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Gesellschaftsumfrage der tazReiche mögen noch die FDP

Eine Umfrage zeigt: Reiche interessiert die Euro-Krise, Geringverdiener soziale Gerechtigkeit. Die Ergebnisse sind aufschlussreich auch für die Parteien.

Hat doch noch Freunde, aber nur gutverdienende: die FDP Bild: dpa

BERLIN taz | Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Dieser Satz stammt von Karl Marx, ist aber längst auch in die Meinungsforschung eingedrungen. Das Institut Insa-Consulere aus Erfurt hat jetzt für die taz ausgewertet, welche Einkommensgruppen welche Themen wichtig finden.

Dabei kam heraus: Wer ein Einkommen von 500 bis 1.000 Euro netto im Monat hat, für den sind die Themen soziale Gerechtigkeit mit 54 Prozent, Gesundheit mit 33,4 Prozent und Arbeitslosigkeit mit 27,1 Prozent am wichtigsten.

Völlig anders sieht es bei den Spitzenverdienern aus, die über mehr als 5.000 Euro netto im Monat verfügen. Dort dominiert als Thema die Eurokrise mit 37,3 Prozent, gefolgt von der Steuerpolitik (35,8 Prozent) und Staatsverschuldung (30,1 Prozent). Soziale Gerechtigkeit finden nur noch 21,5 Prozent wichtig.

Entsprechend unterschiedlich fallen die Antworten aus, wen man wählen würde, wenn jetzt Bundestagswahl wäre. Bei den Spitzenverdienern sind die Sympathien für die FDP ungebrochen. Wären in Deutschland nur Menschen mit einem monatlichen Netto-Einkommen von über 5.000 Euro stimmberechtigt – die Liberalen kämen auf sichere 12 Prozent. Genauso bemerkenswert: Auch die AfD erreicht bei den Spitzenverdienern ihre höchste Zustimmung. 12 Prozent würden für die Euroskeptiker stimmen. CDU/CSU erzielen in den obersten Einkommensgruppen 43 Prozent.

Bitter für die SPD: Die Union liegt in allen Einkommensgruppen vorn – selbst bei den Ärmsten hat sie mit 30 Prozent immer noch einen Vorsprung von 4 Prozentpunkten im Vergleich zu den Sozialdemokraten.

Spagat Schwarz-Grün

Bis zur nächsten Bundestagswahl ist es zwar noch lange hin, aber schon jetzt beginnt die Diskussion in den Parteien, wie man sich am besten positionieren soll. So führen die Grünen gerade einen Richtungsstreit, ob man noch Steuerreformen und eine stärkere Belastung der Spitzenverdiener fordern soll – oder lieber auf Werte wie „Freiheit“ setzt.

Die Insa-Zahlen sind da eindeutig: Es wäre für die Grünen keine gute Idee, das Thema Ungleichheit aufzugeben. Denn für grüne Wähler sind vier Schwerpunkte überproportional wichtig: soziale Gerechtigkeit (58 Prozent), Umwelt- und Naturschutz (49 Prozent), Bildung (32 Prozent) und Bürgerrechte und Datenschutz (24 Prozent).

Doch nicht nur die Programme sind umstritten, auch an der Strategie wird gefeilt. So wird in den Parteispitzen bereits überlegt, ob 2017 eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene möglich wäre. Zumindest die Prioritäten der Wähler sprechen nicht für ein solches Bündnis: Bei den Union-Anhängern finden nur 33 Prozent, dass soziale Gerechtigkeit wichtig ist – und der Umwelt- und Naturschutz liegt abgeschlagen bei 11 Prozent.

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12 Kommentare

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  • "Bitter für die SPD"

    - Ja, klar ist das bitter, aber wollte die SPD es denn anders haben?

    Sie umwerben die Klientel von CDU und FDP, unter Gerd Schröder konnte gar nicht genug Geld an diese Leute gehen, aber am Ende sind sie eine Minderheit: Die Reichen. Sie entscheiden nicht Wahlen.

     

    Die Mitte entscheidet und die wählt lieber CDU, weil sie viele Ängste haben, wovor genau spielt gar nicht die große Rolle. Da die SPD mit Riester und Hartz-IV viel Verunsicherung und Unzufriedenheit ausgelöst hat, wählen viele Menschen eben lieber konservativ, behalten Merkel im Kanzleramt. Die ist berechenbar, kühl, protestantisch, risikoscheu - wertkonservativ.

     

    Und das erhalten die Bürger dann auch politisch: Stillstand auf ganzer Linie. Diese Regierung und die vorherigen auch produzieren praktisch nur unwirksame Minilösungen, während sich wirtschaftliche und soziale Probleme auftürmen. Was auch immer angekündigt wird, es betrifft immer wieder Prozentrelationen von 0,5 bis 2 Prozent der Bundesbürger. Gerd Schröder riss bei seinen 'Großreformen' immer gleich Millionen mit. Und siehe da: Seit 1998 hat sich die Zahl der SPD-Wähler halbiert. Risikoreiches Verhalten zahlt sich ganz offenkundig nicht aus, aber es hängt wohl auch damit zusammen, was man macht, wem es nützt und wie es zur eigenen Linie passt. Die SPD tritt heute dafür ein, Arbeitnehmer und Rentner nach Plan zu verarmen. Das ist nicht gerade populär.

  • „Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein“, lautet das vollständige Marx-Zitat.

    Der FDP fehlte es insgesamt an gesellschaftlichem Bewußtsein. Deshalb ist sie jetzt auch weg vom Fenster - und dabei wollen wir es bitte belassen. Genug im Früben getischt!

  • Die im Bundestag nicht vertretene AfD kommt hier vor , die Linke dafür aber nicht .

    Die hat Frau Herrmann vergessen . Oder es wurde einfach bei der Taz-Umfrage niemand aus den verschiedenen Einkommensgruppen gefunden , der die Linke wählen würde . Seltsam ...

  • Paradox. Dabei profitieren Reiche, die Sachwerte besitzen und billige Kredite bekommen doch von der Eurokrise, während die Armen bei steigenden Importpreisen für Energie überproportional belastet werden.

  • Die Grünen haben - nicht erst seit Gestern - eine erhebliche Diskrepanz bezüglich der Ansichten ihrer Funktionäre und der Basis. Zum Glück für die Funktionäre ist die Grüne Basis inzwischen ähnlich schmerzfrei wie die der CDU. Das befreit die Funktionäre von der Angst des Machtverlusts. Hamburg und das Saarland sind da nur zwei Beispiele unter vielen.

  • G
    Guest

    Tolle Studie.

    Fazit: Das Hemd ist näher als die Jacke.

    Völlig unvorhergesehene Ergebnisse - jedenfalls soweit in dem kurzen Artikel dargestellt. Was hat die Studie der TAZ gekostet? Ich häts billiger gemacht.

  • Wen interessiert das alles ? Es wird nicht besser dadurch, wenn man wählen geht. Es sei denn, man hat Mut zum Risiko und gibt den "Flickschuster - Parteien" eine Abfuhr. All denen, die mit den Oligarchen in einem Boot sitzen, müsste man dann eine Abfuhr erteilen. Dieses System ist so kaputt, dass es nicht mehr zu reparieren ist. Die nächsten Generationen, werden diese "Handlanger - Politik" ausbaden müssen. Die Gier hat bereits alles im Griff. Man will keine "Reinigung" - man baut lieber Drohnen.

  • Warum steht nichts über die Einkommenssteuerstruktur der Grünen. Deren Mitglieder und Wähler haben auf jeden Fall die höchsten Durchschnittseinkommen. Aber das passt nicht so schön in das Bild von den reichen Liberalen.....

    • @Magnus_15:

      Danke, Ralf. Das würde mich auch interessieren.