einsatz zu bringen, wo Treib­hausgase bisher praktisch unvermeidlich sind, wie in manchen Industrieprozessen – und die Emissionen in allen anderen Fällen gleich gänzlich zu vermeiden.

Natürlich zwingt niemand Energiekonzerne, auf die CO2-Abscheidung zu setzen. Sie werden es in vielen Fällen auch tunlichst vermeiden, denn das Ganze wird auf absehbare Zeit teuer bleiben. Sie können aber auf einen möglichen Einsatz verweisen, um jetzt ihr fossiles Geschäftsfeld zu legitimieren. Unschön.

Von „Klimapragmatismus“ hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch gesprochen. Jedoch, bei zu viel „Pragmatismus“ droht der Klimaschutz auf der Strecke zu bleiben. Die Abgeordneten des Bundestags sollten versuchen, wieder ein bisschen reine Lehre ins Gesetz zu bekommen – um Risikotechnologien nicht mehr als unbedingt nötig zu nutzen.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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6 Kommentare

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  • Für theoretische Planwirtschaft ist es nun zu spät!

    Basis der Entscheidung, die Kernkraftwerke abzuschalten, war die Annahme, der Strombedarf würde nicht weiter steigen. Das Wirtschaftsministerium legte erst im Juni 2021 eine korrigierte Stromprognose vor. Inzwischen sind Autos und Wärmpumpen eingepreist. Aber nicht die KI. Solaranlagen werden ausgebaut. Diese liefern im Winter nur wenig und in der Nacht nie Strom. (Solaranlagen liefern in Deutschland nur 1000 Vollaststunden im Jahr. Von 8760!). Die nächsten 20 Jahre kommt Deutschland ohne Kraftwerke nicht aus.

    Ungünstige Wetterlagen erfordern die Finanzierung von Überkapazitäten, neuen Verkabelungen von lokaler, bis überregionaler Ebene. Ein Wasserstoffnetz soll her. Es sollen Speicher finanziert werden … Wasserstoff muß teuer importiert werden, da in Deutschland Elektrolyseure nur Stundenweise laufen können (Nur wenn noch überschüssiger Strom aus Erneuerbaren Energien zur Verfügung steht nachdem die Speicher gefüllt sind.) Deutschland entsorgt zunehmend Strom bezuschußt ins Ausland und importiert ihn teuer, wenn er hier knapp ist… Die Energiewende implodiert.

    CO2-Abscheidung ist unvermeidbar, wenn CO2-Zertikate teurer werden.

  • " Stattdessen sollte es darum gehen, die Gewinnung von Strom und Wärme möglichst schnell erneuerbar zu machen."

    Die Gewinnung an sich ist nicht das grundsätzliche Problem. Das können wir längst. Aber die Gewinnung ist nicht rund um die Uhr zuverlässig möglich. Was wir benötigen, dass sind geeignete Speicher für die Zeiten, in denen wir Strom und Wärme nicht direkt gewinnen können. Und für eine zuverlässige Energieversorgung rund um die Uhr reichen dazu Anlagen, die nur ein paar Stunden überbrücken können, keinesfall aus.

    Bevor wir das Speicherproblem nicht gelöst haben, können wir (ohne Atomkraft) auf Verbrennungskraftwerke nicht verzichten. Soviel Pragmatismus muss sein. Die Bevölkerung würde mehrheitlich eher eine zunehmende Erderwärmung, als einen spürbaren Energiemangel hinnehmen.

  • 6G
    601161 (Profil gelöscht)

    Die Hoffnung, "Klimapragmatismus" werde durch die "Reine Lehre" ersetzt werden läßt mich nur noch spötteln: Also so, wie ehemals in den erfolgreichen Ländern, die es alle nicht mehr gibt...? Um nicht auch diesen Weg zu beschreiten, werden die Parteien ganz im Gegenteil "Wählerpragmatismus" betreiben. Man wird erklären: "Nur wenn wir überhaupt gewählt werden, können wir uns thematisch einbringen."



    Dieses Jahr stellt sich in D keine wirtschaftliche Erholung ein, gerade dieser Tage wird über stärkeren Personalabbau in einigen Unternehmen berichtet. Die ersten starken Rückgänge der Gewerbesteuer (Ludwigshafen) sind zu verzeichnen und die aktuelle Inflationsrate STEIGT wieder. These: Aus dem energiepolitischen Umbau geht demnächst Tempo massiv RAUS !

  • Wieviel CO² muss man speichern pro Jahr um einen klimatechnisch messbaren Effekt zu erzielen und was kostet das?



    Dann lieber mit dem Geld zügig Stromspeicherkapazitäten und Leitungen ausbauen , Solar besser fördern .



    Das bringt mehr!

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Es ist ganz einfach eine weitere Preisgabe vormals „grüner“ Position zugunsten der der fossilen Wirtschaftslobby.

    Nicht nur weil CCS, wie im Artikel beschrieben, überhaupt nicht ausreichend erforscht ist. Und wahrscheinlich nicht zeitnah verfügbar seine wird.

    Die Umweltrisiken sind enorm und insgesamt durchaus mit der ungelösten Endlager-Problematik der Kernbrennstoffe zu vergleichen.

    Noch wichtiger ist aber ein anderes Signal von RH an die Deutschen: Ihr könnt Euern ruinösen Lebensstil fortsetzen, wir haben jetzt eine Lösung.



    Der Druck zur Vermeidung weiterer THG wird verringert. Trotz vorhandener wirtschaftlicher und sicherer Alternativen. Trotz einer sehr unsicheren Perspektive, ob CCS überhaupt funktioniert.

    Ein Schlag ins Gesicht für alle, die sich für die Vermeidung von CO2 eingesetzt haben. Die in neue CO2-freie Technologien investiert haben im Glauben auf einen sich wandelnden Markt und den Vertrag von Paris.

    Ein weiterer Schlag ins Gesicht klima- und umweltbewußter WählerInnen, die den Grünen ihre Stimme anvertraut haben.

    • @48798 (Profil gelöscht):

      "die den Grünen Ihre Stimme anvertraut haben" - jetzt seit nicht so überrascht ! Hättet Ihr die Lebensläufe des grünen Spitzenpersonals genauer angesehen, hättet Ihr gewusst was Ihr bekommt